Evelyn Goßmann

Kind mit Kühen und Wagen vermißt

 
Den ganzen Nachmittag war ich schon mit auf das Feld gefahren, durfte die Kühe zum Teil allein dorthin lenken, obwohl es dort schon einen recht steilen Abhang hinunterging.
Aber Erwin der neben mir saß achtete schon darauf, dass hinten an den Rädern die Bremse zugedreht wurde, damit der Wagen nicht den armen Kühe in die Beine fuhr und sie am Ende gar böse verletzen würde.
Es war vom frühen Morgen an schon ein glühend heißer Tag und das wunderbar sonnige Wetter musste ausgenutzt werden um das getrocknete Heu, Futterklee und auch die Ernte so schnell wie möglich einzufahren. So schön es jetzt auch wettermäßig war, ebenso schnell konnte es auch wieder ganz anders sein und sich ein kräftiges Donnerwetter ankündigen und rasch ausbreiten.
Ich genoss es immer sehr dass ich einfach überall mitfahren und auch helfen durfte. Als Stadtkind diese Freiheit zu genießen mit allem was es an aufregenden Erlebnissen gab war einfach toll. Manche Bauersleute aus dem Dorf die mit den Fuhrwerken vorüberkamen, riefen immer begeistert:" Oh das wird sicher mal eine gute Bauersfrau, sieh mal was das Kind alles schon machen kann."
Das verstärkte meinen Eifer noch um ein Vielfaches und ich gab mir Mühe die Garben zu binden wie die erfahrenen Bauern auf den Feldern, mit auf dem Pflug zu sitzen, die Kühe oder das Pferd vom Wagen aus zu leiten, Heu zu wenden, Rüben in der Maschine raspeln, den Wagen mit  be - oder zu entladen, in der Scheune abzuladen alles richtig stapeln und zu ordnen und was sonst alles zu tun war. Mir machte es riesigen Spaß, es war mehr Spiel und Nachahmung, ich wollte einfach alles mitmachen was dort für die Menschen zum normalen Arbeitstag gehörte.  
Mittags durfte ich auf der alten Kegelbahn die Schweineeimer fertig machen, was für mich ein echtes Vergnügen bedeutete. Eimer wurden mit gekochten Kartoffeln gefüllt, eine Kelle voll Kleie zugefügt, Dickmilch zugegeben, und dann alles wunderbar mit den Händen zermatscht und geknatscht, für mich als Stadtkind eine wahre Wonne. Meiner Cousine hingegen drehte sich allein beim Anblick schon der Magen um.
Dann ging ich ab in den Stall, das Futter wurde in die Tröge geschüttet, und schon kamen die Schweinchen voll Freude und Vergnügen grunzend angelaufen mit ihrem wippenden lustigen Ringelschwänzchen und den witzigen Schlappohren über den lustigen kleinen blauen Augen.
Mir bereitete es auch ein großes Vergnügen die Kühe zu füttern, den Kuhstall zu entmisten obwohl ich die schwere Gabel oft kaum halten konnte, und vor allem dabei in den viel zu großen Nagelschuhen oder auch Gummistiefeln vom Erwin im Stall herumzustapfen. Dann war ich einfach eine die dazugehörte wie die anderen Bauernkinder aus dem Dorf, und gerade das gefiel mir.
Nun war geplant dass auf einem sehr abschüssigen, weit entlegenen Feld nachmittags alles abgeerntet werden sollte weil man Regen befürchtete nach der endlosen Gluthitze der letzen Wochen und die Ernte vorher in die Scheune gebracht und so sicher geschützt werden sollte.
So wurde es auch gemacht, und als gegen Abend die dicken Gewitterwolken sich gefährlich zusammenzubrauen schienen machte man sich Gedanken wie man denn schnell den Wagen mit den Kühen rechtzeitig vor dem Unwetter an die bestimmte Stelle bekommen könnte, denn es war so ein riesiges Feld dass man Bedenken gehabt hatte alles noch zur Einfuhr fertig zu bekommen, und hatte daher Kühe und  Wagen erst einmal daheim gelassen. Was sollten die armen Tiere auch stundenlang in der sengenden Gluthitze stehen.
Ich hatte aufmerksam die Ohren gespitzt und schon stürmte ich nach Hause, vorsichtig geduckt am Küchenfenster der Oma vorbei damit sie mich nicht sehen konnte, denn meinen Plan hätte sie mir sicher aus lauter Sorge verboten. Mir bereitete aber schon die Vorfreude ein fast diebisches Vergnügen.
