Mathias Eigl

Denken

Ich denke viel nach. Das möchte ich hier und jetzt schon einmal festhalten- für den Fall das ich in meiner kleinen Geschichte abschweifen werde. Ich hoffe, sie werden es mir verzeihen, denn ich kann nicht anders. Schon als Kind habe ich mich durch meine Gedanken vom Wesentlichen abgelegt. Sei es von der Schule, von Hausaufgaben, von aufregenden Diskussionen mit meinen Freunden oder gar dem Fahrradfahren, was mich oft schlimmer Schürfwunden einbrachte. Und über was denke ich nach? Über alles, was anfällt. Ich kann zum Beispiel stundenlang an meinem Schreibtisch sitzen und nachdenken. Dieser Schreibtisch würde bei mir eigentlich Nachdenktisch heißen, weil ich mit Vorliebe daran sitze und nachdenke. Doch er heißt nun einmal Schreibtisch, und auch ich will ihn so nennen- obwohl kein einziges Papier meinen Tisch schmückt oder gar ein Stift. Und sehen sie? Ich schweife schon ab. Eigentlich wollte ich Ihnen auf die Frage antworten, worüber ich denn so nachdenke, und ich kann nur sagen das ich über alles und jeden nachdenke, und möchte von da aus meine Geschichte beginnen, weil ich es mir so ausgedacht habe, doch ich bin schon wieder abgeschweift (oder abgeschwoffen? Warum nicht abgeschwoffen). Um schnell wieder auf das Thema zu kommen...doch Moment...Gibt es überhaupt ein Thema? Ich hab doch noch gar nicht damit angefangen eines zu bilden. Oder hab ich das, nur Sie wissen noch nichts davon? Alles möglich. Alles möglich? Das ist ja wie bei Schrödingers Katze, der davon berichtet das alles mehrere Möglichkeiten hat, wenn man nicht nachschaut und sich vergewissert, dass nur eine gilt- zumindest in dem Moment, in dem es tut, das Nachschauen. Bin ich verwirrend? Es tut mir leid. Zurück zum Thema. Doch welches Thema? Achja, das Nachdenken. Meine Geschichte.
Meine Geschichte ist schnell erzählt, wenn man sich nicht jedes Detail anhören will, doch ich appelliere an Sie, dass Sie es tun. Vielleicht mag es für sie ein bisschen langweilig klingen auf den ersten Blick, denn Ihr Leben ist bestimmt um einiges aufregender als meines. Damit meine ich, dass sie vielleicht mehr spannende Dinge erlebt haben, dass sie mehr verreißt sind und auch mehr Leute getroffen haben. Doch dabei sehe ich auch immer viele Leute. Ich sitze an meinem Nachdenk...Entschuldigung. Ich sitze an meinem Schreibtisch und schaue aus dem Fenster. Von dort aus kann ich viele Menschen sehen, denn vor dem Haus in dem ich wohne, zieht sich eine Allee. Wissen Sie was eine Allee ist? Ein etwas breiterer Weg, an dem sich links und rechts die Bäume in Reih und Glied entlangziehen. Ich schaue oft auf diese Allee und auf die Menschen die dort spazieren gehen. Natürlich rede ich nicht mit ihnen, denn das Reden hab ich schon vor langer Zeit abgelegt. Ich rede nicht mehr, weil meine Gedanken sonst unterbrochen werden. Und mit wem sollte ich auch reden? Ich hab niemanden. Ich bin alleine. Und irgendwie ist das auch gut so, denn ich bin selbst mein bester Freund. Ich kann mich stundenlang mit mir selbst unterhalten, und sollte es mir dann doch irgendwie langweilig werden, schalte ich den Fernseher ein. Fünf Minuten reichen meist, und ich denken wieder den ganzen Tag über etwas nach. Was ich arbeite, werden Sie sich vielleicht fragen. Was macht solch ein Mensch, der keinerlei soziale Kontakte hegt und sich nur mit sich selbst beschäftigt? Ich schreibe. Ich schreibe Fragen auf. Das hört sich sehr lustig an, kann ich