Herr, wie sollen wir beten ?
Wie dereinst die Jünger des
Herrn gefragt haben, so fragten die Menschen zu aller
Zeit den Weisen auf dem Berge
und er sprach zu ihnen gestern, heute und wird
es morgen tun:
Hast Du Kinder ? Wenn ja,
stell`Dir vor, Deine Kinder leben in einer nicht allzu entfernten Stadt und Du
weißt nichts von ihnen.
Natürlich sie haben ihr
eigenes Leben, ihre eigenen Sorgen, ihre eigenen Freuden.
Aber wenn Du nicht einmal
weißt, ob sie glücklich, traurig, gesund oder krank,
wohlsituiert sind oder es eher knapp zugeht, dann stimmt doch etwas nicht.
Keiner erzählt Dir, dass Du
Enkel hast, keiner gönnt Dir das Glück Großvater zu sein.
Nichts weißt Du, und von den Deinen will Dich offensichtlich
niemand an seinem Leben teilhaben lassen.
Für einen liebenden Vater ist
dies doch eine schreckliche Vorstellung.
Plötzlich scheint alles schiefzulaufen, ob es
Krankheiten sind oder wirtschaftliche
Schwierigkeiten, plötzlich
besinnt man sich Deiner, steht jeden Tag vor Deiner Türe,
bittet bettelt, zündet
hunderte von Kerzen an.
Keine Frage, Du hilfst wo Du
kannst und bist ein liebender, guter Vater. Kannst Du aber behaupten gute
Kinder zu haben?
Aber,……der Wermutstropfen
bleibt und die Frage, warum will man nur meine Hilfe,
lässt mich aber an der Freude,
am Glück nicht teilhaben.
Das ist die Situation unseres
göttlichen Vaters, genauso muß er uns empfinden.
Daraus ergeben sich die grundsätzlichen Fragen : „Wie sollen
wir beten ?;
Was soll mein Gebet sein ?
Wer lehrt uns beten ?
Auch schon die Jünger Jesu
beschäftigte diese Frage, denn jeder Rabbiner behauptete
etwas anderes.
Jesus verstand diese Frage
als Frage nach dem kollektiven Gebet einer Gemeinde und er
zitierte ein altes jüdisches
Gebet aus dem Talmud, dem Gebetsteil der Thora, das „Kaddisch“.
Er modifizierte das Gebet mit
den Nöten der Zeit und sprach das Vaterunser
„Abwun d`bwashmaja“, das sich
von unserem Vaterunser nur dadurch unterschied, dass es hieß „Führe uns in der
Versuchung“.
Aber neben diesem kollektiven Hauptgebet gibt
es die intime Art jedes Einzelnen mit
Gott zu sprechen.
Jeder von uns muß seine
Antworten selbst finden, keiner kann den anderen lehren.
Aber wenn ich gefragt werde,
kann ich mich erklären, das mag dem einen liegen, dem anderen eben nicht. Ich
persönlich beziehe mich auf Gedanken, die ein christlicher
Libanese namens Khalil Gibran
in den 30-er Jahren des letzten Jahrhundert angedeutet hat.
Mein Gebet soll sein, die
völlige, wortlose Entfaltung meiner selbst, die mich öffnet,erhebt und mich mit
allen Menschen, die zu selben Stunde beten, in stummem
Lobpreis vereinigt.
Schweigen will ich und
warten, bis Gott durch meine Lippen, mit meiner Stimme zu mir spricht.
Schweigend will ich auf den
Unsichtbaren sehen und spüren, wie er mich ansieht.
Das ist mein Tempel, in dem
ich bete. Und diesen Tempel will ich nur betreten, um Gott die Fülle meiner
Freude, das Füllhorn meines Glücks zu zeigen, ihn daran teilhaben zu lassen.
Diesen Tempel will ich nie
betreten als Klagemauer und nicht als Bittsteller, denn ich bin kein Bettler,
ich bin Gottes Sohn und will es wert sein. Gott weiß selbst, was ich nötig habe und entscheidet für mich.
So denkt daran, wenn ihr
diesen Tempel nur betretet, um zu bitten, um viele Kerzen anzuzünden, ihr
werdet nicht empfangen.
Ich hätte auch Angst, denn
ich weiß, dass Gott oft hilft, aber ganz anders, als man sich es vorgestellt
hat.
Und sollte es sich nicht
vermeiden lassen zu bitten :“Laß diesen Kelch an mir vorüber-gehen“, dann muß
zwangsläufig folgen, „Dein Wille geschehe, nicht der meine!“
Das ist sicher der schwerste
Satz, den ein Mensch sprechen kann.
Wenn ich aber einmal nur
weinen kann, so will ich meine Seele bitten, mich solange
zum Gebet zu drängen, bis ich wieder lachen kann - dann
will ich meinen Tempel lachend aufsuchen und Gott von meiner Freude berichten.
Niemand kann dich lehren zu
beten. Alle beten. Es beten die Meere, die Berge, die Wiesen, die Wälder. Aber
da Du aus Bergen, Meeren und Wäldern geboren bist,
kannst Du ihre Gebete in
Deinem Herzen finden.
Wenn Du hineinhörst in die
Stille der Nacht, wirst Du sie schweigend sagen hören:
„Du, unser großer Gott, der
du bist unsere geflügelte Quelle, es ist dein Wille in uns, der will – es ist
dein Wunsch in uns, der wünscht, es ist dein Drängen in uns, das unsere Nächte,
die dein sind, in Tage verwandelt, die auch dein sind.
Um nichts wollen wir dich
bitten, denn du kennst unsere Bedürfnisse, ehe sie in uns geboren werden.
Dich brauchen wir und indem
du uns mehr von dir gibst, gibst du uns alles.
Darum, lasset uns beten.
Rudolf F.J Härle nach einer Idee von Khalil Gibran + 1933
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.08.2007.
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