Heiko Braun

Abschied

Es war an einem Tag im August. Ein warmer Sommerregen gab dem ausgetrockneten Boden wieder etwas Feuchtigkeit. Es war ein trockener Sommer gewesen bisher, dies war der erste Regenschauer seit Mitte Juli und der Boden saugte jeden Tropfen des Regenwassers auf wie ein Schwamm.
Ihr war das egal, sie befand sich in einem Zustand zwischen Glückseeligkeit und Trauer. Endlich hatte sie den Mann ihrer Träume kennen gelernt und schon mussten sie wieder Abschied nehmen. Sie gingen Arm in Arm Richtung Hauptbahnhof, beide Sprachen kein Wort, aber ihre Gedanken waren zu einem Ganzen verschmolzen: "Wir lieben uns!", dachten beide, und sie wussten, dass der andere das Selbe dachte!!!

Als sie am Bahnhof ankamen, waren auf dem Bahnsteig 3 schon unzählige Pärchen dabei, Abschied zu nehmen. Man flüsterte sich Zärtlichkeiten ins Ohr oder küsste sich sanft... man nahm Abschied von einander, weil man wusste, das man sich eine lange Zeit nicht wieder sehen würde!

Der Bahnhofsvorsteher zeigte an, dass der Sonderzug in 10 Minuten losfahren würde, als er sie umarmte und mit seiner linken Hand ihr Haar durchwühlte... er liebte den Duft ihrer Haare und wie es sich anfühlte, er liebte sie und würde sie lieben bis an sein Lebensende.

"Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt" schrie irgend jemand, doch das störte unser Pärchen nicht. Seine Zunge hatte soeben die ihre gefunden und ein inniger Kuss bahnte sich an.
Langsam wanderte seine Hand an ihren Po, umfasste ihn zärtlich und massierte ihn. Dabei schob sich ihr Rock höher, als es sich in dieser Zeit schickte, aber das war ihr egal, sie wollte nur jede Berührung von ihm genießen, bevor sie sich auf unbestimmte Zeit trennen mussten!

Er hauchte ihr noch ein leises "Goodbye" ins Ohr und blickte tief in ihre Augen. Dann stieg er in sein Abteil, verstaute seine Habseeligkeiten im Gepäckfach und ging zum Fenster. Er wollte ihr noch einen letzten Blick zuwerfen, bevor er sie verließ, doch sie sah in nicht mehr, zu tief und innig war dieser letzte Kuss gewesen, den er ihr gegeben hatte!

Der Zug hatte den Bahnhof schon verlassen, da stand sie immer noch am Bahnsteig 3 und schwelgte in der frischen Erinnerung seines Kusses, als ein Regentropfen genau zwischen ihren Füßen zerplatzte.

Sie freute sich auf das Wiedersehen mit ihm, hatte große Pläne für ihren nächsten gemeinsamen Abend. Ein Picknick am Ufer des Flusses, an dem sie sich das erste mal trafen, ein Spaziergang durch den Park und dann, ja dann würde sie ihm das kostbarste Geschenk machen, das eine Frau einem Mann machen kann... er war es wert!!!

Sie wusste nicht, das er nie zurückkehren würde. Er starb drei Tage nach ihrem Abschied.
Viele junge Männer starben in diesem Jahr. Es war keine gute Zeit für junge Pärchen.
Es war 1942 und es war Krieg...




H.B. im März 2002, nach einem Gedicht von Wolfgang Borchert

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Es wurde sehr viel geschrieben über jene Jahre der unseligen Diktatur eines wahnwitzigen Politikers, der glaubte, den Menschen das Heil zu bringen. Das meiste davon beschreibt diese Zeit aus zweiter Hand! Ich war dabei, ungeschminkt und nicht vorher »gecasted«. Es ist ein Lebensabschnitt eines grünen Jahzehnts aus zeitlicher Entfernung gesehen, ein kritischer Rückblick, naturgemäß nicht immer objektiv. Dabei gab es Begegnungen mit Menschen, die mein Leben beeinflussten, positiv wie auch negativ. All das zusammen ist ein Konglomerat von Gefühlen, die mein frühes Jugendleben ausmachten. Ich will versuchen, diese Erlebnisse in verschiedenen Episoden wiederzugeben.

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