mir denken, doch das ist die Wahrheit. Ich schreibe Fragen auf, und sammele sie. Wenn ich einige zusammen hab, schicke ich sie an Hobbytüftler, Wissenschaftler, Zeitungen oder gar an das Fernseher. Und wenn ich meine Fragen abgeschickt habe, dann warte ich und schaue wieder aus dem Fenster, schau die Menschen an. Meist vergehen einige Tage, manchmal auch Wochen, bis ich Post bekomme. Das sind dann di! e Antwor ten von den Menschen, an die ich meine Fragen geschickt hab. Zumindest die Hobbytüftler und ab und zu auch ein paar Wissenschaftler schicken mir die Antworten zu meinen Fragen zurück. Die anderen, wie zum Beispiel die Leute vom Fernseher oder die von den Zeitungen, veröffentlichen diese und machen dann Quizshows daraus oder starten einen Wettbewerb indem der Gewinner eine Reise oder ein Auto gewinnen kann. Das macht mich glücklich. Ich bin froh diesen Beruf zu haben. Ich kann den ganzen Tag zuhause bleiben und tun und lassen was ich möchte. Dabei mach ich mir meine Gedanken und schreibe diese auf. Doch meine Geschichte hat noch mehr zu erzählen. Alles fängt an, als ich als ein kleines Baby war. Vielleicht auch noch viel früher, aber weil ich so klein war kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Gut möglich, dass ich bereits als ungeborenes Baby fragen hatte. Vielleicht schluckte ich mit Absicht diese komische Flüssigkeit um mich herum, um heraus zu finden wie sie schmeckt. Ich hätte mir das durchaus zugetraut. Doch Sie sehen, ich schweife ab.

Als kleines Kind, war mein erstes Wort nicht „Mama“ oder „Papa.“, sondern „Wie?“ und „Warum?“. So begann die Entwicklung. Oft fragte ich meine Eltern „Wie?“ und zeigte in den Himmel, wo ein Flugzeug einen weißen Balken hinter sich her zog. Das ich noch nicht richtig reden konnte, aber bereits fragen stellte, lies mich zu dem werden was ich heute bin. Denn jede Antworte meiner Eltern („Das ist die Luft, die so weiß ist“), wurde von mir bis in das kleinste Detail zerlegt. Was ist Luft? Was ist weiß? Was ist das Wörtchen Was? Was ist ein Wörtchen? Ich dachte über alles nach. Meine Fragewörter Wie und Warum reichten nicht aus, um auf alles eine Antwort zu bekommen und so musste ich selbst eben diese erreichen, indem ich sie mir herleitete. Weiß ist das Gegenteil von Schwarz. Luft ist, was uns umgibt. Viele Wörter ergeben einen Satz. Und so begann ich von klein auf bereits, offen durch die Welt zu gehen und mir wegen allem meine Gedanken zu machen. Konnte ich mir einfach keine Antwort herleiten, schlug ich sie nach, speicherte sie ab. Und hatte ich ersteinmal ein Lexikon in der Hand, konnte ich es nicht mehr los lassen. Was ist der Mond? Warum ist er, wo er ist? Was ist ist? Bin ich? Was, wenn ich nicht bin? Was ich nichts? Gibt es ein absolutes Nichts? Tagelang konnte ich mich mit einem Lexikon beschäftigen. Ich musste sogar. Fragen, die unbeantwortet bleiben, machen mich verrückt. Ein Problem wurde es allerdings, als ich mehr über diese Menschen erfahren wollte, die ich jeden Tag sah, wenn ich aus dem Fenster schaute. Ich konnte ja nicht einfach hingehen und sie fragen, denn ich rede schließlich nichts mehr. Also holte ich mir das Internet nach Hause, und es sollte die beste Anschaffung in meinem Leben werden. Von nun an musste ich nicht mehr aus dem Fenster schauen, um Menschen zu sehen und mich zu neuen Fragen inspirieren lassen. Ich musste auch nicht mehr den Fernseher anmachen, denn das Internet verband alles. Ich