Werner Gschwandtner

Eine tierische Weihnacht 2

„Jetzt ist es zwei Stunden danach. Maria und Rudolf, meine neue Familie schliefen längst. Wir sind dann nur mehr in das so genannte Schlafzimmer gegangen und Maria zeigte mir den Platz wo ich die Nacht verbringen sollte, zu ihren Füssen in dem weichen und großen Bett.“
 
„Aber das meine Kleine ist nur für die ersten Nächte“, erklärte Maria mir flüsternd, „später wirst du dann im Wohnzimmer dein Körbchen haben.“
Maria setzte mich auf das Bett und begab sich zu dem Toilettentisch. Sie legte ihren Schmuck ab und während ich mich auf der flauschigen Decke zusammen rollte, legte Maria ihr Nachtgewand an.
Ich hatte meine Augen geschlossen, schlief aber nicht. Meine Gedanken waren bei meiner Mutter. Wie mag es ihr und meinen Geschwistern nun ergehen? Ich war erst ein paar Stunden von meinem früheren Zuhause weg, vermisste es aber schon sehr.
Maria kam zu mir, auch Rudolf lag schon auf seiner Seite des Ehebettes. „Gute Nacht“, hörte ich Maria sagen, schlaft alle gut.“
Ich blinzelte meinem Frauchen entgegen und schnurrte laut. Maria kraulte mir sanft das Köpfchen und ich fühlte ich, trotz meines starken Heimwehs, geborgen und hier zuhause.
„Gute Nacht Maria“, antwortete Rudolf gähnend, „schlaf auch du gut Lucky“, auch ich wurde von dem Mann meines Frauchens bedacht. Ich war glücklich, das fühlte ich nun tief in meinem Herzen.
„Morgen ist ein neuer Tag für dich.“ Diese Aussage kam von Maria. Rudolf bestätigte dies, aber seine Stimme klang schon sehr müde.
 
Zwei Stunden waren nun vergangen. Ich fand, obgleich ich die wärmende Liebe meiner neuen Besitzer deutlich spürte, keine richtige Ruhe.
Ich begann mich zu putzen. Rudolf schnarchte lautstark, es hörte sich an wie wenn er den gesamten Wienerwald abholzen wollte. Maria dagegen gab beim Schlafen keinen Laut von sich.
„Irgendwie ist es komisch mit Stadtleuten zusammen zu Leben“, dachte ich beim putzen bei mir, „es ist ganz anders. Irgendwie Fremdartig. Dennoch sind es Nette Menschen. Vielleicht ist die Welt doch nicht so unfair wie ich Anfangs geglaubt hatte.“
Im Schlafzimmer war es beinahe stockdunkel. Vor dem Fenster hing ein dicker, weinroter Samtvorhang und nur die elektronische Nachttischlampe spendete ein wenig Helligkeit. Das Digitalziffernblatt zeigte die zehnte Abendstunde. In mir regte sich der Ruf der Natur. Ich hatte vor dem zu Bett gehen noch reichlich gefressen und auch ordentlich Wasser genossen. Dieses Wasser wollte nun wieder aus mir heraus.
„Wie hatte mir Maria gesagt?“ versuchte ich mich zu erinnern. „Wo musste ich mein Geschäft verrichten?“
Ich hatte es nicht bei mir behalten. Ich erhob mich auf meine Beine, spähte über den Rand des Bettes und blickte etwas unbehaglich in die Tiefe. Für mich, in dieser ersten Nacht, war es gegenwärtig ein unendlich tiefer Abgrund ohne Boden. Dennoch verspürte ich das dringliche Bedürfnis und ich riss mich zusammen. Es half nichts, es musste sein. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprang hurtig von dem Bette. Mein kleines Herz klopfte bei diesem Wagnis voller Aufregung, aber ich versuchte meiner Furch Herr zu werden und landete nach nur wenigen Sekunden der Unsicher, weich, auf meinen vier Pfoten.
Ich blickte mich um. „Wo hatte Maria gesagt sollte ich mein Geschäft verrichten?“ obgleich ich mich sehr anstrengte, mich auf den richtigen Platz zu besinnen, es wollte mir nicht gelingen. Behutsam schlich ich durch das Schlafzimmer und näherte mich vorsichtig der angelehnten Tür.
Alle Räumlichkeiten dieser Wohnung waren mit dem Vorzimmer verbunden und ich linste hinaus. Draußen war auch alles Dunkle. Ich trat in den Vorraum und musste nun schon alle Sinne zusammen nehmen um nichts vorzeitig aus zu lassen.
Nur hin und wieder tickte hier und da eine Uhr, ansonsten war es Mucksmäuschen still. Ich fand meinen Futternapf, er war leer. War das der Ort für mein Geschäft? Ich konnte es nicht mehr halten und so nahm ich mit der Plastikschale vorlieb. Maria würde mir sicherlich Morgenfrüh sagen können ob das richtig war oder nicht. Nach Erledigung meines Bedürfnisses, kehrte ich in das weiche Bett zurück. Es war wirklich an der Zeit zu schlafen. Rudolf hatte seine Sägearbeiten auch etwas zurück gestellt und so schloss ich nach einer weiteren Putzpause meine Augen. Ich war innerlich gespannt was die kommenden Tage für mich bringen würden.
 
