Patrick Kraft

Die Träne

Langsam, schweigend streift die Träne meine Wange und hinterlässt eine brennende Spur des Leidens. Ich versuche zu schreien, doch die Finsternis ist schalllos. So sitze ich stumm in meinem Raum, schreiend, weinend, und niemand wird die Wahrheit je erfahren. Niemand wird je hinter diese Mauer blicken können, denn ich habe sie errichtet und nur ich kann sie wieder einreißen. Doch warum sollte ich dies tun wollen? Um all die Lügen der Gesellschaft in mich einkehren zu lassen? Wie sie mich alle anschauen. Verachtend, oberflächlich, heuchlerisch! Nie werden sie jemals wieder sehen, denn sie haben vergessen. Abhängig von ihrer Umwelt, von ihrer Realität, die doch nicht mehr als eine einsame Landfläche ist. Denn niemand ist für niemanden da und alle erblinden an ihrem eigenen Gift. Wann wird es endlich vorbei sein? Niemals? So werde ich sterben. Selten Blicken sie in meine Augen. Doch auch dort stoßen sie irgendwann auf Lügen... Denn auch dieser Teil meines Ichs ist dem Tod verfallen und somit bin auch ich gerstorben. Ich sehe die Welt, wie sie wirklich ist. Ihre Gesichter sind zu Krimassen verzogen und sie schreien laut und schrill ihre Schmerzen heraus. Schmerzen... Unendliche Schmerzen... Und niemals werden sie mich verlassen, denn nur sie zeigen mir, dass ich noch existiere. Ich w rde vor mich hin vegetieren, wenn diese Schmerzen mich nicht wecken würden!

Und die Träne erreicht meinen Hals. Das Blut strömt in meinen Adern in Richtung Kopf und wieder zurück. Blut... Leben... Habe ich denn je gelebt? Das Leben ist ein Synonym. Leben... Leiden... Existieren... Ich weiß es nicht! Und die Finsternis gibt keine Antwort. Und so viele Fragen wandern in mir herum und finden keinen Stillstand, sowie auch mein Blut. Doch diese rote, warme Flüssigkeit kann all mein Leid erklären, denn in ihm ist alles enthalten. Einfach alles! Niemand kann es entziffern und niemand sieht mehr den Wert dieser Essenz. Es wird gespendet, dann anderen Menschen zugef hrt oder einfach gelagert. Vergessenheit. Ja, es wurde vergessen, was Individualität einst noch bedeutete. Man ist umgeben von Zombies, die nur darauf warten, neue Zombies zu erschaffen. Nein, meinen Teil werdet ihr nicht bekommen!

Langsam fließend und immer mehr Leid entfachend erreicht die Träne meinen Brustkorb. Warum regt sich dieser noch? Immer auf und ab und das Herz ist leise zu vernehmen. Tocktock... Tocktock... Tocktock... Sei still, so flehe ich, doch wieder verstummen meine Worte im Schwarzen und niemand erhört meine Rufe. Mein Herz ist der Hauptpunkt meines Lebens. Hör auf zu schlagen! Jeder Versuch schlägt kläglich fehl. Ich bin ersunken in meinem Ich und werde dort in Sicherheit gehalten. Wem soll ich mein Herz noch schenken? Wem soll ich das geben, das meine Essenz in Bewegung hält und immer wieder diese Lebensenergie in mich hinein pumpt? Tocktock... Tocktock... Tocktock... Penetrante, leise Rufe meines Mittelpunktes.

Immer noch sitze ich da, in diesem finsteren, leeren Raum und die Träne streichelt meeinen Schenkel. Zwischen ihnen baumelt die Zukunft. Es baumelt die Unsterblichkeit. Keine seelische Unsterblichkeit.Ich rede von einem Werk, welches man vollbringt! Denn irgendwann werde auch ich nicht mehr hier sein um zu versuchen zu helfen. Irgendwann blicke auch ich wie ein Stern herab und weine um das Leid, welches meinen Brüdern und Geschwistern zugefügt wird. Doch dann kann ich nicht mehr helfen und werde auf sie warten. Vollkommenheit... Einsamkeit... Denn jeder stirbt für sich alleine!

Die Träne n hert sich dem Boden und läuft ihre letzte Etappe herab. Meine Wade nimmt sie in Empfang und lässt sie sanft herabgleiten. Der Boden ruft. Alles spiegelt sich silbrig schimmernd in ihr wieder. Mein ganzes Leben im Sinne von Existenz ist nur einen Augenblick von der Erde dieser Welt entfernt und wird sich in Kürze mit ihr verbinden. Langsam und vorsichtig erhebe ich mich und halte mir meine scheinbare Erlösung an die Schläfe, zu Abdrücken bereit! Heuchlerisch... Sinnlos... Doch welchen Sinn trägt noch das Leben? Ich möchte keine Spielfigur mehr sein!

Die Träne erreicht den Boden. Der Schuss... Stille... Denn ein weiterer Teil in mir ist nun gestorben und verwest in alle Ewigkeit als eine Erinnerung in mir.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.07.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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