konnte Live nach Australien schalten, konnte Menschen anschauen die sich unbeobachtet fühl! ten und noch vieles mehr. Und nicht zu vergessen: Ich wollte mehr über diese Menschen herausfinden, die vor meinem Haus täglich die Allee entlang liefen. Doch wie? Ich hatte keinen Anhaltspunkt. Völlig wissbegierig aber total ahnungslos, tippte ich die Adresse der Homepage meiner Stadt in das leere, kleine Feld auf meinem Bildschirm, und suchte nach Gesichtern, die mir bekannt vorkamen. Und sie taten es tatsächlich. Nicht alle, doch einige. Ich erkannte den Mann wieder, der täglich mit seinem Hund spazieren geht und bekam raus, dass dieser in einem Handballverein war und noch immer ist, glaube ich. Auch die Dame mit diesem roten Hund erkannte ich wieder. Und dann sah ich diesen jungen Mann auf dem Bildschirm, der Tag ein, Tag aus, immer nur in schwarz umher lief. Immer nur schwarz. Ich bekam raus, dass dieser Mann in einem Schießverein Mitglied war. Das machte mich neugierig. Warum trug dieser Mann immer nur schwarz? Ein Glaube? Eine Einstellung? Oder ist jemand in seiner Familie gestorben? Wer könnte gestorben sein? Seine Oma? Sein Opa? Vielleicht gar sein Bruder? Und wie? Vielleicht gar durch die Waffe des jungen Mannes? Denn schließlich besitzt er ja eine, er ist ja im Schießverein. Aber warum trägt er dann schwarz, wenn er selbst jemanden umgebracht hat? Ist es Trauer? Eher unwahrscheinlich. Aber warum? Warum bringe ich jemanden um? Weil ich ihn nicht mag? Weil ich ihn hasse? Warum sollte ich dann trauern? Vielleicht um der Welt zu zeigen, dass ich es tue? Aber warum, wenn ich mich nicht so fühle? Um die Schuld von mir abzulenken? Das jeder denkt, ich wäre es nicht gewesen? Das muss es sein! Als ich zu dieser Erkenntnis kam, gefror mir das Blut in den Adern. Ich hatte soeben eine Mörder entlarvt! Ich! Und nun? Handeln! Und wie? Eine gute Frage. Ich überlegte, dachte nach. So, wie ich es noch nie zuvor in meinem Leben getan hatte. Und dann hatte ich die Idee.
Es war Mittags, und ich wusste das er kommen würde. Ich stand draußen neben meinem Haus, hatte eine wunderbare Aussicht auf die Allee und konnte jeden erkennen. Die Dame mit dem Hut, den Mann mit seinem Hund- und schließlich auch den jungen Mann. Er lief an mir vorbei. Ich folgte ihm. Ich war neugierig. Lief ihm nach. Ich schaute ihn mir an, und fühlte mich in meinem Denken nur noch bestätigt. Er muss jemanden umgebracht haben! Also lies ich nicht von ihm ab, setzte mich sogar in den gleichen Bus, stieg mit ihm an einer Haltestelle aus und folge ihm weiter. Als er sich einmal zu mir umdrehte, schaute ich mir sein Gesicht ganz genau an. Es zeigte Angst. Ob er merkte, dass ich hinter ihm her bin? Ich folgte ihm einige Zeit, kam dabei in Gegenden der Stadt, die ich seither nicht kannte. Ich selbst fühlte mich nun ängstlich, doch ich lies mich nicht von meinem Plan abkriegen. Ich werde rausfinden wo er wohnt, ihn der Polizei melden, dachte ich. Irgendwie werde ich mich schon verständlich machen, dachte ich, denn reden mach und mag ich nicht. In diesem Moment dachte ich nicht daran, was ich den Herren (und vielleicht auch Damen? Warum gibt es so wenig Frauen bei der Polizei), sagen könnte, welchen Beweiß ich ihnen bringen könnte, dass dieser junge Mann wirklich einen Menschen getötet hat. Und er hatte jemanden getötet, da war ich mir sicher! Und während ich dem jungen Mann nachlief und mir meine Gedanken machte, merkte