Birgit Wolf

Naturfreunde

Da wir auf dem Land leben, hat unser Haus einen Garten. So ein bisschen Grünzeug rundherum ist für Familien eine tolle Sache, man kann draußen herumtoben, sich schmutzig machen, Blumensamen und Ableger eingraben, Amseln beim Würmersuchen beobachten – und man kann Rasen mähen.
Mein Ehemann behauptet, der Rasen müsse immer genau so groß sein, dass die Frau ihn mähen kann. Das hat ihm ein Freund erklärt, der für die Gartenpflege nichts erübrigen kann – er sagt, er sei nur für den anarchistischen Teil geeignet, also falls es etwas abzuholzen oder umzureißen gäbe. Und da sei dann hinterher auch wirklich alles weg.
Unser männliches Familienoberhaupt ist weniger zerstörerisch veranlagt, obwohl – wenn er einen Rasenmäher vor sich her schiebt (den scheucht er vergleichsweise so rasant wie Schumi seinen Ferrari), dann hat kein zartes Pflänzchen eine wirkliche Chance. Was in unserem Garten eingebuddelt wird, mangelt er gnadenlos platt. Allerdings nur, wenn es nicht regnet, nicht zu regnen droht und nicht geregnet hat. Denn dann kann man ja nicht mähen und muss sich – schade, schade – statt dessen mit einem kühlen Feierabendbier und einer Partie Moorhuhnjagd zufrieden geben.
Egal. Wir haben jedenfalls einen Garten, nicht besonders groß, nicht übermäßig gepflegt, aber grün und draußen. Und irgendwann kam mir der Gedanke, dass man ja eigentlich auf diesem Gelände auch feiern könnte – nicht, dass es mich nervt, an Geburtstagen vierzig Leute in der Küche zu stapeln, man kann die Bierflaschen ja weiterreichen. Aber ein bisschen Spielraum wäre nicht schlecht, und so machte ich mich auf den Weg und erstand ein unglaublich preiswertes Partyzelt. Ganz leicht aufzubauen, sagte man mir mit treuherzigem Hundeblick. Denken Sie nicht, ich würde so etwas glauben. Gekauft habe ich es dann doch.
Stunden später stand ich also im Garten und faltete eine gestreifte Plastikplane auseinander, an der Bänder und längliche Gebilde aus Kunststoff befestigt waren. Auf der Zeichnung sah es ganz leicht aus, doch in der Realität kippte es rechts um, wenn ich es links aufrichtete, und wenn ich es hinten befestigen wollte, fiel es vorne wieder in sich zusammen. Ein Helfer musste her, so ging das nicht, und wen sollte ich schon tagsüber belästigen, wenn alle geeigneten Nachbarn ihrer Berufstätigkeit nachgehen? Wie der Zufall es wollte, sausten in diesem Moment zwei Fahrräder auf unser Haus zu, und ich war ganz sicher: Das sind Kalli und Jürgen, wahrscheinlich haben die heute frei. „He!“ brüllte ich ihnen nach und rannte wild gestikulierend auf die Straße, „Halt mal!“ Winkewinke, Vollbremsung.
Die beiden Radfahrer drehten sich um und sahen mich konsterniert an.
Es waren zwar weder Kalli noch Jürgen, und eigentlich kannte ich sie überhaupt nicht, aber immerhin standen sie jetzt da, und so schilderte ich ihnen meine verzweifelte Lage.
„Wir können Ihnen ja mal unter die Arme greifen“, meinten sie zweideutig grinsend, stellten ihre Fahrzeuge ab und folgten mir bereitwillig. „Ich bin Klaus“, erklärte der eine, „und das ist Jan. Wir machen hier Urlaub.“
Soso, dachte ich, dann macht ihr heute mal was anderes. Gelassen drückte ich Ihnen die Utensilien für den Aufbau und die Anleitung in die Hände, faselte etwas von „starken Männern, für die das sicher kein Problem ist“ und kündigte an, ein Bier kalt stellen zu wollen. Dann habe ich mich verkrümelt und das lebhafte Treiben von der Küche aus beobachtet, denn ich befürchtete das Schlimmste – ein wackeliges Gebilde, das immer wieder in sich zusammensacken würde, und Flüche der schlimmsten Art in anschwellender Lautstärke.
