Ootomo Takayasu

Vogelgrippe

Es war der heißeste Sommer seit Beginn diesen Jahres.
 
Der Regen plätscherte leicht auf die Lautsprecher meines zukünftigen Telefonhörers. Im Haus meiner Schwester erfuhr ich das ungewollt Erfahrene. Das Gemälde über dem Telefon war einzigartig. Seine Fülle war der Beweis seiner Leere. Als meine eigene Frau am Telefon mir ihren Tod offenbarte, war mir eines klar: der Wind wehte den Duft des schwarzen Schafes bis in das Nachbardorf.
 
Ob ich meine eigene Situation im Haus meiner ehemaligen Schwester nun akzeptiere, oder ob ich Metzger werden sollte, war mir noch unklar.
 
Die ultraviolette Stimme der schönen Wand ertönte. „Du musst gehen.“, sagte sie. „Du wirst gehen.“, wiederholte sie.
 
Gibt es eine Straße, die nie befahren wurde? Gemeinsam wollte ich mit ihr dort hin. Doch dieser Traum schien nur noch zur Hälfte zu existieren.
 
Wenn es unendlich viele Farbtöne gibt, gibt es Eine unter ihnen, die nie gemalt wurde? Wie sähe die Welt heute aus, wenn diese Eine in meinem Bild gemalt worden wäre? Wäre mein Bild dann vielleicht wasserdicht?
 
Wozu ist eine nie befahrene Straße gut, wenn sie noch nichtmal befahren werden kann? Um uns eine Macht zu zeigen, die unsichtbar und doch überall ist? Werde ich von dieser Macht kontrolliert, oder bin ich unabhängig von dieser Macht?
 
Heute war es aber endlich so weit. Der Papagei wechselte seine Federn. Aus dem Grünen wurde Rotes. Der Papagei liebte seine grünen Federn, er sah glücklich damit aus. Er war es auch, aber jede Nacht, färbte man seine Federn grün, ohne dass er es merkte. Eines Nachts fiel eine grüne Sternschnuppe und der Papagei erhebte sich aus dem vorher noch Existierenden. Es bemerkte den Maler beim malen. Der Maler liebte die grüne Pracht des Papageien, und auch der Papagei liebte es. Doch seit dem wollte es den Maler nie wieder sehen, und seine Federn färbten rot. Der Maler war traurig.
 
Der Papagei, das war meine Frau, der Maler, das war ich. Ich fand ein neues gefedertes Vieh. Aber wie lange konnte ich mich vor der nächsten Vogelgrippe schützen?
 

 
Vielleicht denkt man beim ersten Lesen "hä, das hat doch alles überhaupt gar keinen Zusammenhang!" - und beim zweiten Male interpretiert man vielleicht bisschen was rein. Aber ich möchte trotzdem die Auflösung des Rätsels, was doch hinter dieser Geschichte steckt, in Grundzügen geben:
Im Grunde genommen, geht es um einen Mann der Ehebruch begeht. Mit der heißeste Sommer ist nicht die Temperatur, sondern das Sexualleben des Eheverbrechers gemeint, dem Lyrischen Ich.
Das Plätschern des Regens ist die Stimme aus dem Telefonhörer. Dass es in der Zukunft ihm gehören wird, ist schon jetzt das Ergebnis der Entscheidung des Mannes (die er damit schon traf). Die Person die hier als Schwester bezeichnet wird, ist natürlich nicht die wirkliche Schwester des Erzählers. Es ist eine Metapher für eine Person die so nah wie eine Schwester gesehen wird. Der Erzähler bezeichnet hier noch diese Person als die Schwester, aber hiermit wird klar, wo der Erzähler sich befindet.
Die Frau offenbart ihren Tod - sterben tut hier die Frau natürlich nicht, sondern ihre Person als Ehefrau stirbt, es ist also die Scheidung die hier offenbart wird. Der schwarze Schaf ist ein Verräter, der die Ehefrau über den Seitensprung informiert.
Die Schwester ist nun zur ehemaligen Schwester geworden, weil jetzt klar ist, dass die Person mehr als nur eine sehr gute Freundin ist. Als Metzger würde der Erzähler sich an dem "schwarzen Schaf" rächen. (schlimmstenfalls töten). Die schöne Wand ist die Affäre/die zweite Frau. Diese sieht es auch nicht mehr als eine Affäre und will, dass der Erzähler geht. Die nie befahrene Straße ist die Milchstraße. Der Erzähler liebt noch seine Ehefrau, er will mit ihr "bis in die Sterne", also bis zum Tod zusammen sein. Dennoch weiß er, dass es jetzt vorbei ist, und dieser Traum nur noch seinerseits existiert.
Die vielen Farbtöne sind einzelne Wege im Leben, die der Erzähler gehen kann und wenn er eine malt, trifft er eine Entscheidung zu einem bestimmten Farbton. Wenn er eine "andere Farbe" gewählt hätte, würde er vielleicht nie dieses Telefonat führen (dessen Stimme wie Regen verglichen wurde) - deshalb wasserdicht.
Die Macht die mit den Sternen gezeigt wird, ist die höhere Macht (Gott). Der Erzähler fragt sich, an der Stelle, ob sein Leben und seine Entscheidungen deterministisch sind.
Die grüne Farbe, mit der der Papagei bemalt wird, ist die Lüge, die der Erzähler seiner Frau "jede Nacht" auftischt. Beide sind damit glücklich, solange die Lüge als Wahrheit anbetrachtet wurde. Als die Frau jedoch diese grüne Farbe/die Lüge als Lüge entdeckte, wollte sie nicht damit weiterleben. Stattdessen wurden ihre Federn rot, ihr Leben änderte sich, sie war vielleicht nicht mehr so froh wie vorher mit ihrem Ehemann, aber sie wollte ihn nicht mehr wieder sehen. Das neu gefederte Vieh ist die zweite Frau (im englischen wird "chick" umgangssprachlich statt Küken auch als Tussi/junge Frau übersetzt). Die Vogelgrippe des Erzählers ist seine Krankheit, ständig neue Frauen zu finden. Und das nur, weil er immer nur an das Eine denkt: vögeln.


 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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