ich, dass dieser schneller lief. Immer schneller und schneller. Er merkte, das ich ihn verfolgte, doch ich lies nicht ab. Ich war fixiert auf diesen Mann, fixiert auf die Tatsache, dass ich gerade dabei war ein Geheimnis zu lüften. Also lief ich schneller. Ich sah nicht nach links oder rechts, nur noch gerade aus. Tunnelblick. Es war wie in einem dieser Computerspiele, als ob man sich durch ein aus Binärcodes bestehendes Labyrinth bewegte- die Realität schien weit weg zu sein- und das Beste: Meine Gedanken waren zum ersten Mal in meinem Leben nur auf eine Sache gerichtet. Es gab keine Fragen di! e mich b eschäftigen die mich von meinem Ziel hätte ablenken können. Es war ein schöne Zeit, damals, als ich dem Mann hinterher lief. Alle Gedanken nur auf eine Sache gerichtet, ich in der Heldenrolle, der, der die Sache aufklärt. Das es ganz anders kommen sollte wusste ich nicht und hätte ich wohl auch nicht wahrhaben wollen. Und das kam so:
Ich folgte diesem in schwarz gekleideten Mann beinahe eine Ewigkeit. Ich wusste nicht, dass dieser mich bereits bemerkt hatte und hätte ich es getan, wäre mir dies wahrscheinlich auch egal gewesen, weil er ja schließlich ein Mörder sei und solchen Menschen sollte man kein Mitleid entgegen bringen. Ich fühlte mich bestätigt in dem was ich tat, dachte nicht eine Sekunde darüber nach, falsch liegen zu können. Und so kam es, dass der Mann stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Mittlerweile waren wir in Teilen der Stadt angelangt, zu denen ich keinerlei Bezug mehr hatte, doch das tat meinem Heldenmut keinen Abbruch. Doch ich wusste nicht, dass der Mann vor mir diese Umgebung auch nicht kannte, sie ihm jedoch im Gegensatz zu mir, Angst bereitete, was wahrscheinlich noch durch meine Anwesenheit unterstützt wurde. Als ich den Mann anblickte, kam zum ersten Mal der Gedanke in mir auf, falsch liegen zu können. Dieses Gesicht, ich werde es nicht wieder vergessen. Ängstlich, Schüchtern, Fragend. Und ich? Triumphierend, von Mut erfasst und nicht wirklich fragend, denn meine Antworten hatte ich bereits und wartete ja schließlich nur noch auf den Beweiß der diese Unterstützte. Doch dieser Beweiß schien nie zu kommen und sich nur in meinem Kopf abgespielt zu haben. Denn trotz aller Gedanken die ich diesem hatte: ich war und bin kein Unmensch und Blicke können auch mich erweichen, vor allem wenn sie so zu mir sprechen wie es die des Mannes vor mir taten. Und plötzlich begann er wirklich zu reden. Was ich von ihm wolle, wollte er wissen. Ich überlegte. Natürlich wusste ich was ich wollte, zumindest war ich mir dessen gerade eben noch bewusst, doch das war bevor ich daran dachte, falsch liegen zu können. Also erwiderte ich nichts und schwieg. Dann fragte der Mann, ob ich denn hinter seinem Geld her wäre und er bot mir seinen Geldbeutel an. Damit brachte er mich endgültig von meinem Gedanken, er könnte ein Mörder sein, ab und brachte mich auf einen anderen: ich bin in seinen Augen der Kriminelle, der Gangster. Ich bin also ! etwas, w as ich nie sein wollte und meist nur von anderen dachte.
„Ich..ich..“, stotterte ich also, geschockt von der Erkenntnis, was andere von mir denken könnten. „Nein, also...ich..ich will ihr Geld nicht.“
„Was wollen sie dann. Warum verfolgen sie mich?“
„Weil..“, sagte ich und sah meine Motive dahin schmelzen.
„Moment.“, schoss es dann aus der Munde des Mannes heraus. „Ich kenne sie doch.“, sagte er und blickte mich an.
