Eckert Hebel
Der runde Geburtstag
Noch heute überlege ich, wie es eigentlich dazu kommen konnte. Drei Jahre lang hatte ich gespart auf diesen einen Tag, jeden Monat einen Hunderter bei Seite gelegt für meinen runden Geburtstag. Oft hatte ich mir währenddessen Gedanken gemacht, wie das Ganze wohl ablaufen könnte. Es sollte auf jeden Fall schon etwas außergewöhnliches werden. Ein Flug mit dem Space-Shuttle ins All war immer noch zu teuer. Eine Schifffahrt auf der Spree zu touristisch. Auch ein Essen im preiswerten Steakhaus hatte ich ins Kalkül gezogen. Doch das erschien mir zu profan. Aß ich doch fast regelmäßig dort. Es sollte schon etwas besonderes sein an diesem besonderen Tag.
Dann war es endlich soweit. Nur die engsten Freunde hatte ich eingeladen. Nur die, die es mir wert waren. Im feinen Hotel Edel auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Bärlin hatte ich eine Lounge angemietet und pünktlich um acht kamen die dreißig Gäste, Familie und Freunde. Allein das Känguruhsteak sah so vielversprechend aus, dass mir in heller Vorfreude schon das Wasser im Munde zerging. Und dann noch die anderen kulinarischen Köstlichkeiten, die dort auf das Buffet gezaubert waren. Hätte ich Ahnung von Essen, ich würde es beschreiben fast wie ein Maler, in der Blüte seines Schaffens, schwärmend von dem Lieblingsmodell. Mein Vater fand dann auch ein paar nette Worte und dann tranken und aßen wir, und tranken und aßen erneut, als ich plötzlich am Buffet einen Glatzköpfigen sah, den ich eigentlich nicht eingeladen hatte. Er kostete gerade die Aalsuppe, als ich ihn fragte, wer er denn sei. Er erwiderte: „Ich bin der Koch vom Edel und schmecke nur noch einmal kurz die Suppe ab, wegen der Würze.“ Aha, dachte ich, nicht schlecht, und setzte zum nächsten Schluck Prosecco an. Immerhin werden wir vom Koch kein Haar in der Suppe finden, schlußfolgerte ich. Und auf einen mehr oder weniger kommt es ohnehin nicht an.
So gegen zehn tanzten einige Polka, andere verzogen sich in eine Ecke und diskutierten. Wieder andere aßen, als ich plötzlich einen schwarzhaarigen Gast ausmachte, der mir irgendwie unbekannt schien. Das war immerhin schon der Zweite. Nun wollte ich natürlich nicht die Aufenthaltsberechtigungen all meiner Gäste kontrollieren. Schließlich waren wir im Edel und nicht im Auffanglager für Asylbewerber. Ich erinnerte mich an meine frühen berühmt berüchtigten Studentenpartys. Ich lud damals ungefähr zwanzig Leute ein und circa hundert kamen, weil der eine noch jemanden kannte, und die andere noch einen Freund hatte, der wiederum gerade Besuch aus Bottrop hatte und so weiter. Auch setzte ich mich einmal während meiner Geburtstagsparty mit einem Mädchen, in das ich verliebt war, in den Stadtpark ab. Als wir zwei Stunden später wieder zur Party stießen, hatte eh keiner etwas davon mitgekriegt. Das war schon ganz ok. Aber hier im Edel, dachte ich, war es doch etwas anderes. Hier, das ist doch schließlich das Edel. Es war doch auch mein ganz besonderer Tag in geschlossener Gesellschaft mit den Liebsten der Lieben. Ich sollte schon ein bißchen dafür Sorge tragen, dass die Party gelänge. So ging ich zielstrebig auf den Schwarzhaarigen zu und fragte ihn, wer er denn sei. Er sagte, er sei der Brandschutzbeauftragte vom Edel, so dass ich dachte, die denken hier auch wirklich an alles. Nicht schlecht. Was er denn am Eßtisch mache, fragte ich neugierig. Er sagte, er müsse schon aufpassen, dass die Kerzen in der Geburtstagstorte mindestens einen Zentimeter tief in der Sahne stecken, wegen der Brandgefahr beim Auspusten. Das sah ich ein. Nicht auszudenken, sollte eine brennende Tortenkerze das Edel abbrennen. Ich wäre für den Rest meines Lebens verschuldet. Aber glücklicherweise gab es ja den Brandschutzbeauftragten.
Später, ich hatte längst den Überblick verloren, stolperte ich während der Polonaise fast über eine rothaarige Dame, die ich wirklich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Interessiert fragte ich sie, wie sie denn hierher gekommen sei. Sie meinte, mit der S-Bahn bis Friedrichstraße. Ich sagte: „Ich meine eigentlich eher, wen kennen denn, naja, wen kennen sie denn hier ?“ Daraufhin sagte sie: „Mittlerweile fast alle, super Stimmung hier.“ Dann fragte ich: „Ich meine, wer sind sie denn ?“ „Wissen Sie, ich bin die Ministerin für apokalyptische Angelegenheiten.“ Ich überlegte kurz, schaute in mein fast schon wieder leeres Whiskeyglas, und lallte: „Wow, da bin ich aber echt stolz jetzt. Damit hab ich echt, echt, naja, echt überhaupt nicht gerechnet, dass solche hoch, so hochrangigen Persönlichkeiten auf meiner eigenen Party auftauchen. Aber das hier ist ja auch das Edel, wa ? Nach einem Schluck Dimple wird alles so simpel“, scherzte ich grölend, als ich plötzlich von hinten einen Schubs bekam und mit dem Kopf in der riesigen Schokoladentorte landete. Als ich mich als Sarotti-Mohr mühsam wieder aufgerichtet hatte, sah ich wie die Tür aufging und ein langer blonder Typ mit Kurzhaarfrisur auf mich zu lief. Es musste schon weit nach Mitternacht sein und ich konnte kaum noch realisieren auf welcher Party ich eigentlich war. War ich überhaupt eingeladen ? Die Gäste, die um mich herum sprangen, schienen mir plötzlich völlig fremd zu sein. Der lange Blonde drängte mich in ein olivfarbenes Auto.
Dann schlief ich eine Ewigkeit. Am nächsten Morgen auf der Wache erklärte man mir, der Minister für halluzinogene Angelegenheiten hätte nach einem nigerianischen Dealer gefahndet. Das Ganze wäre ein ziemlich peinliches Missverständnis gewesen
In meinen Kurzgeschichten, die in Friedrichshain-Kreuzberg angesiedelt sind, erspürt mein Protagonist Peter Spätkauf die Hauptstadtstimmung und bewegt sich dabei von einer peinlichen Situation in die nächste. Mutig stellt er sich den Herausforderungen, die da kommen und agiert dabei naiv bis dämlich. Am Ende lässt er sich jedoch nie ganz aus der Bahn werfen.Eckert Hebel, Anmerkung zur Geschichte
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.08.2007.
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