Nicole Große

Wofür soll ich mich entschuldigen

Wofür soll ich mich entschuldigen?

 

 

Manchmal lassen sich die Dinge einfach nicht ändern. In diesen Momenten braucht man einen Schuldigen … damit man sich nicht selbst hassen muss, für Dinge, die man am liebsten ungeschehen machen würde.

 

Du weißt, wie ich ticke, das dachte ich seit dem Tag, an dem wir uns „kennen gelernt“ hatten bei dieser Partnerbörse im Internet. Ich hatte mich gerade erst dort angemeldet, hatte mir eine neue e-Mail-Adresse zugelegt. Ausgesucht habe ich mir das nicht, ich wollte dich gar nicht kennen lernen. Früher konnte ich nämlich sehr gut ohne dich leben. Früher, als ich dich noch nicht kannte, warst du mir herzlich egal. Damals hab ich nicht einmal an dich gedacht. Wieso jetzt? Wieso noch immer?

 

Aber nun alles der Reihe nach. Du konntest es ja nicht lassen. Du musstest mir plötzlich eine Nachricht schicken, mich kennen zu lernen. Du schriebst mich an, weißt du noch? Du mit deiner lieben Art und Weise, die mich einfach umgehauen hatte. Nur um mir das Leben ab diesem Zeitpunkt zur Hölle zu machen. Ich schaute mir dein so genanntes „Profil“ – wer warst du überhaupt? In deiner Beschreibung, die dich ausmachte, stand über dich:

 

„Es braucht eine Minute, um einen besonderen Menschen zu entdecken, eine Stunde um ihn einzuschätzen, einen Tag um ihn lieb zu gewinnen, aber ein ganzes Leben um ihn zu vergessen. --- Ich bin 1,89m groß und sehe aus wie ein lebensgroßer Teddybär, sagen zumindest meine Kumpels. (Deswegen nennen sie mich auch manchmal „Bubu“). Ich habe keinen Bock mehr, allein zu sein. Suche eine nette, liebevolle Sie, mit der ich kuscheln und meine Freizeit verbringen kann. Bin nicht an irgendwelchen Sexbeziehungen interessiert. Ich suche die Frau fürs Leben. Ich bin halt wie ich bin. Ehrlichkeit, Offenheit und Treue sind mir im Leben am wichtigsten. Meine Meinung ist: Allein der Glauben versetzt Berge. Man kann im Leben alles erreichen, wenn man es nur will. Für meine Freunde/Freundin bin ich immer da und habe stets ein offenes Ohr. Ich wurde schon oft enttäuscht und suche daher eine nette Sie die immer für mich da ist. Dank meiner guten Menschenkenntnis und meiner Arbeit merke ich schnell, ob es jemand ernst meint oder nicht. Ich mag leider keine Raucherinnen. Ihr könnt mir ja schreiben, wenn ihr Bock habt. Ich freue mich. Ich bin aufgrund meiner Arbeit meistens nur am Wochenende zu Hause. Bin im „WESCHTEN“, haha. Ich beantworte aber meine Post. Ok Bye Bye --- Hab auch den Messenger am Start (aber nicht immer an). ---Ich bin nicht mehr auf der Suche. Liebe Grüße Chrissi.“

 

Leider übersah ich, dass dort stand: „Bin nicht mehr auf der Suche“. Schlecht für mich. Gut für dich. Dein Profil gefiel mir und ich war noch so blöd, dir zu antworten. Warum? Ein Wink des Schicksals?

 

Von da an hatte ich jeden Tag von ihm eine Mail in meinem „Briefkasten“. Ich freute mich immer schon auf den Feierabend, wenn ich endlich, nach einem langen Arbeitstag zu Hause war und dir antworten konnte.

 

Hättest du den Kontakt nicht aufgenommen, hätte ich niemals wie eine Wahnsinnige 3 Wochen lang jeden Abend in mein Mailoffice geschaut, ob es schon wieder Post von dir enthielt. Hätte mir nie Nächte lang den Kopf rauchig gedacht, nur um mir ganz lockere Gesprächsthemen auszudenken, die ich bei unserem ersten Treffen „serviere“, um dich in ein Gespräch zu verwickeln. Ich hätte niemals mit dir telefoniert, ich hätte dich niemals toll gefunden und ich hätte mich nie, nie, nie in dich verliebt.

