Verena Keutgen

Feelings In A Winter Night

Disclaimer: I don’t own Beyblade.
  
Leute hetzten durch die Straßen, wollten noch rechtzeitig zu einem Treffen oder Termin kommen, den Bus oder die Bahn erreichen. Andere schlenderten gemütlich durch die Stadt, schauten in Schaufenster, suchten Geschenke oder noch letzte Zutaten für den Weihnachtsbraten.
Es war ein fröhliches Treiben: Man verbrachte die Zeit mit seinen Liebsten, schwelgte in Erinnerungen, freute sich auf neue und ließ sich mit der Menge einfach treiben, um ohne große Anstrengungen noch die letzten Tage vor Heilig Abend auf sich zu nehmen.
Ein paar Schirme wurden aufgespannt, als es anfing zu schneien, dicke Flocken den Himmel verließen und auf der Erde liegen blieben.
Es würde eine weiße Weihnacht geben.
Kinder liefen freudig durch die Straßen, versuchten einige Schneekristalle einzufangen, die Rufe ihrer Eltern, sie sollen doch nicht so weit fortlaufen, ignorierend.
Ein lieblicher Duft lag in der Luft, ließ die Kälte für kurze Zeit aus dem Gedächtnis verschwinden. Mitten auf dem großen Marktplatz stand ein riesiger Weihnachtsbaum, geschmückt mit bunten Kugeln, Engeln, Girlanden und kleinen Päckchen, auf der Spitze ragte ein großer Stern, leuchtete in einem schönen Gold.
Doch all dies interessierte eine Person nicht im Geringsten. Seine Jacke eng um den Körper geschlungen, den beinahe ausdruckslosen Blick starr auf den Boden gerichtet, hob er sich von der Masse ab. Ihm war all das egal, hatte schon fast einen Groll dagegen, wie fröhlich und ausgelassen diese Menschen hier alle waren. Keiner von ihnen dachte an die Menschen, denen es schlecht ging, die dieses Fest nicht mit Familie und Freunden feiern konnten. Niemand verschwendete auch nur einen einzigen Gedanken an jene.
Er war nur aus einem einzigen Grund hier. Der Grund, warum er jeden Tag hier war, jeden Tag seit nun genau einem Jahr. Und gerade diese Tatsache stimmte ihn so traurig, es war schon ein Jahr seit jenem Tag vergangen.
Er war an seinem Ziel angekommen, die Türen öffneten sich automatisch, ließen ihn eintreten und sperrten die Kälte aus. Wie in Trance durchquerte er die breiten, fast leeren Gänge, war mit seinen Gedanken ganz wo anders. Aber er musste auch nicht aufpassen, er kannte den Weg in- und auswendig, ging ihn jeden Tag, jeden Tag seit einem verdammten Jahr.
Eine Kurve, zweimal rechts und einmal links, schon war er an seinem Ziel angekommen. Doch er blieb vor der geschlossenen Tür stehen, atmete einmal tief durch und sammelte sich wieder, bevor er die Klinke herunterdrückte und eintrat.
Nichts hatte sich verändert, aber wieso sollte es auch? Theoretisch war es unmöglich, jeder hatte ihm das gesagt, doch er wollte es nicht glauben.
Er hatte noch Hoffnung.
Nur die Hoffnung ließen ihn nicht aufgeben, sich, ihn, alle. Ihn konnte er nicht aufgeben. Niemals.

  
Leise schritt er durch den sterilen Raum, keine Geräusche verursachend. Eigentlich war dies unnötig, niemand würde ihn hören.
Leider.
Vor dem einzigen Bett in diesem Raum blieb er stehen, setzte sich auf einen danebenstehenden Stuhl und betrachtete die darauf schlafende Person.
Ja, er schlief... seit einem Jahr.
Er nahm sich eine der Haarsträhnen, spielte ein wenig mit ihr. Schon immer hatte er sie gemocht, diese langen, seidigen, schwarz glänzenden Haare.
Gedankenversunken ließ er die Strähne wieder los, strich kaum merklich über die sanfte Haut des anderen, Wange, Stirn, Nase, Lippen. Er sah so friedlich aus.
Auch wenn es nun schon seit einem Jahr so war, konnte er es sich manchmal immer noch nicht wirklich vorstellen, wollte es einfach nicht wahr haben. Sein Engel sollte nie wieder aufwachen. Die Ärzte gaben ihm nur geringe bis gar keine Chance.
Er konnte sich noch genau an jenen Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen; er konnte es einfach nicht vergessen.
~Flashback~
Klirren, Poltern und Gefluche, dann Ruhe. Doch nur für kurze Zeit.
„TAKAO!!“, schallte die angsteinflößende Stimme des Teamleaders durch das gesamte Haus. Angeschrieener versuchte noch zu fliehen, aber es war zu spät. Kai verpasste ihm eine Kopfnuss, brummte ihm Extrarunden auf und verdonnerte ihn zum Aufräumen.
„Aber Kai, ich wollte mit Rei in die Stadt gehen.“
„Nichts da! Du bleibst hier und machst die Sauerei weg, die du hier veranstaltet hast! Was sollte das eigentlich werden? Wolltest du die Küche in die Luft jagen?!“

„Nein, ich wollte Rührei machen!“
Kai zog eine Augenbraue nach oben. Rührei? Es sah aus, als hätte es hier eine Schlacht gegeben! Der Blaugrauhaarige verließ mit den Worten „aufräumen“ die Küche und ging ins Wohnzimmer. Dort saßen Rei und Max, beide in ihre „Arbeit“ vertieft. Max löste das Kreuzworträtsel aus der Fernsehzeitung und Rei las ein Buch. Kai ließ sich neben den Schwarzhaarigen auf das Sofa fallen, legte seinen Kopf auf dessen Schulter ab und schloss für einen kurzen Moment seine Augen. Er spürte wie sich Rei mehr an ihn kuschelte und leise seufzte.

