Joana Angelides

Midsommar-Nacht

 
Der weiträumige Garten war voller Lampions, die Stimmen unterlegt mit Musik, die aus den in den Bäumen verteilten, versteckten Lautsprechern kamen.
Die bunten Lampions bewegten sich leicht im Wind und ließen die Schatten tanzen. Manches Pärchen konnte man kaum ausmachen, wenn sie so an die Stämme der Bäume gedrückt, fast bewegungslos mit ihnen verschmolzen.
Das klein gehaltene Lagerfeuer in der Mitte des parkähnlichen Gartens knisterte und kleine Funken flogen in die Nacht. Es wurde von zwei eigens dafür bestellten Gärtner bewacht und unter Kontrolle gehalten.
Es war die alljährliche Midsommar-Party der schwedischen Botschaft.
Midsommar-Nächte sind jene Nächte, die am kürzesten sind, dadurch kann das Tageslicht am längsten genossen werden.
Leises Frauenlachen und erregtes Flüstern heizten die Luft auf und versetzten das eigene Ich in Schwingungen, ob man es nun wahrhaben mochte, oder nicht.
Im Zentrum des großen Parks, vor dem schön geschmückten Aufgang zur Villa war das Buffet aufgebaut und diskrete Hilfskräfte halfen bei der Auswahl der kleinen Häppchen und Saucen, die man sich auf die Teller häufen konnte. Ebenso unauffällig gingen lächelnde Kellner mit Tabletts herum und reichten Getränke.
Die verschiedenen Gerüche und Parfüms der Damen und die herben Düfte von Holz, Zigarren und frisch geschnittenen Gräsern, die von den männlichen Besuchern ausgingen, vermischten sich zu einem aufregenden Fluidum, dem man sich nicht entziehen konnte..
Alles in allem eine Symphonie aus Lebensfreude, Spannung und Neugierde, in die man sich fallen lassen konnte ohne sich mit ihr zu vermischen. Es tauchten hin und wieder bekannte oder unbekannte Gesichter auf, man wechselte mehr oder minder belanglose Sätze und fühlte sich doch irgendwie einsam.
Ich überlegte gerade noch, ob ich mir noch ein Glas Punsch holen, oder auf den Stufen der zum Haus führenden Treppe einfach sitzen bleiben soll, als ein hochgewachsener, mir nur flüchtig bekannter Mann vor mir stehen blieb und mir ein volles Punschglas entgegen hielt.
"Sie sehen so einsam aus, so in sich gekehrt und da dachte ich mir, ich hole sie aus ihrer Isolation heraus und bringe ihnen was zu trinken!"
Ich hob meinen Kopf und sehe in ein lächelndes, von grauem Haar umrahmtes Gesicht, mit sehr vielen Lachfalten und einem strahlenden Lächeln. Es war ein Vertrauen erweckendes Gesicht, dessen Augen einen bittenden Ausdruck hatten.
"Oh, wie haben sie das erraten? Gerade überlegte ich, ob ich mir noch was hole oder hier einfach sitzen bleibe und einfach diese wunderbare Nacht geniessen soll."
Er reichte mir sehr galant seinen Arm und ich erhob mich von den Stufen. Ich mußte aber erst meine Schuhe zurecht rücken, da sie neben mir standen.
Eine alte Gewohnheit von mir, immer wenn ich unentschlossen bin, ziehe ich meine Füße aus den Schuhen und bewege meine Zehen.
Er wartete lächelnd, bis ich sie wieder angezogen hatte.
"Wollen wir nun ein wenig um das Feuer herumgehen und unsere Drinks geniessen, oder wollen sie dort zur Sitzecke gehen und die Menschen betrachten?"
Es war zwar eine Frage, doch ließ der Ton, in dem sie vorgetragen wurde, keinen Zweifel darüber, dass er die erste Variante bevorzugte.
Ich nicke daher unbestimmt und er reichte mir seinen Arm, ich hakte mich ein und wir gingen langsam, wie ein längst vertrautes Paar in sicherer Entfernung um das Feuer herum.
"Alex, ich heiße Alex Lindström," dabei lächelte er mich erwartungsvoll an.
"Melanie, einfach Melanie," sagte ich und nahm mir die Freiheit es dabei zu belassen. Frauen dürfen ihre Identität ein wenig länger als Männer für sich bewahren.
Er nahm es mit einem amüsierten Lächeln zur Kenntnis und wir prosteten uns zu.
"Ich finde, dass ihnen der flackernde Feuerschein gut zu Gesicht steht. Es macht es sehr lebendig und man kann den Flaum bei ihrem Haaransatz glühen sehen.", dabei strich er mit einer Hand wie selbstverständlich mein Haar aus der Stirne zurück.
Es war eine sehr vertrauliche Geste und ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg. Es war gut, dass das Feuer meine aufsteigende Röte verdeckte, sie wäre verräterisch gewesen!
Wieso konnte er mich so beeindrucken? Ich blickte schräg nach oben und sah sein Profil sich gegen das Feuer abzuzeichnen. Er sah unglaublich männlich und auch ein wenig geheimnisvoll aus.
Ich stellte mir vor, er würde mich einfach in den Arm nehmen und mich leidenschaftlich küssen. Der Gedanke gefiel mir.
Was wäre wenn er mich einfach aufheben, mich neben dem Feuer auf die Erde legen und alle Knöpfe meines Kleides öffnen würde?
Mir stieg das Blut in den Kopf, meine Finger wurden eiskalt und meine Beine schwach als wollten sie nachgeben, alleine bei dem Gedanken daran.
In meiner Vorstellung waren wir plötzlich ganz alleine im Garten, die anderen Gäste verschwunden und die Lampions dämpften ihr Licht.
Ich spürte seine Lippen überall auf meiner Haut, seine Lippen hinterließen auf meiner Haut kleine Blasen als würden glühende Holzstückchen aus dem Feuer herüber springen.
Ich hörte ihn leidenschaftlich flüstern, spürte seinen Atem meinen Nacken streifen und seine Hände langsam meinen Körper entlang streichen. Jede Berührung erzeugt Ströme von Empfindungen, ließ meinen Körper beben. Erinnerungen tauchten aus der Tiefe meiner Seele auf und entzündeten längst vergessen geglaubte Sehnsüchte und brachten mein Inneres zum glühen.
Plötzlich war er mir nicht mehr fremd, es war als würde ich mit ihm verschmelzen und eins werden.
Irgendwann wurden wir Bestandteil des Midsommar-Feuer und lodernden mit ihm gemeinsam in den Himmel.
 