Nichts von dem geschah.
Nach vierzehn Minuten (hab‘ ich gestoppt) stand das corpus delicti, schwankte kein bisschen, und meine grinsenden Helfer forderten prompt die versprochenen Getränke ein. Gut, dachte ich, die zwei Bierflaschen war es doch wert, die Kühlung war zwar noch nicht so recht fortgeschritten, aber das störte niemanden. Zu genau diesem Zeitpunkt fuhren Elfi und Reiner an uns vorbei, bremsten mit einem quietschenden Geräusch (was nicht an der Geschwindigkeit, sonder am Alters des Autos lag), und Elfi lugte mit langem Hals aus dem heruntergekurbelten Fenster. „Was macht ihr denn da?“ fragte sie voller unverhohlener nachbarschaftlicher Neugierde. „Richtfest!“ rief Klaus zurück und prostete ihr mit der Bierbuddel zu, woraufhin Reiner den Wagen umgehend vor dem Haus einparkte. Na fein.
Etwa eine Viertelstunde später stieß dann Johanna von gegenüber zu uns, und am Nachmittag kamen dann noch die Müllers mit ihren Feriengästen vorbei. Ich weiß nicht mehr genau, wann das Zelt dann ganz voll und die erste Kiste Bier ganz leer war, aber Heini, der als letzter auftauchte, war so nett, die Kiste schnell im Getränkemarkt zu tauschen. Mein Wechselgeld hat er mir zwar nicht wiedergegeben, aber dafür ließ er sein Auto auch gleich gegenüber stehen und gesellte sich zu uns. Johanna hat dann für alle Pizza bestellt.
Gegen Abend suchte dann jemand verzweifelt einen Parkplatz vor dem Haus, und nachdem wir minutenlang albern herumgegackert hatten – „Hihi, guck‘ mal, keine Lücke mehr!!!“ –,
stellte ich fest, dass mein Gatte ja noch gar nicht bei uns war. Ach herrje.
Genau genommen diente das Aufstellen des Zelts ja seiner höchstpersönlichen spontanen Geburtstagsfeier - Überraschung! -, aber nun hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, ob noch jemand kommen würde. Schließlich hatte ich keinen angerufen, aber ich war ja auch den ganzen Tag beschäftigt gewesen. Von weit her hörte ich das harte Zuschlagen einer Autotür, und lange, lange Zeit später kam er dann doch noch und lugte verwirrt in das gestreifte Zelt.
Das erste, was er hörte, war „Komm‘ in meinen Wigwam!“, laut und melodisch vorgetragen von Jan und Reiner im Duett. Klaus lag unter dem Tisch und seufzte melancholisch, Elfi kicherte und tätschelte Heinis Hintern, und Johanna gab einen dumpfen Rülpser von sich.
Ich hab‘ dann nichts mehr gesagt.
Schatzi ist ziemlich schnell kopfschüttelnd ins Bett gegangen, sein Schweigen verriet tiefste Missbilligung. Leider konnte ich ihn überhaupt nicht trösten, denn ich hatte ja schließlich eine Menge Gäste, und die gingen erst, als wir kurz nach Mitternacht sämtliche vorhanden Eier aus unserem Kühlschrank gebraten und verzehrt hatten. Dagegen ist nichts einzuwenden, schließlich ist Eier braten eine tradionelle Handlung, sozusagen ein Eingeborenenritual.
Schade eigentlich, dass wir das Zelt seitdem nicht mehr benutzt haben, wo es doch so gut gehalten hat. Aber Schatzi behauptet, das Ding wäre instabil und das könne er beim besten Willen nicht zum Halten kriegen. Und ich habe mich nicht getraut, noch einmal wildfremde Radfahrer zu stoppen. Jedenfalls nicht, wenn er dabei ist.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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