„Mich?“, fragte ich erstaunt? „Sie kennen mich?“
„Sie schauen immer die Menschen an, die in der Allee laufen.“
Ich war erneut geschockt und schwieg. Nicht der Gedanke nicht reden zu wollen (reden mag ich nicht, weil es mich von meinen Gedanken abbringt) sondern eher die Einsicht das ich von anderen wahrgenommen werde, brachte mich dazu, nichts darauf zu antworten weil mein Bild, das ich von der Welt hatte, einfach plötzlich ein anderes war. Doch während ich da stand wie ein Häufchen Elen, schien der Mann sich nur bestätigt. Seine Angst schien verflogen und einem Lächeln zu weichen, das von Sekunde zu Sekunde mehr zu einem Grinsen wurde. Schließlich fiel mir auf, das seine Angst erst dann weniger wurde, als ich er erkannte wer ich war, und ich fragte mich, warum ich nicht jemand sei, vor dem man Angst haben könne.
„Sie sind es, oder?“, fragte der Mann und schien damit nur einen offiziellen Beweis für seine Vermutung zu fordern.
Ich nickte, und der Mann fragte mich, warum ich denn jeden Tag die Menschen beobachten würde, woraufhin ich wieder schwieg. Doch auch diesmal nicht, weil ich nicht reden wollte, sondern weil ich nicht glaubte, dass man mich verstehen würde. Also senkte ich meinen Kopf, so wie es Schuljungen tun wenn sie bei etwas verbotenem erwischt werden, und sagte nichts.
„Ist ihnen langweilig?“, fragte mich der Mann und ich war mir sicher, er meint nicht die gegenwärtige Situation.
Ich schüttelte den Kopf.
„Macht es ihnen Spass, andere Menschen anzuschauen?
Mein Kopf blieb noch immer still, so einfach war das nicht zu erklären.
„Sind sie einsam?“
Erwischt.
Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich darüber nachzudenken und nun, da jemand mit mir redete, schien auf diese Frage des Mannes kein unmittelbareres „Nein“ zu folgen, aber auch kein „Ja.“ Denn woher weiss man, ob man einsam ist, wenn man Zweisamkeit nicht erlebt hat? Alle Gedanken in meinem Kopf kreisten nun um die Antwort auf die Frage, ob ich einsam wäre. Diese Gedankengänge beanspruchten alle meine Ressourcen und ließen nicht viel Platz für anderes. Oder anders gesagt: Ich stand einfach nur da, und starrte. Doch so sehr ich auch darüber nachdachte, ich kam zu keinem Entschluss. Und ich dachte gründlich darüber nach. Mit aller Sorgfalt. Schließlich nahm ich meinen Mut zusammen, summte einen Ton leise vor mich hin um mein sonst eigentlich nie beanspruchtes Stimmorgan aufzuwärmen, bevor ich es benützen würde, und fragte dann. „Vermissen sie es, auf dem Mond zu tanzen?“
Der Mann, mittlerweile sichtlich genervt von der langen Zeit die ich benötigte um zu antworten, erwiderte schnell: „Da war ich noch nie. Wie soll ich´s vermissen?“
„Sehen sie.“, sagte ich. „So geht es mir auch.“
Er wusste sofort was gemeint war, und ich war froh darüber. Für mich schien die Sache aufgeklärt und neutral ausgegangen zu sein. Weder gut für mich, noch gut für ihn. Also drehte ich mich um, und gerade als ich meinen Weg nach Hause antreten wollte, hörte ich den Mann „Halt!“, rufen. Ich blieb stehen, bewegte mich nicht. Was wollte er noch von mir, schließlich schien die Sache ja nun geklärt zu sein, dachte ich.
„Wollen sie mitkommen?“, fragte er mich. Zuerst verstand ich ihn nicht wirklich, denn niemand hatte mir in meinem Leben je solch eine Frage oder gar eine ähnliche gestellt. Langsam drehte ich mich um und blickte den Mann an, der seinen Satz wiederholte.
„Wohin?“, wollte ich mit leiser Stimme wissen.
„Ich treffe mich mit ein paar Freunden.“
„Freunden?“, wiederholte ich ungläubig, nicht zuletzt da dieses Vorhaben wohl nichts mit einem Mord gemein zu haben schien der noch immer in meinem Hinterkopf umherspukte.
