Florian Wegenstein

Esoeriks tragischer Tod

Erfolgreich
studierter Erik. Strebend seinem Ziel entgegen. „Manager“, sagt sein Wille.
Überraschend plötzlich dringend in sein Leben dringend: die zu Hauf auftretenden
esoterischen Mittel zur Findung der Wahrheit, beziehungsweise die zu Hauf
auftretenden esoterischen Mittel zur Findung der Wahrheit, daß es keine
Wahrheit gibt, beziehungsweise die zu Hauf auftretenden esoterischen Mittel zur
Findung der Wahrheit, daß es keine Wahrheiten gibt, aber an irgendetwas muß man
ja glauben.
Aber
nicht an Geld! Immer nur Umsatz, Angebot und Nachfrage, Marktanalysen und
Verhandlungsgeschick. Sehr zum Elternschreck ist es Erik leid. Jetzt will er
mehr Licht, seine Mitte, ein geschultes „alles hängt zusammen“ Weltbild,
kosmische Einheit, Begegnungen mit höheren Wesen, reine Energien anzapfen, mit
einem Wort: Dauerglück!
Schwieriges
Vorhaben. Ohne Hilfe nicht zu erreichen. Weil Welt furchtbar materialistisch,
auch wenig kostengünstig: Bücher, Compakte Disketten, Computerprogramme,  unterstützende Duftöle, Edelsteine und
Therapiestunden.
Proportionale
Steigerung von Eriks Materialablehnung mit dem „Soll“ auf seinen Kontoauszügen.
Trotzdem ungebrochener Erleuchtungswille. Rein äußerlich erkennbar in
Schüttel-Lach-Schrei-Stillsitz-Rassel-Meditationen, regelmäßigen
bioenergetischen Körperhaltungen, hechelnden Atemübungen.
Resultat:
ein globaler Erik! Nicht nur eigenes Heil. Auch nicht alle heilen, weil: geht
nicht! Aber: viele, viele heilen!
Ohne
Ausbildung wäre es Scharlatanerie. Schon Eriks Mutter hat gewußt: „Wenn er was
macht, dann ordentlich.“: drei Wochenende „Aura- Soma“, zwei Wochenende
indische Heilverfahren, drei Wochenende Chi Gong, leider Überschneidung eines
der Wochenende mit einem der sechs Hakomi Wochenende, vier Wochenende Yoga
Meditationen, zwei Wochenende Feng Shui.
Restliche
Ausbildung ist Erfahrung. Also: EsoErik heilt Unglückliche!
 
Bachblütengedämpfte
Nervosität vor Besuch seines ersten Patienten. Notwendiger Friedensschluß mit
seinem über-flüssigem Stuhlgang: „Meine Verdauung darf verstärkt arbeiten.
Darmkontraktionen sind auch in erhöhter Anzahl gut. Ich gehe gern alle 5
Minuten aufs Klo.“
Unglücklicherweise
eine sich diesem Optimismus nicht anschließende Klospülung. Abortverstopfung
mit gleichzeitig verklemmtem Wasserzufuhrmechanismus. Alles fließt. In
unangenehmen Mischungsverhältnis befindliches Wasser verläßt rauschend
Klomuschel.
Ein
leicht verstörter EsoErik arbeitet eilends mit allen ihm zur Verfügung
stehenden Mitteln: die Aura der Klospülung mit rotem Pomander einreiben. Ein
Fläschchen Notfalltropfen in die Spülung. Tief durchatmen. Die Angst nicht
verdrängen, in sie hineingehen. Alles fließt. „Ich schwimme gern in meiner
eigenen . . . nein . . . was ist denn mit dieser Scheiß Spülung los?“
Kontrollverlust. Hemmungsloser Tritt gegen den Spülungskasten. Spülstop.
EsoEriks
Rückkehr in seine Mitte. Keine Aggression. Ganz im Jetzt des Bodenwaschens
leben. Immer Friedenschließen mit dem, was war. Es ist nie zu spät für eine
glückliche Vergangenheit: „Ich wollte schon lange den Boden wischen. Das
Schmierige kommt aus meinem Innersten, ist Teil von mir.“ Harmonische Einheit
EsoErik - Spülwasser.
Mitten in
diese, der erste Heilsuchende. Tragisch. Kein Duftlampengeruch, anstattdessen
ein schwitzender, wischender Therapeut. Für den Patienten zuviel Braunstich.
„Na ja, es werden weitere folgen.“ EsoErik hat gelernt, mit seiner Enttäuschung
umzugehen. Nur nicht ablenken lassen. Sofort in Zukunft schauen.  Nein, zuerst Boden waschen. Immer ganz im
Jetzt! Fast vergessen.
Putzen
macht EsoErik Rückenweh. Verspannung ist Energieblockade. Schlecht für nächsten
Patienten. Schnell Edelstein auflegen. Schwierig. Wie am Rücken liegen und
gleichzeitig einen Stein zwischen Schulterblätter legen? Verrenken klemmt Nerv
ein. Rechter Arm läßt sich nicht mehr harmonisch bewegen.
Mitten in
diesen Schmerz, der zweite Heilsuchende. Tragisch. Kein freundliches
Händeschütteln, anstattdessen ein von Schmerz gepeinigter, bewegungsunfähiger
Therapeut. Für den Patienten zuviel Leid. „Na ja, es werden weitere folgen.“
EsoErik
ist etwas enttäuscht. Ziemlich verhunzter erster Heilertag.
Jetzt
kann nur noch Trance Reise helfen. Rasselkassette eingelegt, bioenergetisch
ausgetestete Haltung eingenommen. Reiseantritt.
EsoErik
begegnet „seinem“ unbewußtem Tier. Bär redet nicht, reißt EsoErik den Arm aus.
Wie angenehm. Eingeklemmter Nerv gleich mitgerissen. Bär reißt Bein aus. Wie
herrlich. Bär zerfleischt Oberkörper. Unbeschreibliches Freiheitsgefühl. Bär
reißt Kopf aus. Ultra geil. Bär verschwindet.
Kassette
beendet Rasselung. EsoErik wieder in seiner Heilerwohnung. „Immer wieder ein
Erlebnis, so eine Reise ins Unbewußte.“ Nerv immer noch eingeklemmt. Egal.
Heute kein Patient mehr. Endlich Zeit, Wohnung feng-shui- mäßig auszutesten.
Wohnung ist nicht rund. Sehr schlecht, aber kann man nichts machen. Klo ist in
Wohnung. Sehr schlecht, aber kann man nichts machen. In rechter hinterer Ecke
im Wohnzimmer steht Schreibtisch. Sehr schlecht. Ist eigentlich Ecke für Partnerschaft.
Zwar kein Partner vorhanden, aber Schreibtisch soll nicht herhalten. Umstellen.
Große Schmerzen. Eingeklemmter Nerv. Einhändiges Abräumen des Tisches.
Duftlampe mit brennender Kerze auf Boden. Tischschieben.
Teppichverwurschtelung. Tischziehen. Stolperung. Kopf gegen Sesselkante. Sessel
gegen Duftlampe. Kerze auf verwurschtelten Teppich. Feuer. EsoErik ohnmächtig.
Hose brennt. Unglaubliche Energiezufuhr. Ganzes Wohnzimmer erstrahlt in
feurigem Licht. Einmal noch öffnet EsoErik Heileraugen: „Oh, dieses Licht.
Warme Energie durchflutet mich. Erleuchtung!“ Ganze Wohnung brennt ab. Verkohlter EsoErik. Macht
nichts. Wiedergeburt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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