Sie waren nun fast schon ein halbes Jahr zusammen, hatten es vor ein paar Monaten auch den anderen gestanden.
Noch eine ganze Weile blieben sie so sitzen, hörten das leise Knistern des Feuers im Kamin, bis ein blauhaariger Japaner den Raum betrat und die ruhige Atmosphäre ihr Ende fand.
„Rei, können wir jetzt in die Stadt? Kai, sieh mich nicht so an, ich hab alles sauber gemacht!“
Kai seufzte so leise, dass nur Rei es hatte hören können und richtete sich auf. Rei lächelte sanft, gab dem Graublauhaarigen einen Kuss und holte dann seine Jacke, um sich mit Takao auf den Weg zu machen.

  
„Dann bis gleich.“
Das war das letzte, was er von Rei hören sollte.

 ~Flashback End~
Danach hatte er den Anruf von Takao bekommen. Rei hatte einen Unfall, der Fahrer hatte den Wagen aufgrund der Glätte nicht mehr steuern können und war von der Fahrbahn abgekommen...
Noch nie in seinem gesamten Leben hatte Kai so viel Angst verspürt. Angst, den wichtigsten Menschen in seinem Leben, seine Liebe, zu verlieren. So schnell er konnte war er zum Krankenhaus geeilt, Takao hatte ihn schon am Eingang erwartet und ihm gesagt, dass Rei noch im Operationssaal war. Zusammen hatten sie sich in das Wartezimmer gesetzt und gehofft, dass ihr Freund das überleben würde. Die Minuten hatten sich lang gezogen, als wären sie Kaugummi, wollten einfach nicht verstreichen. Nach schier einer Ewigkeit, in der Kai vor Sorge und Angst fast einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, war ein Arzt gekommen und hatte gefragt, ob sie die Angehörigen des Jungens seien.
Und das war es gewesen. Im nächsten Moment dachte Kai, die Zeit würde still stehen, es wäre nur ein schlechter Traum, aus dem er jeden Moment aufwachen würde. Doch das tat er nicht. Es war kein Traum, es war Realität.
 
Rei lag im Sterben.
3 Tage. Ganze 3 Tage hatte er auf der Grenze gestanden, zwischen Leben und Tod geschwankt.
Für Kai waren diese Tage die Hölle gewesen. Er hatte kaum schlafen können, bei dem Anblick von Essen war im schlecht geworden und diese unglaubliche Angst hatte ihn jede Sekunde begleitet.
Auch jetzt, nach einem Jahr, war diese Angst nicht gewichen. Sie war sein ständiger Begleiter. Es konnte immer passieren, dass Rei starb, nie wieder aufwachen würde, einfach so aus seinem Leben verschwinden würde.
So kam er jeden Tag her, setzte sich zu ihm ans Bett und hoffte, dass er die Augen aufschlagen und ihn anlächeln würde. So wie früher.
  
Doch immer, wenn er Abends wieder ging, hatte sich Rei nicht einmal gerührt, hatte nichts getan was darauf deuten könnte, dass er noch lebte. Nur das regelmäßige heben und senken seines Brustkorbes zeugte davon.
Aber Kai wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Er glaubte an Rei, glaubte an seine Stärke, an seine Willenskraft.
Müde ließ er seinen Kopf auf das Kissen neben Reis sinken, atmete seinen Duft ein und schloss seine Augen. Sanft umschloss er die Hand des Schwarzhaarigen mit seiner eigenen.
„Rei, ich liebe dich.“
Blitzartig schlug er seine Augen wieder auf. Hatte Rei gerade gezuckt? Ja, er hatte gezuckt, seine Hand, Kai hatte es genau spüren können.
Der Graublauhaarige richtete sich ein Stück auf, sah in Reis Gesicht, doch dies war unverändert.
Aber der Schwarzhaarige hatte reagiert, vielleicht auf seine Worte? Hatte er auf seine Umwelt reagiert?
  
Diese Gedanken ließen die Hoffnung in Kai etwas wachsen. Auch wenn es noch in der Schwebe stand, eins war für Kai ganz Gewiss:
Rei würde wieder aufwachen.
Und egal wie lange es dauern würde, er würde da sein.
  
Kais Lieder wurden schwerer, er hatte die letzte Nacht kaum bis gar nicht geschlafen. Immer wieder hatte er geträumt, wie Rei starb, nie wieder bei ihm sein würde.
Langsam schloss er seine Augen, glitt in einen leichten, traumlosen Schlaf.
Am späten Abend, während Kai immer noch schlief, er nichts bemerkte, veränderte sich das Piepsen der Geräte, an denen der Schwarzhaarige angeschlossen war.
Es war in einer Winternacht, in der die Schneeflocken durch die Luft tanzten und die Menschen mit ihren Familien im warmen Wohnzimmer vor dem Kamin saßen, als Rei seine Augen wieder aufschlug.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Der Liebe kann man immer und überall begegnen, auch donnerstags; sie kündigt sich nicht an.

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