„Wir treffen uns oft und reden über...wissen...sie...Also eigentlich ist das ein Geheimnis, aber ich werde es ihnen erzählen.“
Und so kam es, dass ich, ohne zu wissen was mich erwarten würde, mitging. Und es war ein wunderschönes Gefühl.
Es dauerte nicht lange, und wir kamen in eine Bar in der mein neuer Freund (ich nehme mir heraus ihn zu diesem Zeitpunkt bereits „Freund“ zu nennen) einer Gruppe Menschen zuwinkte. Es sah so aus, als würden sie mir auch zuwinken und ein großartiges Gefühl kam in mir hoch. Es war eine Mischung aus ein klein wenig Angst, einer großen Portion Neugierde, viel Hoffnung und sogar etwas Selbstbewusstsein. Mit großen Schritten ging ich der Gruppe entgegen, dem Mann hinterher, der mich vorstelle und die Namen der einzelnen Personen nannte. Zum einen wäre da Albert, der mir sofort seine Hand reichte und diese schüttelte. Ein Brauch, dessen Ursprünge ich war kenne und auch dessen Absichten, und doch ist es was ganz anderes, selbst so begrüßt zu werden und es nicht passiv im Fernseher zu betrachten. Sarah schüttelte mir nicht die Hand, blieb sitzen und lächelte mich an, was mindestens genauso gut war, wenn nicht noch besser, denn mein Herz machte Sprünge. Andreas begrüßte mich mit einem kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter und wieder war ich um eine Erfahrung reicher. Und schließlich stellte sich der Mann, dem ich all diese Bekanntschaften zu verdanken hatte, als Sebastian vor.
„Ich möchte ihm von unserem Geheimnis erzählen.“, meinte Sebastian irgendwann als wir uns setzten.
„Denkst du, er kann damit umgehen.“, wollte Andreas wissen, doch Sebastian nickte und meinte, dass ich das er das spüre. Doch zuerst musste ich etwas von mir erzählen und so tat ich wie mir befohlen. Und es schien ihnen zu gefallen. Aufgeregt hörten sie mir zu, als ich von meiner Arbeit, dem Nachdenken, berichtete und auch, als ich sagte das ich viel Nachdenken und viel Fragen würde. Ich wusste nicht ob ich das hätte sagen sollen, vielleicht würden sich die Vier bedrängt fühlen, doch ich tat es und es stellte sich nicht als Fehler heraus. Im Gegenteil. Als ich meinen letzten Satz über mich beendete, beglückwünschte man Sebastian zu seinem „fang“, womit man wohl mich meinte. Anscheinend schien ich ein „Glücksgriff“ zu sein, wie Sarah es formulierte und ein wenig später stellte sich auch heraus, wieso sie das sagte. Doch zuvor berichtete Sebastian von dem Geheimnis und plötzlich hatte niemand mehr Zweifel ob ich damit umgehen könne. Also lauschte ich gespannt Sebastians Worte und konnte mein Glück, hier in diese Gruppe von Menschen geraten zu sein, kaum fassen. Er erzählte, dass sie sich mindestens einmal in der Woche treffen um über gewisse „Ideen“ zu reden, wie Albert es ausdrückte. Im Klartext geht es darum, dass diese Vier versuchen, durch Nachdenken gewissen Ungereihmtheiten der Weltgeschichte auf die Schliche zu kommen. Kennedy-Mord, Mondlandung, Hitlers hang zur Homosexualität oder George W. Bushs drang zur Aufbesserung des Selbstbewusstseins durch Entfachung von Kriegen. All das waren bereits Themen in der Runde und oft kam man zu fantastischen Ergebnissen, welche ich, als Albert von ihnen erzählte, aufsaugte und in meinem Hirn verarbeitete. Doch ich konnte natürlich viel zu der Gruppe beitragen, versorgte sie mit neuen Themen und Denkanstößen und trat ihr kurzgesagt bei. Mir war nun klar, was Sarah mit „Glücksgriff“ meinte und empfand die Gruppe selbst als einen. Von nun an konnte ich meine Gedanken denken, mich auslassen und dazugehören.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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