Hermine Geißler

Enjoy jour day!

Enjoy jour day!
Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz gehört habe während meines Aufenthaltes am Westkap Südafrikas. Den Tag zu genießen fällt wirklich nicht schwer, wenn von morgens bis abends die Sonne scheint und die Temperaturen so sind, wie wir sie im Sommer gerne hätten! Noch nie habe ich eine Großstadt im Sommer mit einem vergleichbar guten Klima erlebt.
"Kapdoctor", wird er liebevoll genannt, der frische Wind, den Kapstadt seiner Lange am Meer zu verdanken hat, und der alle Abgase und Krankheitserreger einfach weg weht. Die ersten Tage muss man sich an dieses Windchen gewöhnen und hat sich längst einen Sonnenhut zum festzurren gekauft.

Als vier Tage nach meiner Ankunft morgens um sechs Uhr bei strahlend blauem Himmel schon wieder die Sonne schien, konnte ich es als wintergeschädigte Mitteleuropäerin kaum fassen. Und wenn sich der Himmel in den Tagen danach zwischendurch einmal bewölkte dachte ich: "So das wars jetzt erst einmal mit der Pracht". Sind wir es doch gewohnt, dass solche Vorboten am Himmel oft Tage oder wochenlange Schlechtwetterperioden einläuten!
Nicht so in "Cape Town" im Februar/März. Spätestens nach einer halben Stunde reißt der Himmel wieder auf, das Strahleblau samt Sonne kämpft sich tapfer durch die Wolken und verabschiedet sich erst wieder abends um 20.00 Uhr mit rosafarbenen Winkewölkchen.

Die Stadt erweckt nicht den Eindruck einer Drei Millionen Metropole, obwohl sie alle Attribute dafür hat. Sie wirkt kein bisschen gigantisch, gedrängt, hektisch und laut wie andere Großstädte. Immer liegt etwas lockeres, leichtes in der Luft und der Tafelberg, an den sich die Stadtteile schmiegen gibt mit seiner grandiosen Kulisse dem Ganzen etwas ordnendes, würdiges.

Außer dem guten Wetter hat Kapstadt und das gesamte Westkap natürlich noch eine Menge anderer attraktiver Angebote für wintermüde Touristen.
Da wäre zunächst einmal der berühmte Tafelberg. Für alle ein Muß ist natürlich die Fahrt mit der hochmodernen Gondelbahn, die sich übrigens während der Fahrt dreht, damit jeder einmal die Aussicht genießen kann. Auf Kapstadts Hausberg (1087 m hoch) lässt es sich sehr schön spazieren oder wandern und bei guter Sicht blickt man in alle Richtungen, im Osten bis zum Kap der guten Hoffnung. Ich fühle mich wie ein Adler, dessen (leider bebrillten) Augen nichts verborgen bleibt.

Erst dort oben ist zu ahnen, wie groß die Stadt eigentlich ist. Es empfiehlt sich entweder morgens ganz früh oder in den späten Nachmittagsstunden dem Ruf des Berges zu folgen, da es meistens zu sehr langen Warteschlangen an der Gondel kommt. Außerdem ist das Abendlicht oft besonders romantisch und wer mit einer Flasche guten Kapweins hinauffährt kann dort oben einen herrlichen Sundowner haben! Da alle Kapstadtbesucher einmal auf "der Tafel" gewesen sein wollen, ist dort oben immer ein so internationales Publikum anzutreffen, wie kaum an einer anderen Stelle. Ganz durchtrainierte, sportliche Menschen verzichten auf die Gondel und steigen selbstredend von ganz unten auf!
Wem die Gondel zu teuer und der Berg zu steil ist, der kann auf den benachbarten Lionshead wandern, der ebenfalls zur Kap Berggruppe gehört.
Er sieht tatsächlich ein wenig aus, wie ein liegender Löwe. Oder man fährt ein Stück den Signalhill hoch und macht dort die besten Fotos von Kapstadt. Wer doch noch so tun will, als wäre er gewandert, der erklimmt den Rest bis zum Gipfel und hat dabei einen herrlichen Rundumblick auf die ganze Stadt.

