Ronny Meyer

Er, der Fremde

Er blickte mich an, schaute verachtend. Er lachte mich aus, lachte über meine Kleidung, mein Aussehen.
„Was willst du?“ Ich saß ihm direkt gegenüber, schaute in seine Augen: groß, grau- blau, ohne Liebe.
Ich dachte, dass er, mir nicht antworten wollte, dass er einfach nur weiter über mich lachen wollte. Doch nach endlosen Augenblicken sprach er ohne sein Gesicht zu verziehen.
„Was ich will? Was willst du? Schau dich doch an. Du bist nichts. Eigentlich noch viel weniger. Der Dreck, der unter meinen Schuhen klebt, ist mehr wert als du!“ Er sagte es mit völliger Gefühlskälte, ohne ein Anzeichen von Emotion.
Was sollte das? Ich stand hier und ahnte nichts, da tauchte dieser Typ auf und versuchte mich fertig zu machen.
„Ist dir schon mal aufgefallen, dass dein Leben stinkt?“ Diesmal lachte er mich laut aus. Das Lachen hallte durch den Flur, durch alle Zimmer im Haus.
Was sollte ich ihm sagen? Es lag mir einfach nicht, einen Fremden zu beschimpfen.
Ich würde mich niemals auf ein solches Niveau herablassen.
„Wenn Sie so denken. Bitte gehen Sie jetzt, lassen Sie mich in Ruhe.“
Ich atmete tief ein, ließ die Luft scharf durch meine Nase wieder entweichen.
Der Fremde reagierte nicht. Verzog keine Miene. Zeigte keine Emotion.
„Ich werde nicht gehen. Ich bleibe hier bei dir. Ich werde nicht gehen. Du bist nichts wert, also werde ich nicht auf dich hören. Deine Existenz ist ein Fehler des Universums.“
Wut stieg in mir hoch, ich ballte meine Fäuste.
„Raus aus meinem Haus. Aus meinem Leben!“
Er starrte mich an, lachte mich aus ohne einen Ton zu erzeugen.
„Das ist nicht mehr dein Leben, nicht mehr dein Haus. Das ist jetzt meines. Denn so etwas wie du hat keine Existenzberechtigung.“
Die Wut übermannte mich. Ich holte aus, zielte auf sein Gesicht.
Der Spiegel zersprang in tausend Stücke, ich hielt ihn für tot.
Doch er war noch da, übernahm Stück für Stück mein Leben.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Ronny Meyer).
Der Beitrag wurde von Ronny Meyer auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Ronny Meyer als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Schwarzer Horizont von Baphomet Marduk



Die Kurzgeschichten Anthologie der etwas anderen Art. Die Palette der Storyinhalte reicht vom Psychothriller über mysteriöse Momentaufnahmen bis hin zu Episoden, in welchen selbst die Liebe ein ausloten der Abgründe des Todes wird.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Phantastische Prosa" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Ronny Meyer

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Das Leben ist ne Party von Ronny Meyer (Gesellschaftskritisches)
Goslarer Geschichten von Karl-Heinz Fricke (Autobiografisches)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen