Dreimal hatte sie den Hahn des Revolvers durchgedrückt. Zweimal hörte sie den gellenden Schrei ihres Geliebten, beim dritten Schuss endlich lag er dort auf dem Teppich, blutüberströmt mit entsetzensweiten Augen, still und Mitleid erregend wie ein zu Tode misshandelter Hund.
Die rauchende Waffe in der Hand lächelte sie fassungslos und schien doch glücklich zu sein. Und er hatte immer gesagt: "Du kannst nie auf mich schießen. Aber wenn du mich liebst, wahrhaftig und unabdingbar, musst du alles, hörst du, alles für mich tun." Dann hatte er gelacht, gelacht mit funkelnden Augen, die wie irr im Zimmer umher flogen, erst im Zimmer, dann zu ihr.
So war es auch heute gewesen. "Erschieße mich, oder liebst du mich nicht?", fragte er. Doch sie liebte ihn unsterblich und hatte ihn gerade aus Liebe erschossen.
Bum, machte der Revolver, bum und nochmals bum. Dann war es geschehen. Jetzt hatte er den Beweis, dass sie ihn unendlich liebte, aber - angstvoll entwand sich der Gedanke ihrem Hirn - hatte er wahrhaftig alles mitbekommen, hatte er den Liebesschmerz wahrhaftig empfunden? Ach, fort mit euch, böse Gedanken! Er musste doch diese rasenden Schmerzen, die wie Feuer seinen Körper durchlaufen hatten, zumindest beim ersten oder zweiten Schuss empfunden haben; denn sonst hätte er wohl nicht so jämmerlich geschrieen, tröstete sie sich.
Wie unsagbar glücklich sie doch war. Durch einen Schuss - nein, durch mehrere - hatte sie ihm ihre Liebe bewiesen. Sie beugte sich liebevoll über ihn und drückte ihm die so vertrauten Augen zärtlich zu, wobei sie dem toten Geliebten zuflüsterte: "Bis bald. Aus Liebe!"
Niemand verstand ihre Worte oder die Tat. Auch nicht das Gericht, das über sie "lebenslänglich" verhängte. Das Motiv war doch einfach und klar: Eifersucht.
Zehn Jahre später hob der oberste Gerichtshof das Urteil wieder auf. Leider war sie kurz nach diesem Ereignis ihrem Liebsten gefolgt und konnte daher ihren Freispruch nicht mehr miterleben. Warum sprach man sie frei?
Ein Brief wurde in seinem Hause gefunden. "Ich scheide aus dem Leben, weil ich 500 000 Euro unterschlagen habe. Ich zwinge meine Geliebte dazu, mich zu töten."
Wie oft sich doch Menschen irren!
RT 2006
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.07.2007.
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