Natürlich müssen alle, denen der afrikanische Befreiungskampf und das Schicksal des so lange inhaftierten Freiheitskämpfers Nelson Mandela viele Jahre am Herzen lag, auf Robben Island gewesen sein.
Die frühere Gefängnisinsel, die in ca. 30 Minuten mit der Fähre zu erreichen ist, liegt vor Kapstadt und ist heute ein Museum. Außer den wenigen Angestellten leben dort Brillenpinguine, Springböcke, Strauße und vielleicht auch noch ein paar Robben, um dem Inselnamen gerecht zu werden.
Von der Fähre kommend geht die Fahrt in engen Bussen über die Insel. Alles ist sehr gut und straff organisiert und man kann sich hautnah in das Gefängnisleben einfühlen, wenn der Bus in sengender Sonne im Steinbruch steht und der ehemalige schwarze Gefangene sehr ausführlich über die Marter der früheren Sträflinge berichtet.
Auch in der engen und stickigen Schleuse, dem Eingangsbereich des Gefängnistraktes konnte ein jeder am eigenen Leib das Martyrium der rechtlosen Schwarzen nachempfinden und während der Schilderungen über die Behandlung und Folter der Gefangenen war ich das erste mal froh, das mir so manche Vokabeln der englischen Sprache fehlten.
In einer Zelle, so groß wie ein Hundezwinger, mit Hocker, Eimer, Eßgeschirr und einer Schlafmatte hat Nelson Mandela fast zwei Jahrzehnte seines Lebens verbracht. Trotzdem kämpfte er während der Haft weiter für Frieden und Freiheit. Sein Motto für die Mithäftlinge war: "Einer muß vom anderen lernen". Folglich gab es von den Gefangenen organisierte Schulungssysteme.
Nur ein solch disziplinierter und aufrechter Charakter konnte Afrika aus der Apartheid führen!
Als die Insel von der Fähre aus immer kleiner wurde, war jeder froh, dieses dunkle Kapitel Südafrikas hinter sich lassen zu können. Sicher kein Happyness-Trip dieser Ausflug, aber in jedem Fall lohnenswert und ein nicht zu vergessendes Stück südafrikanische Geschichte.

Kapstadt hat sich seit dem Ende der Apartheid nicht zu einer Stadt der Schwarzen entwickelt. Wären da nicht die vielen Townships mit ihren trostlosen Bretterhütten an den Stadträndern, die übrigens zu besichtigen sind, man hätte das Gefühl irgendwo in New York, London oder Paris zu sein. Die Innenstadt ist modern, großzügig und weist so manchen "Gitzerpalast" auf. Aus dem früheren Hafen Kapstadts wurde die "Waterfront" zu einem super modernen Einkaufsparadies mit Geschäften, Galerien, Restaurants umgebaut.
Für unverdrossene Anhänger guten deutschen Bieres, die sich selbst von den südafrikanischen Spitzenweinen nicht beeindrucken lassen, steht sogar ein Biergarten mit Paulaner Hefeweizen, samt Knödel und Kraut bereit. Für Touristen und weiße "People" mit einem gut gefüllten Portemonnaie ist die Waterfront ein Paradies und lädt zum Shopping bei Lifemusik unter schattigen Bäumen ein. Die Band ist "schwarz" dafür ist die Zahl der schwarzen und farbigen Besucher dieses Eldorados eher sehr gering.