 

Weißt du noch? Wir schrieben über so vieles, du erzähltest mir von deinem Beruf, Soldat zu sein, dem Staat noch weitere 4 Jahre zu dienen. Unter dem Dienstgrad Unteroffizier konnte ich mir danach mehr vorstellen. Damals warst du gerade zur 21-monatigen Ausbildung in Regensburg, wolltest aber ab dem Sommer des kommenden Jahres wieder zurück in deine alte Einheit nach Calw, Baden-Württemberg. Für mich war es spannend und interessant zugleich, zu hören, wie es in einer Kaserne so abgeht. Im Großen und Ganzen spielen sich die „normalen“ Kleinkriege wie in jedem anderen Wohnheim auch ab. Jeder hat seine eigene Stube, macht nach Dienst, was er will. Die meisten Kameraden haben ihren Laptop oder PC dabei, sind mit dem Internet verbunden und saugen Filme, Spiele, Musik aus dem Internet. Womit soll man auch sonst seine Freizeit verbringen? Wie wäre es mit Sport? Oder mit Spazieren gehen in die Stadt??? Hattest du daran schon einmal gedacht?

 

Ganz zufällig wohnt deine Familie nur 20 Kilometer von mir entfernt, deine Mutter, Schwester und deine ganze Verwandtschaft. Sogar auf demselben Berufsschulzentrum absolvierten wir unsere Abschlüsse: Du dein Abitur 2002 und ich meine Fachhochschulreife 2003. Dabei sind wir uns nicht schon mal begegnet? Konnte oder sollte das alles Zufall sein? Du schriebst, du würdest jedes Wochenende heim zu deiner Familie fahren. Klar, die Beine unter einem stets reich gedeckten Esstisch stecken, brauchst nicht kochen, Mama bügelt und wäsch vorher deine Wäsche. Der Herr brauchte sich ja nur vor den PC zu setzen und Mama machte alles. Tolles Leben! Damals, als wir täglich drei Stunden von Festnetz auf Festnetz telefonierten und uns der Gesprächsstoff NIE ausging, weil jeder den anderen besser kennen lernen wollte, wusste ich dies alles noch nicht. Meine Telefonrechnung sprengte wegen dir schon die 50-Euro-Grenze beim Festnetz, den Betrag der Handy-Rechnung lasse ich hier in dem Fall mal lieber weg. Mal rief ich an, mal du, wir wechselten uns immer ab. Für mich warst du mir so ähnlich. Wo ist diese Zeit hin?

 

^          Eines Vormittags, ich war gerade auf Arbeit, schriebst du mir eine SMS, ob ich überhaupt in deinem Profil gelesen habe, dass du liiert seiest. Für mich brach kurzzeitig eine kleine Welt zusammen, aber nur kurz. Ich fing mich ganz schnell, denn ich sagte mir: „Dieser Mensch ist der passende Deckel, ich weiß es. Wenn ihr zusammenkommen sollt, dann werdet ihr das auch.“ Du wolltest mir anscheinend nicht wehtun und mich nicht anlügen und es täte dir Leid, sehr Leid. Denn du hast Gefühle für mich – trotz, dass du mich noch nie gesehen hattest. Doch ich wollte keine bereits bestehende Beziehung zerstören. Wenn ich das jemals machen würde, würde ich mir immer vorstellen, wie ich in dieser Situation reagieren würde, wenn ich die andere Frau wäre. Mich würde es verletzen und das wollte ich niemanden antun, diese Gefühl, nur zweite Wahl zu sein. Also hatte ich Skrupel, mich mit dir zu verabreden.

 

Am dritten Dezember war es dann soweit, unser erstes Treffen. Ein Date. Allein. Endlich mit dir allein. Nach langem Überlegen trafen wir uns dann wirklich. Doch leider hatte kein Café offen in der Stadt – es war Samstagnachmittag und kalt – wir probierten es im Hotel, dort wurde gerade eine Hochzeit gefeiert und die anderen Cafés hatten geschlossen. Also blieb uns keine andere Wahl und wir fuhren getrennt, jeder mit dem Auto seiner Mutter zum 15km-entfernten Mc Donald`s. Du hattest damals noch kein eigenes Auto und ich auch nicht. Und als hättest du nichts Besseres zu tun, steigst du auch noch wunderbar in meinen „Plan“ ein. Mein Plan geht wundervoll auf. Wir setzen uns gegenüber, schauen uns tief in die Augen. Irgendwo dort zwischen Cappuccino und Burger war es um dich und mich, um uns beide, geschehen. Deine braunen Augen – ein Traum! Und diese süßen Lachfältchen darum! In meinem Bauch fuhr eine große Achterbahn, doch was wollte sie mir sagen? „Halt dich ran“ oder „Lass es“. Plötzlich kannte ich dich und du kanntest mich. Hieltst mir den Mantel auf, machtest mir Komplimente. Es waren nicht nur leere Worte. Ich schwebte im 7. Himmel. Wie konntest du nur??? Was fiel dir ein, so nett zu mir zu sein? Wie kamst du dazu, so charmant zu sein? Und wer hat dir eigentlich erlaubt, so unverschämt intelligent und gut aussehend daher zu kommen? Ich habe vorher noch nie so schnell so starke Gefühle für einen Menschen gehabt. Bei dir war alles anders. Wir waren uns so ähnlich, in allem, was wir sagten und taten, hatten ähnliche Vorstellungen vom Leben. Vor dir hatte ich schon 2 feste Partnerschaften, jedoch wurde ich von meinem letzten Freund bitter enttäuscht.                                               
 Viel von dir wusste ich ja von unseren stundenlangen Telefonaten und ellenlangen e-Mails. Du warst mir so vertraut. Du warst genau so, wie du dich am Telefon gabst, ich auch. Warum sollte man sich auch verstellen?