„Ich schlief in Folge schließlich doch beruhigt ein und träumte von meiner Mutter. Mink sprach mir zärtlichen Trost zu und auch meine Geschwister gaben mir zu Verstehen das sie sich für mich freuten.“
 
Ich erwachte am darauf folgenden Morgen. Maria und Rudolf waren schon auf. Ich hörte sie im Vorzimmer miteinander sprechen, Maria kicherte sogar. Nur Rudolf schien irgendetwas nicht besonders Lustig zu finden. „Ins Kistchen“, ärgerte sich Rudolf, „ins Kistchen und nicht in das Futterschüsserl.“
„Aber du musst auch eingestehen“, war nun Maria zu hören, sie fand das alles noch immer sehr Belustigend, „Lucky war brav und hat nicht einfach ins Bett, oder sogar auf den Teppich, oder sonst wo hingemacht.“
Ich hatte meinen Namen gehört, diesen hatte mir gestern noch Maria auf dem Bauernhof gegeben. Also unterbrach ich mein putzen und sprang aus dem Bett. Schnell lief ich aus dem Schlafzimmer und schmiegte mich an die Beine meiner neuen Familie.
„Miau“, maunzte ich aufgeweckt. Ich rieb mein Köpfchen an Rudolfs Beinen und schnurrte dabei. Rudolf schaute zu mir herab und schüttelte den Kopf. Ich bemerkte jetzt dass sich die beiden wegen meinem nächtlichen Geschäft unterhielten. Rudolf war noch immer ein wenig sauer und Maria verteidigte mich weiterhin. Also hob mich Rudolf hoch und blickte mir fest in die Augen. Er war nicht ernsthaft böse, das fühlte ich. Rudolf blickte mich einige Minuten schweigsam an, ich erwiderte den Augenkontakt und maunzte leise. Rudolf konnte dabei nicht ernsthaft bleiben und lächelte schließlich sanft. Er sprach nun energisch auf mich ein.
„Ins Kistchen“, sprach er und deutete dabei auf mein Katzenklo, „verstehst du Lucky? Das Geschäft ins Kistchen und nicht in den Futternapf.“
 
„Meinen ersten Fehltritt hatte ich also hinter mir. Rudolf zeigte mir noch einmal mein Kistchen und ich wusste, dass ich es nun nicht noch einmal vergessen würde. Maria verbrachte den gesamten Vormittag und auch teile des Nachmittags in der Küche. Sie nannte so den Raum, in dem es Heiß herging. Dort wurde so einiges getätigt. Dampf und auch sonderbare Gerüche kamen aus diesem Raum.
Maria nahm sich an diesen Tag nur sehr wenig Zeit für mich. sie sagte das Morgen der vierte Advent sei und ihre Tochter mit ihrer eigenen Familie zu Besuch käme. Hierfür wollte sie noch frische Plätzchen und Honigkuchen backen. Ich wusste zwar nicht was das war, aber Maria und auch Rudolf war ganz scharf darauf.“
 
