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Das Schicksal begünstigt mich. Ich habe keine Ahnung, wieso es ausgerechnet mich dafür ausgewählt hat und das sogar noch mehrmals in Folge.
Genau darum mache ich mir Gedanken, zunächst nur oberflächliche, danach aber, weil jene mich nämlich nicht auf des Rätsels Lösung gebracht haben, bediene ich mich notgedrungen der Tiefenspychologie. Sie wissen schon: Die krempelt dann die ganze Kindheit um, um dort den Grund für irgendetwas zu suchen. Findet sie den nicht, dann wird eben einer erfunden.
Also werde ich mein eigener Psychologe auf der Suche nach einer Begründung, weshalb stets ich auf der dann grellsonnigen Sonnenseite des Lebens stehe. Die zeigt sich nämlich dermaßen gleißend, dass ich es kaum mehr länger klaren Verstandes ertragen kann.
Eben dieser noch klare Restverstand warnt mich, dass denn ein solches Glück am laufenden Band erstens äußerst unwahrscheinlich sei und, solle es sich dennoch als wahr erweisen, zumindest dann immer noch ausgesprochen gefährliche Folgen für mich haben könne.
Beim ersten Male schwebe ich für beinahe fünf Minuten im Freudentaumel ob des mir bescherten ach so unwahrscheinlichen Glückes. Ich taumele so lange glückselig umher, bis mich denn doch ein winziger, kaum erkiennbarer Hinweis ausgesprochen grob aus meiner Euphorie heraus- und auf den Boden der Tatsachen herunter reisst.
Beim darauffolgenden Male, das natürlich zu einem Zeitpunkt eintritt, als mein Gedächtnis das Gedenken an den erlittenen Schock damals bereits so gut wie gelöscht hat, dauert die Euphorie nur unnennenswert kürzer an, so ungefähr um die viereinhalb Minuten. Leider haben dann meine Gehirnwindungen bereits die Erinnerung an das damalige Ereignis aus der hintersten Gedächtnisschublade hervorgelotst und es gibt ein zweites Mal kein Entrinnen vor der Wahrheit. Ein zweites Mal verfliegt die Euphorie und setzt der Verstand wieder ein. Schade!
Es vergehen Wochen, es vergehen Monate, das Glück scheint mich vergessen zu haben, mein Gedächtnis das Glück auch. Mit keinem Gedanken gedenke ich mehr der einstigen, überschwängloichen Freude, immerhin für insgesamt neuneinhalb Minuten ein echtes Glückskind gewesen zu sein. Der Alltag nimmt seinen gewohnten Lauf. Nichts Besonderes geschieht.
Da, nach sage und schreibe einem Dreivierteljahr erinnert sich das Glück meiner, des bislang verhinderten Glückspilzes, kriegt ein furchtbar schlechtes Gewissen seines lang andauernden Schweigens wegen und flattert mir eines Morgens, wiederum gänzlich unerwartet, als knallroter Briefumschlag ins Haus. Sie wissen ja: Rot ist die Farbe der Liebe!
Die wieder aufgekeimte Liebe des Glücks zu mir armen Menschenkind zeigt sich in diesem Falle sogar mehr als dunkelrot. Mit zitternden Händen halte ich jenes schicksalhafte Papier in den Händen.
Da steht geschrieben:
Herzlichen Glückwunsch!
Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass Sie auf Grund dessen, dass Sie sich vor so ungefähr dreißig Monaten an unserem Preisausschreiben beteiligt haben, als Hauptgewinnerin unserer Ziehung sage und schreibe 50.000 Euro gewonnen haben. Damit wir Ihnen aber auch den Scheck zustellen können, bitten wir Sie höflichst, uns vorher 35 Euro zu überweisen.
Nochmals unseren aller herzlichsten Glückwunsch!!
Ihre Peng-Gesellschaft |