Ohne groß weiter nachzudenken holte ich vorsichtig nacheinander die beiden Kühe Fuchs und Frieda aus dem Stall, spannte sie ins Joch und im Geschirr vor den Wagen und machte mich klammheimlich mit Kühen und dem großen Wagen davon, auf in dieses recht abschüssige gefährliche Gebiet, wo die anderen mich inzwischen schon vermisst hatten und sich sorgten.
Ich aber spürte ein großes aufgeregtes Kribbeln was sie wohl sagen würden, wenn ich das ganz allein geschafft hätte.
So kutschierte ich an Feldern und wunderbar blühenden Wiesen vorbei, und brachte so schnell ein gutes Stück des Weges hinter mich. Doch es war auch ein abschüssiges Gelände, und so war es schon auch eine abenteuerliche Fahrt bis dorthin und ab und zu kribbelte es auch in mir vor Aufregung weil die Durchführung meines mutigen Planes in der Wirklichkeit schon recht kriminell war. Der Berg und alle Kurven hielten mich in Hochspannung, dabei war ich immer bemüht die brav meinen Befehlen folgenden Kühe auf dem steilen Hang davor zu schützen dass ihnen am Ende der schwere Wagen doch in die Beine fuhr, weil ich es nicht schaffte die Kurbel schnell und fest genug anzuziehen. Schweißgebadet und stolz schaffte ich das aber alles, ich das Stadtkind.
Glücklich, aber auch geschafft platzte ich dann in die Gruppe meiner mich schon suchenden Verwandten die sehr aufgeregt waren, nicht nur dass ich einfach verschwunden war - nein eine Tante hatte sich auf den Weg gemacht die Kühe mit dem Wagen zu holen, musste aber feststellen dass der Wagen mitsamt Kühen, Joch, komplettem Geschirr, und dem Kind spurlos verschwunden war.
Oma hatte auch keine Ahnung. Klar das war kein Wunder, ich hatte mir ja extra große Mühe gegeben das sie nichts merkte, und alle waren nun in heller Aufregung und sehr besorgt was denn da passert sein könnte. Es schien total abwegig, dass ich das Gespann geholt haben könnte, ich war ein kleines Mädchen und dann sowas in einem unwegsamen Gelände, das schien nicht vorstellbar, nein einfach unmöglich. Niemand hatte mich gesehen, auch die Leute aus dem Dorf  konnten keine andere Auskunft geben. Kind, Kühe und Wagen schienen wie vom Erdboden verschluckt.
Ich hatte es aber geschafft, und nach dem ersten ungläubigen Staunen und dem darauf folgenden  Donnerwetter waren alle froh und glücklich dass ich so eine Heldentat vollbracht und so großartig ausgeführt hatte um ihnen zu helfen.
Eilig wurde dann der Wagen beladen und ich thronte müde aber zufrieden obenauf wie eine Prinzessin. Die vorüberkommenden Bauern und Bäuerinnen bekamen gleich diese ungewöhnliche Geschichte zu hören, und alle staunten und freuten sich, wunderten sich aber kaum. Es war bekannt dass ich immer überall mit durch das Dorf und die Ställe flitzte, anpackte was und wo ich eben konnte, und dabei viel Freude auch mit den Kindern und Freunden aus den Dorf hatte, für die das allerdings zum Alltag gehörte. Manchen Streich haben wir zusammen ausgeheckt, und in jedem Haus war man wie zu Hause.
Ich liebte es jedes Jahr die Sommerferien dort zu verbringen, die mir bei der vielen frischen Luft und allen Tätigkeiten einen gesegneten Appetit bescherten, und ein Paar zerschlissener Schuhe das zum Leidwesen meiner Eltern jedes Jahr dort zurückblieb.
Will nicht verschweigen dass Oma mir in der Aufregung über das vermißte Kind mit Kühen und Wagen erst mal eine gehörige Standpauke gehalten hat - aber dann nahm sie mich lachend und versöhnt in die Arme, war froh dass alles gutgegangen war und auch stolz darüber was ich da fertiggebracht hatte.
Am nächsten Tag war das der Gesprächstoff im Dorf - oje dieses Kind, was das alles macht...dazu noch ein Kind aus der Stadt.
Es war eine herrliche Ferienzeit, und ich habe wunderbare Erinnerungen an meine abenteuerlichen Ferien in Karl, meinem geliebten wunderschönen Dorf in der Eifel mit seinen geliebten, herzlichen, wunderbaren Menschen.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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