Der kommende Tag brach schnell an. Ich hatte erfahren dass der vierte Advent die Vorweihnachtszeit abschloss. An dem heutigen Sonntag wurde die letzte Kerze des Tannenkranzes entzündet und dieses Ereignis war für meine Besitzer ein Tag der familiären Zusammenkunft. So war es Tradition, hatte mir Rudolf erklärt.
Den Vormittag verbrachte Rudolf damit, dass er Tannengirlanden an die Fenster anbrachte. Ich hockte dabei am Sims und blickte durch die leicht vereisten Scheiben nach draußen. Es schneite. Dicke Flocken flogen dicht zu Boden und bedeckten die Umgebung. Obgleich es Tag war, wurde das Umfeld in ein Zwielichtes Dunkel gehüllt. Es war etwas gespenstisch, aber dennoch nicht Furcht erregend.
Aus der Küche kam den ganzen Tag ein süßlicher Duft. Er roch verführerisch und immer wieder kam Rudolf, während seiner Dekorationstätigkeit mit einem frischen Keks, oder Lebkuchen zu mir.
Gegen Abend richtete Maria das Wohnzimmer für die Feierlichkeiten her. Sie brachte einen grünen Tannenkranz, auf dem vier blaue Kerzen steckten und stellte diesen auf den Couchtisch. „Das mein Kleines“, flüsterte sie mir zu, „ist der Adventkranz. Vier Wochen dauert die Vorweihnachtszeit an und jeden Sonntag wird eine Kerze als Symbol angezündet.“
Ich war neugierig näher gekommen. Behutsam sprang ich zuerst auf den Fauteuil und setzte dann meine Pfoten auf den Glastisch. Behutsam schnupperte ich zu dem Tannenkranz hin. Das Reisig verströmte einen einzigartigen Duft und obgleich mir das menschliche Fest der Weihnacht noch Fremd war, verspürte ich einen tiefen Frieden in meinem Herzen.
„Unsere Tochter kann jeden Augenblick erscheinen“, Maria nahm mich in ihre Arme und streichelte mich, „du wirst ihr auch gefallen“, sagte sie weiter, „Kathi mag Katzen. Sie hat auch zwei und eine süße Tochter von vier Jahren.“
Ich schmiegte meinen Kopf gegen die Wange meines Frauchens und schnurrte. Irgendwie war ich aufgeregt, ich freute mich auf die Bekanntschaft und verspürte ein kribbeln am ganzen Körper.
In diesem Moment läutete es. Marias Augen bekamen einen feuchten Glanz, sie hauchte. „Sie sind da“, und Rudolfs Stimme erklang aus dem Vorraum. „Ich mach schon auf.“
Seine Schritte bewegten sich zur Tür und nachdem er aufgeschlossen hatte, vernahmen wir ein undeutliches Gemurmel. Jemand betrat die Wohnung und ein kleines Mädchen lief mit roten Wangen in das Wohnzimmer.
„Großmutter“, freute sich die Kleine, „ich bin da.“
Maria setzte ich kurz ab und nahm ihr Enkelkind in den Arm. Das Mädchen hatte noch Stiefel und Mantel an und Maria bat die Kleine, sich zuerst die Sachen aus zu ziehen.
Unterdessen kamen die Eltern von dem Kinde und Rudolf ins Wohnzimmer. Ich saß auf der Lehne des Fauteuils und blickte interessiert auf das Geschehen.
„Hallo Mam“, grüßte die junge Frau. Sie hatte eine große Ähnlichkeit mit Maria und mein Frauchen nahm auch sie in den Arm.
„Ich freue mich dich wieder zusehen Tochter“, Maria war den Tränen nahe. Ich verstand nicht warum. Später erzählte mir Maria, das Kathi und ihre Familie in den Staaten lebte und eben nur einmal im Jahr, an dem vierten Advent zu Besuch kommen konnte.
„Lasst uns den Adventkranz entzünden“, Rudolf lächelte seine Tochter an und reichte ihr das Stabfeuerzeug, „du mein Kind sollst wie jedes Jahr diese Ehre inne haben.“
Maria tischte heißen Tee und Punsch auf und reichte ebenfalls die gebackenen Kekse und Lebkuchenstücke. Kathis Mann, ein Amerikaner namens Jack Summers fühlte sich als Ausländer in dieser Runde sehr willkommen. Ihre gemeinsame Tochter hörte auf den Namen Kate Mary und war der ganze Stolz der jungen Familie.
Rudolf legte eine CD auf und eine besinnliche Stimme begann von der Weihnacht zu singen. Ich lag nun auf dem Schoß meines Frauchens und Kate, die neben ihrer Großmutter saß, streichelte mich.
 
„Dieser Tag hatte für mich viele Überraschungen bereitgehalten. Ich hatte, durch den Besuch der Tochter, erfahren was Liebe unter den Menschen war. Und ich fühlte mich, auch wenn ich noch immer ein wenig meine eigene Mutter und meine Geschwister vermisste, hier wirklich zuhause. Im Kreise meiner neuen Familie.“
 
Eine tierische Weihnacht
Teil 2
© Werner Gschwandtner
„Der Treff für Jung & Junggebliebene“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.08.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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