 

Erinnerst du dich noch an unseren ersten Kuss – ausgerechnet auf dem Parkplatz vor Mc Donald’s? Ich habe den ersten Schritt gemacht, ich fragte, ob ich mich in dein Auto setzen könnte, ich drehte unsere Musik auf, ich legte meine Hand auf deine, ich fragte dich, ob ich dich küssen dürfte, ich bat sozusagen um „Erlaubnis“, denn ich wusste nicht, ob es für dich in Ordnung wäre. Was für mich ganz untypisch ist, wenn ich mich in jemanden verliebt habe. Sonst fällt es mir leicht, auf andere Menschen zuzugehen. Aber bin ich richtig verliebt, dann mache ich oft einen Rückzieher, aus Angst wieder einmal verletzt zu werden, wie in meiner vergangenen Beziehung.

 

Seit Tagen habe ich Angst vor meinem Handy. Habe den Ton und die Vibration ausgestellt, schleppe es trotzdem die gesamte Zeit mit mir herum nur um alle 3 Minuten das Display anzustarren und das blöde Ding dann wieder enttäuscht in meine Tasche zu stopfen. Wieder hast du anscheinend nicht an mich gedacht.

 

Das erste, wenn ich morgens die Augen aufmache, ist, dass ich an dich denke, und bevor ich einschlafe, schicke ich dich regelmäßig in die Hölle und verteufle die ganze Welt.

 

Hab dich jetzt schon länger nicht mehr gesehen, aber andauernd - spätestens wenn ich wieder ein kleines bisschen bei Verstand bin und nicht mehr alle 3 Minuten an dich denken muss - meldest du dich wieder per Mail und tust mir weh. Denkst du etwa, ich bin im Stande dir zu antworten? Ja, was denkst du dir eigentlich dabei?

 

Denkst du etwa, ich hätte nichts besseres zu tun als stunden lang zu beten, dass endlich mein Handy klingelt, dass du dich endlich meldest? Denkst du, ich bin darauf angewiesen, dass du mich beschäftigst, als hätte ich keine anderen Freunde?
Bin ich so hässlich? Ich fühl mich fett, seit Wochen, DANKESCHÖN! Bin ich so uninteressant, dass du deine soziale Ader an mir befriedigst?

 

Ich fange an zu heulen wenn ich „Frank, der Weddingplaner” im TV sehe oder irgendeine andere rührselige Schnulze. Ich wollte dich nicht kennen lernen. Du warst der, der mein Herz eroberte, ohne, dass ich es wollte. Du bist der arroganteste Traumtyp, den ich kenne. Und ich erwarte eine Entschuldigung … denn ich wollte dich nicht verlieren, nun ist es doch passiert…

 

Liebe Leser,

ich würde mich über eine Benotung oder einen Kommentar von euch über meine Kurzgeschichten sehr freuen.

MfG Nicole Große
Nicole Große, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Nicole Große).
Der Beitrag wurde von Nicole Große auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Nicole Große als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. von Ronald Henss



Kurzgeschichten aus dem Internet. Eine Auswahl der besten Beiträge zum Kurzgeschichtenwettbewerb „Im Frisiersalon“ auf www.online-roman.de Eine bunte Mischung, die für jeden Geschmack etwas bereit hält: mal ernst, mal heiter, unterhaltsam, kritisch, sentimental, skurril, phantastisch... Liebesgeschichte, Humor, Krimi, Spannung, Alltag, Kindergeschichte, Nachdenkliches...

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Lebensgeschichten & Schicksale" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Nicole Große

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

I promise to love you von Nicole Große (Trauriges / Verzweiflung)
Ganz ohne Chance!? von Christina Wolf (Lebensgeschichten & Schicksale)
Das fehlende “n“ von Rainer Tiemann (Wahre Geschichten)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen