Gerhard Kemme

Kokser e.V.

Der Screen zwinkerte leicht als Luca sein Stellenangebot zeilenweise aus dem Printer des Arbeitsamtes zog: “Schriftsteller wanted! Ihre Polizei.“ Kostenlos wählte er null - vier - null - eins - eins - null. Wieder besetzt und keiner hebt ab. Die Angestellte am Tresen tuschelte ihm lässig ihre Verständnisversion ins Ohr: Es sei wieder typisch für ihren Bruder. Wenn er in der Alarmzentrale Dienst hätte, liesse er nur die Fangschaltung arbeiten. Rückwärtsgehend studierte Luca die Bauarchitektur des Amtes, dessen Stilelemente sich um eine übergrosse Stempeluhr gruppierten. Plötzlich, von hinten und von vorne, wie aus der Lehrfibel. Gelbe Marke und “Mitkommen!“. Zwei Beamte aus dem Dezernat gegen Bandenkriminalität hatten ihn zu ihrer Dienststelle entführt. Warten im Glaskasten neben anderen Informanten, Kleinkriminellen und Irren. Durch gestapelte Aktenkörbe blinzelte ihn dann Oberkommissar Karsten jovial zu: “Vor dem Urlaubsstart an die Karibik und an die Nordsee hätten seine Kollegen alle Es-Eilt-Vorgänge auf seiner Platte gestapelt.“ Luca revanchierte sich mit gekonnter Eigenwerbung. Ja, “Wattenschreiber von Neuwerk“ wäre er gewesen: “Wenn plirrend der Flutwind die Lagune räumt, der Gerstensaft im Yankeebrunnen schäumt.“ Selbst der drahtige V-Mann auf der Schreibtischkante ging auf o.k. “Herr Luca, Ihr Nominativ, pardon, Ihr erster Fall ist brandeilig. Um einen Verein, der sich “Kokser e.V.“ nennt, soll es gehen. Die Jungs dort hätten heute eine öffentliche Versammlung und Luca sollte dabei sein. Eigentlich wäre es Brauchtum zuerst an einer Strafsache zu ermitteln, in die man selber verstrickt sei, aber hier würde es sehr eilen.
Die Versammlung der “Kokser“ war öffentlich. Mitglieder und Gast gruppierten sich stehend um den Vorstand. Dieser dynamische Mittvierziger redete seiner Gemeinde in die Seelen. Wissen und Praxis, hier und heute, wären Ziel des gemeinsamen Bewegungsspieles. Glut der Materie, im Spiel erfahren, das Ziel der Zusammenkunft. Eine Anleitung folgte: Jeder sammelt die Unterschriften der anderen Teilnehmer. Zuerst trennt ein Tau die Spielgruppen, dann ziehe ich es fort und das Tempo der Kontaktierungen steigert sich. Zum Schluß soll jeder sämtliche Signaturen der anderen Teilnehmer haben. “Los!“ Die Mitspieler waren quicker und motivierter. In Phase eins hatte ich fast alle Unterschriften, in zwei nur noch atemnot. Nach Spielende mußte Luca als miesester Teilnehmer auf die Bühne. “Kopf senken, Hände vom Gesicht!“ Der “Träger der Gerte“ züchtigte ihn vergleichsweise sanft. Dann das Schlußwort: “Wie mit einer Lupe lernten wir den inneren Verbrennungsvorgang eines Koksofens kennen.“ Ein skurril kostümiertes Vereinsmitglied protestierte lauthals. Ordner zerrten den strampelnden Atomforscher vor die Tür.
Konferenz im Kommissariat: Die “e.V.“ stände momentan mit einem zugeschweißten Müllcontainer vor dem Hauptbahnhof und wolle Kohle, Euros bündelweise. Mit Blau rasten sie zum Zentrum und sahen den Schlamassel. Fauchend und zischend presste sich Qualm aus den verbliebenen Ritzen. Die “Kokser“ hatten den Container randvoll mit Koks gefüllt und gezündet. Noch fünf Minuten auf Heisstemperatur, dann ein Knall und ... eine resulute Polizistin schleppte ein Riesenmaschinengewehr mit hängendem Patronengurt heran. “Rattatat“. Für alle sichtbar entspannte sich das Hochdruckgebiet im Inneren des überdimensionalen Bollerofens durch 1000 Einschusslöcher hindurch. Die Feuerwehr riß das Kommando an sich und es roch fast nostalgisch nach Dampflok. Der Oberinspektor knuffte Luca in die Seite: “Haben Sie die ´Kokser e.V.´ vor zwei Jahren als Vereinsvorsitzender beim Amtgericht angemeldet?“ “Ja!“

Hallo!
Die Vorgaben für diese Geschichte waren: Hamburg, Krimi, Anfänger. In den Text mischen sich viele Erlebnisframente: Erfahrungen mit der örtlichen Polizei. Erlebnisse in verschiedenen Religionsgemeinschaften. Technik und Wissenschaft. Sylvesteratmosphäre.

Kurze Inhaltsangabe: Jobsuche. Überraschender Kontakt zur Polizei und Einstellung als Schriftsteller für diese Behörde. Recherche bei einem Verein, der in Verdacht geraten war. Die besuchte Versammlung stellt sich als verwirrend und gesetzwidrig heraus. Der Verein versucht durch Drohung mit einem alternativen Sprengmittel, Geld zu erpressen. Im letzten Moment kann eine Katastrophe verhindert werden. Die Hauptfigur der Story war in dubioser Weise bereits zuvor in den Fall verwickelt.
Tschüss Gerd
Gerhard Kemme, Anmerkung zur Geschichte

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Gerhard Kemme).
Der Beitrag wurde von Gerhard Kemme auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Gerhard Kemme als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Schwerenöter - Gereimtes und Ungereimtes von Rainer Tiemann



Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Nach diesem Motto sind viele Gedanken und Erlebnisse im neuen Buch "Schwerenöter" des Leverkusener Autors Rainer Tiemann festgehalten. Gereimt und ungereimt werden Geschehnisse des täglichen Lebens und autobiografische Erlebnisse mal ernst, mal heiter, aber immer menschlich beleuchtet. Sollten die unterschiedlichen Themen des Buches dazu anregen, sich erneut mit Lyrik zu befassen oder über sich und die Beziehungen zum Mitmenschen nachzudenken, wäre ein wichtiger Sinn dieses Buches erfüllt.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Krimi" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Gerhard Kemme

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Olympia, Hamburg, 4 * 400 Hürden, Roboter von Gerhard Kemme (Science-Fiction)
19“ von Klaus-D. Heid (Krimi)
Schau mich an und ich sage dir, was du isst von Norbert Wittke (Satire)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen