Ursula Mori

Eine Frauenhandtasche - eine wahre Fundgrube

Eine Frauenhandtasche - eine wahre Fundgrube
 
Irgendeinmal ist der Moment gekommen und meine Handtasche platzt aus allen Nähten, die Zeit zum Aussortieren ist da, ein äusserst spannendes Unternehmen. Das Mobiltelefon stecke ich kurzerhand in die Hosentasche, so ist es wenigstens aus dem Weg geräumt. Viel Platz benötigt der sperrige Geldbeutel. Nicht dass er mit übermässig viel Geld gefüllt wäre. Nein, es sind die vielen kleinen Quittungen und Zettel, die ihn anschwellen lassen. Ihn durchforste ich besser zu einem anderen Zeitpunkt. Dieses Unterfangen würde ähnlich viel Zeit in Anspruch nehmen, wie das Aufräumen der Handtasche, der ich mich nun endgültig annehmen will. 
 
Der mehr als zwei Monate alte Ausdruck eines Mails meiner Freundin kann ich heute getrost wegwerfen. Ihr habe ich schon längst geantwortet. Es folgen ihm verschiedene unbedeutende Einkaufsquittungen und Notizzettel. Auch Wahlpropaganda, die mir öfters mal in der Bahnhofshalle zugesteckt wird, landet auf Nimmerwiedersehen in meiner Handtasche. Ich will ja nicht unhöflich sein, nehme die Werbung entgegen und stopfe sie unverzüglich in die Tasche. Ungelesen werfe ich die Prospekte heute weg. Aus den unteren Regionen der Tasche zaubere ich verschiedenste Werbekugelschreiber hervor, nur wenige davon schreiben noch. Auf die Haarbürste, den Haarspray, das Parfümfläschche, das Deo und die Handcrème will ich nicht verzichten. Doch hingegen stelle ich den Spray gegen Halsschmerzen zurück in den Apothekerschrank. Seit den letzten Halsschmerzen ist bereits eine geraume Zeit vergangen und bei den momentan herrschenden sommerlichen Temperaturen, wird sich kaum so schnell wieder ein Erkältung einschleichen.
 
Der Inhalt meiner Tasche hat bereits merklich abgenommen und ich atme erleichtert auf.
 
Erstaunt halte ich auf einmal drei Ansichtskarten der Färöer-Inseln in meiner Hand. Sie sind noch unbeschrieben, aber bereits frankiert. Ich lehne mich im Stuhl zurück und lasse träumerisch meine Gedanken schweifen.
 
Vor rund einem Jahr habe ich ganz kurzentschlossen meine Mailfreundin in ihrer Heimat, den Färöer-Inseln besucht. Leider verging die Zeit viel zu schnell und ich sass bereits wieder in der Abflughalle des Flughafens Vagar. Ich staunte nicht schlecht, dass die im Verhältnis doch recht abgelegenen Inseln mit mehreren Flügen pro Tag bedient werden.
 
Es geht euch unter Umständen jetzt genau so, wie vielen meiner Bekannten. Jeder wusste, dass unsere Fussball-Nationalmannschaft bereits mehrere Spiele gegen die Inselmannschaft bestritten hatte. Doch wo die Inseln genau liegen, konnte kaum jemand erklären. Solltet ihr auch zu der Gruppe der Unwissenden zählen, so kann ich hier kurz folgendes anführen: Die Färöer-Inseln liegen auf halber Strecke zwischen Norwegen und Island im atlantischen Ozean. Politisch gehören sie zu Dänemark.
 
Bei den Fluggästen handelte es sich meist um Färöer und kaum Touristen. Gerade aus diesem Grund war es beachtlich, dass ich einen Platz neben einem Kanadier zugewiesen erhielt. Die Tatsache, neben all den Einheimischen die einzigen Ausländer zu sein, schweisste uns sichtlich zusammen und wir begannen kurzum ein Gespräch. Mein Plaudergefährte war geschäftlich auf den Inseln tätig. Da hatte ich es mit meinen Ferien schon viel besser. Er kontrolliert im Auftrag der kanandischen Regierung Frachtschiffe und deren Ladung. Es war spannend aus seinem Berufsalltag zu erfahren. Schon bald berichteten wir auch von unseren Familien und unserem Alltag, der sich nicht gross zu unterscheiden schien, obwohl mein Gesprächspartner aus einer weit entfernten Ecke Kanadas stammte.
 
Der Flug verging dank unserer angeregten Unterhaltung im Nu. Wir lachten oft und herzlich über die kleinen Episoden, die wohl in allen Familien vorkommen. Die Mitreisenden betrachteten uns sicherlich als alte Bekannte.
 
Im Kopenhagen werden sich unsere Wege trennen. Sein Weg führt ihn nach Bergen in Norwegen und ich fliege weiter nach Zürich. Beiden blieb noch ein wenig Zeit in der Transithalle des Flughafens. Ganz selbstverständlich setzten wir uns noch zusammen in ein Café und plauderten weiter.
 
Die Zeit war gekommen und unsere Wege sollten sich trennen. Wir verabschiedeten uns mit den Worten, dass es toll war, einander kennengelernt und so angeregt geplaudert zu haben. Wir stellten erstaunt fest, dass wir uns einander noch gar nicht mit Namen vorgestellt hatten. So erfuhr ich erst im letzten Augenblick, dass mein Begleiter Jamie heisst. Bevor wir uns jedoch endgültig adieu sagten, öffnete er noch rasch seine Tasche und steckte mir die drei Postkarten zu. "Vielleicht hast du noch Verwendung dafür, ich komme nicht mehr zum Schreiben".
 
Schmunzelnd schaue ich mir die Karten an und stecke sie mit den erfrischenden Erinnerungen an eine wunderbare, wenn auch kurze, Begegnung, zurück in meine Handtasche. Hier sind sie bestens aufgehoben. Eine Handtasche ist wahrlich eine Wundertüte mit vielen Überraschungen. Es lohnt sich in jeder Hinsicht, nicht immer alles gleich wegzuwerfen. So können Erinnerungen, wie mein Flug von Vagar nach Kopenhagen, ungeahnt wieder aufblühen.
 
Wie schön ist es zu verreisen und Menschen aus aller Welt zu treffen.
 
Ursula Mori 
 
 
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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