Als würde er meine Blicke spüren, dreht er den Kopf zu mir und lächelte.
"Welche Gedanken könnte ich hinter dieser schönen Stirne finden, wenn ich sie lesen könnte?"
Verlegen senkte ich meinen Blick, befürchtete, dass er meine geheimen Fantasien darin lesen könnte.
Was war nur an ihm, dass er solche Gedanken und Wünsche in mir wecken konnte?
"Das Feuer spiegelt sich in ihren Pupillen, es ist als würde es auch in ihnen lodern.
Skol, kleine Frau, sie trinken ja fast gar nichts, wie wollen sie denn da in Stimmung kommen?"
Wenn er wüßte, mit welchen Fantasien sich mein Innerstes beschäftigte!
Ganz allmählich nahm ich auch wieder die anderen Gäste wahr und mein Blut begann langsam in ruhigeren Bahnen zu fließen.
"Ich genieße diesen wunderbaren Abend und auch ihre Gesellschaft," sprach ich und lockerte etwas meinen Griff auf seinem Unterarm.
"Schade, es war ein wunderbares Gefühl, als sie sich so fest an mich klammerten, als würden sie Angst haben, ich verliere sie in diesem großen Garten".
Irrte ich, oder war sein Blick mit einem Male aufmerksamer und intensiver auf mein Gesicht gerichtet?
Unwillkürlich verstärkte ich den Druck wieder und es trug mir ein sehr intensives Lächeln meines Begleiters ein.
"Ohja, halten sie sich fest, denn ich bin sehr glücklich sie hier gefunden zu haben und will sie nicht wieder im Gewühl verlieren."
Wir entdeckten noch den einen oder anderen Stern am Nachthimmel, der uns zuwinkte, tranken noch das eine oder andere Glas Punsch und ahnten, dass diese kurze Nacht doch noch real zu einer langen Nacht werden wird.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.06.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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