So sehr hatte er sie geliebt. So sehr hatte er um diesen Menschen gekämpft, aber wie stark seine Liebe auch immer gewesen sein mag, er war gescheitert. Nicht der Hauch einer Chance oder von Hoffnung waren geblieben. Alles war nun endgültig vorbei. Da hatte er wirklich geglaubt, dass ausgerechnet er das Glück hätte, Seelenverwandtschaft gefunden zu haben. Was für ein Irrtum, die trieb sich jetzt mit einem Anderen rum. Von seinem Leben waren nur noch Trümmer übrig, er fühlte sich verraten und war mittlerweile völlig am Ende, ein seelisches Wrack eben. Im tiefsten Inneren erschüttert, verzweifelt, deprimiert, er war völlig aus der Bahn geworfen worden. Nie hätte er geglaubt, dass es etwas geben könnte, was ihn so abstürzen lässt.
Draußen war es ziemlich düster. Es regnete seit einiger Zeit. Entferntes Donnergrollen kündigte ein Gewitter an. Dieses Wetter und seine seelische Verfassung hatten eines gemeinsam, beides war einfach nur mies. Es gab nur ein Gutes an diesem Wetter. An seinem Fenster liefen keine gutgelaunten Menschen vorbei. Dies machte ihm immer sehr zu schaffen.
Der Fernseher war an, sein Notebook war an. Die Bilder und Stimmen, das Springen von einer Webseite zur anderen, es machte die Einsamkeit nicht erträglicher und schon gar nicht wurde sie gelindert. Aber auf diese Weise konnte er meist verhindern, dass es noch schlimmer wurde. Manchmal traf er auf eine Webseite mit interessanten Inhalten, nach bestimmten Themen suchte er nicht. Dann aber gab es manchmal sogar einige wenige, wenn auch sehr kurze Momente, in denen er nicht an seinen Seelenschmerz denken musste.
Plötzlich gab sein Notebook ein lautes Knacken von sich und der Bildschirm wurde dunkel. Der Fernseher ging aus, der Radiowecker zeigte nichts mehr an. Stille, eine nicht zu ertragende Stille breitete sich von einem Augenblick auf den anderen in seinem Zimmer aus. Unwillkürlich duckte er sich, so als könnte diese Stille auf ihn einschlagen.
Er stand auf, überprüfte die Sicherungen. Die waren in Ordnung. Er trat hinaus auf den Hausflur. Die Klingel, das Flurlicht, kein Strom. Na toll, Stromausfall! Fluchend überlegte er, was man jetzt tun könnte.
Er schüttete den Kaffe herunter und goss sich gleich einen neuen ein, bevor der kalt würde. Vielleicht sollte man sich doch mal eine Thermoskanne besorgen? Auf dem Tisch stand noch das Frühstück, vergebene Mühe. Wieder einmal hatte er fast nichts gegessen. Das ging nun schon eine ganze Weile so.
Er nahm sich die Zeitungen vor, die Sonntags immer den Briefkasten verstopfen. Irgendwas interessantes? Fehlanzeige! Es sind nun mal nur als Zeitungen getarnte Werbeblätter. Wo sind die Inserate für die Autoverkäufe? Einigermaßen aufmerksam ging er die Anzeigen durch, es waren etliche. Einige Tage zuvor hatte er überlegt, sich endlich ein Auto anzuschaffen. Kopfschüttelnd wunderte er sich über sich selbst. Da war er kurz davor aufzugeben, hatte keinen Lebenswillen mehr, schleppte sich nur noch mühsam durch die Tage und denkt doch darüber nach ein Auto zu kaufen. Darüber nachzudenken, wie man zu welchem Auto kommen kann, setzt doch eigentlich voraus, dass man eine Zukunft sieht, für die man planen kann, für die man ein Auto brauchen könnte? Um sich aus diesem Jammertal endgültig zu verabschieden, würde ja ein billiger Mietwagen reichen. Das konnte es also nicht sein.
Wie so oft verfiel er in tiefes Grübeln. Die selben schmerzlichen Gedanken, die ihn schon so oft gequält hatten, kamen wieder. Er stellte sich Fragen, die er sich schon tausendmal gestellt hatte. Und so wie immer fand er keine Antworten. Und wieder einmal verfiel er bald in diese tiefe Traurigkeit.
Unendlich lange Zeit später kam er wieder zu sich. Es mussten Stunden gewesen sein. Der Kaffee war nun doch kalt geworden. Er ging in die Küche und goss ihn weg. In der Kanne war auch noch welcher, gerade noch lauwarm. Angewidert drehte er sich weg. Den Müll könnte man mal wieder rausbringen. Er zog sich die Schuhe an, nahm die Schlüssel und ging los. Dass es immer noch regnete, merkte er gar nicht. Wieder zurück war er fast überrascht, weil ihm das Wasser von der Stirn in die Augen lief. Er trocknete sich das Gesicht ab, ging wieder in sein Zimmer und setzte sich auf das Sofa.
Dort lagen immer noch die Zeitungen. Tief seufzend sah er wieder auf die Anzeigen. Es war nichts Passendes dabei, allerdings fehlte jetzt auch jegliches Interesse, es war gerade mal wieder alles so was von egal. Sein Blick wanderte im Zimmer umher, blieb dann am dunklen Monitor hängen. Aus dem Blick wurde apathisches Starren, er versank in dem tiefen Schwarz.
Es war das laute Knacken, welches diesmal der Fernseher von sich gab, als der Strom wieder da war, das ihn aus seiner Lethargie riss. Sein Herz schlug bis zum Hals und sein Puls raste. Das laute Geräusch hatte ihm einen Riesenschreck versetzt. Er schaltete sein Notebook wieder ein. Es hatte glücklicherweise keinen Schaden genommen. Er stellte seinen Radiowecker neu. Die Welt war nun nicht in Ordnung, das ganz sicher nicht, aber die Bildschirme brachten wieder etwas flackernde Farbe in sein Zimmer. Und die Stimmen aus dem Fernsehapparat, zwar konnten sie auch dieses Mal nichts gegen die Stille in seiner Seele ausrichten. Aber sie vertrieben die Stille aus dem Raum. Er sah noch einmal auf die Uhr.
Jetzt merkte er, die Unendlichkeit hatte keine vierzig Minuten gedauert...