Eine Stadt der Gegensätze ist Cape Town mit seinen Dreimillionen Einwohner allemal, wie alle Großstädte in denen es immer mehr Arme und eine relativ kleine Schicht sehr reicher Menschen gibt. Hier ist die arme Bevölkerung fast ausschließlich schwarz oder coloured (Inder, Malaien und Mischlinge). Trotz der vielen Townships am Stadtrand ist Kapstadt eine der sichersten Städte Afrikas.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich mich als Drei-Wochen-Tourist mit den Schattenseiten des Paradieses in Form eines Sightseeing in einem Township auseinander setzen will. Ich habe gekniffen und stattdessen versucht so viele Andenken, Souvenirs und heimisches Kunsthandwerk wie möglich bei den schwarzen Kunsthandwerkern direkt zu kaufen, was mir ein saftiges Übergepäck beschert hat.
Das Kunsthandwerk auf dem afrikanischen "Green Market" in der Innenstadt, wo fast ausschließlich Schwarze ihre Produkte verkaufen, ist auf jeden Fall beachtlich und wesentlich billiger, als bei den teueren Galeristen an der Waterfront.

Baden ist nicht drin im Stadtbereich, obwohl der kilometerlange Bloubergstrand gerade dazu einlädt. Die Wassertemperatur ist im Moment etwa bei 15 Grad und sie wird im Laufe des südafrikanischen Sommers bedingt durch die südpolaren Strömungen des Atlantik auch nicht viel "wärmer". Am Bloubergstrand sind neben Joggern und Strandwanderern nur beherzte Surfer in Neoprenanzügen zu sehen. Dafür hat man von dort den Blick auf Tafelberg und Stadt inklusive Sonnenuntergang und es gibt ein supergutes Fischrestaurant, den "Blow Fish", in dem - nach vorheriger Reservierung - ausgezeichnet gegessen werden kann.
Beim Verlassen der Stadt in östliche Richtung zum Kap der guten Hoffnung trifft man auf die schönen Touristenbadeorte Camps Bay, Clifton und Hout Bay. Baden ist dort schon eher möglich, obschon die Wassertemperatur auch eher für abgehärtete Naturen geeignet ist.

Es gibt in Kapstadt einige gute Galerien, Theater und Jazzkneipen und sogar eine Art "Ball der einsamen Herzen" wo die reifere Generation samstags abends das Tanzbein schwingt. Allerdings sind auch wieder nur weiße Beine zu sehen.
Zu erwähnen ist unbedingt noch der Companys Garden, ein kleiner, aber feiner Botanischer Garten in der Innenstadt. Dort fressen die Eichhörnchen aus der Hand und im kleinen Cafe kann man unter einem riesigen Eukalyptusbaum guten Käsekuchen essen und samstags die vielen Brautpaare beobachten, die sich vor der Blütenpracht fotografieren lassen. Der Companys Garden ist gesäumt von Regierungsgebäuden und den wichtigsten großen Museen, wie z.B. die Nationalgalerie mit einer beachtlichen Sammlung von Gemälden und Skulpturen und zeitgenössischen Ausstellungen schwarzer und weißer Künstler. Die vielen Schulklassen, die sich kichernd durch die Galerie schieben sind nach wie vor nach Hautfarben getrennt.
Auch habe ich in Kapstadt so gut wie keine zweifarbigen Paare entdecken können.



Auf jeden Fall muss man im Kirstenbosch Botanical Garden gewesen sein, der eine ganz andere Dimension hat, und der an Kapstadts westlicher Grenze liegt. Er ist laut Reiseführer einer der schönsten Botanischen Gärten der Welt, was ich nur bestätigen kann. Mit ca. 9000 im südlichen Afrika vorkommenden Pflanzenarten, die vor der Kulisse des Tafelbergmassivs in Tälern, Hügeln in wunderschönen Landschaftsformationen gedeihen bietet er außerdem eine Open Air Ausstellung mit beeindruckenden Skulpturen. Sonntags gibt es im Sommer Konzerte, wo die Musikfans mit dem Picknickkorb auf einer riesigen Wiese lagern. Ich habe dort mit etwa 4000 andere Konzertbesuchern ein sehr schönes Geigenkonzert gehört und dabei Hühnchenpasteten und Rotwein genossen.

Wem das alles noch nicht reicht, der sei getröstet. Kapstadt und seine Umgebung bietet noch eine Menge mehr! Auf jeden Fall so viel, dass es sich lohnt immer noch einmal wieder zu kommen!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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