Rita Bremm-Heffels

Abschied von Emma


Heute Morgen habe ich nach langer Zeit wieder an Emma gedacht.
Sie war lange nicht mehr da.
Ich weiß gar nicht mehr so genau, wann sie das letzte Mal hereingeschneit kam.

Früher war das anders. Da konnte Emma manchmal richtig penetrant sein.
Als sie mich das erste Mal traf, da hat sie mich total beeindruckt. Irgendwie geängstigt, so plötzlich
und schillernd wie sie sich präsentierte.
Sie hatte so etwas von „ Erwachsen werden.“
Unruhe und Unbequemlichkeiten gehörten zu Emma wie die Luft zum Leben.
Manchmal war sie lästig, unausstehlich und ich hätte sie am liebsten gleich am ersten Tag wieder davon gejagt.
Aber Emma war hartnäckig. Sie setzte sich bei mir fest, klebte wie Pattex und verschwand erst dann wenn sie die Lust dazu verspürte.
Und auf die konnte ich mich nie verlassen.
Mal war es eine Woche, mal ein paar Tage, es kam auch vor, daß sie sich wochenlang wie zu Hause fühlte, sich breitmachte, alles voll manschte und eines Morgens dann wieder verschwunden war.

Aber Emma hatte auch ihre Vorteile. Sei eignete sich bestens als Ausrede, wenn meine
Sport begeisterte Freundin Carla wieder Hektik verbreitete. „ Los, Los, unser Waldlauf steht an.“
„ Du, „ konnte ich da ganz ohne schlechtes Gewissen sagen,“ heute geht’s nicht, Emma ist da.“

„Auch wenn es nicht stimmte, Carla akzeptierte die Antwort. Kannte sie Emma doch selber gut.
Auch später, als mein allzu stürmischer Liebhaber unentwegt anläutete um, wie er sagte “ nur mal einen Kaffee bei mir zu trinken“ , war, wenn ich noch von der Nacht vorher kaum sitzen konnte, Emma „zu Besuch“.

„ Du mit deiner Emma,“ knurrte er dann. „ Immer ist die da, wenn ich mal....“
„ Aber Schatz,“ beruhigte ich ihn, „ Du weißt doch Emma geht ja wieder, und dann ist es doppelt so
schön.“ Er akzeptierte widerwillig, was blieb ihm auch übrig?

Wenn mir die Arbeit mal über den Kopf wuchs, gönnte ich mir einen freien Tag, „ mit Emma“.
Jeder verstand.

Doch irgendwann wurde sie launisch, kam seltener.
Anfangs ganz erleichtert, fing ich dann doch an mich zu sorgen.
Schließlich hatte ich mich über die Jahre doch an sie gewöhnt. Sie war eine unbequeme, aber verläßliche Vertraute geworden.
„ Was ist los Emma?“ klopfte ich bei ihr an als sie mal wieder kurz vorbeikam.
Doch übellaunig wie immer, gab sie keine Antwort - sie verschwand.
Und diesmal dauerte es noch länger bis ich sie wiedersah.
Irgendwann wartete ich nicht mehr auf sie. Ab und zu fiel sie mir ein, ich wunderte mich.
Dann nach einer Ewigkeit, tauchte sie ganz unerwartet noch mal auf. Kurz, so wie eine Stippvisite.
„Halli, Hallo, wie geht’s, wie steht’s“ , und weg war sie.
Ich glaube, das war das letzte Mal daß sie da war.

Carla sagt immer: „ Mensch sei doch froh daß du sie los bist. War doch lästig, die Tante.“

Kann ich so nicht sagen. Ich vermisse Emma. Trotz allem Streß den sie verbreitete – sie fehlt mir.
Man kann sich auch an Widrigkeiten gewöhnen, in so vielen Jahren. Das verbindet.

Sie hat sich aus meinem Leben davongemacht, ganz genauso wie sie aufgetaucht ist.
Als sie keine Lust mehr hatte, hat sie sich verdrückt.
Und ich komme mir irgendwie „leer“ vor ohne sie.

„Mensch Emma, mach’s gut. Vergessen werd‘ ich dich nie.“

Die gute, alte Emma, von allen Frauen gekannt, gehaßt und doch irgendwie vertraut.
Mir jedenfalls.
Gruß Rita
Rita Bremm-Heffels, Anmerkung zur Geschichte

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