Teil 1
Wir hatten an der Ingenieurschule in Roßwein einen Mathematik-Dozenten, den wohl (fast) alle als einen liebenswerten Menschen in Erinnerung behalten haben. Und das will schon etwas heißen, denn die Mathematik ist ja durchaus nicht jedermanns Sache. Für Moderatoren im Deutschen Fernsehen gehört es ja schon eher zum guten Ton, in Sachen Mathematik als minderbemittelt dazustehen.
Dr. Friedemann war Mathematiker mit Leib und Seele. Aber keinesfalls ausschließlich. Er nutzte gern mal eine Gelegenheit, um andere Themen einzuflechten und hatte vor allem auch sehr viel Sinn für Humor.
Das Fünfeck war z.B. Anlass, auf den Fünfeckstern - das Pentagramm - zu sprechen zu kommen und von da aus auf Goethes Faust:
Ich habe noch viele Äußerungen von ihm im Gedächtnis, die so ab und an wohl ganz spontan mit in seinen Vortrag eingeflossen sind.
Eines aber war geradezu obligatorisch:
Er hatte irgendwann eine Geschichte, genauer gesagt, ein Märchen, erzählt, welches ein guter Bekannter von ihm verfasst hatte und das hatte etwas mit einer indischen Königstochter und einem sächsischen Freier zu tun. Das war nun unter den Studenten so bekannt und beliebt, dass der Tip von Jahrgang zu Jahrgang weiter gereicht wurde: Das müsst ihr euch erzählen lassen! Und er wurde darum gebeten und erzählte es - wieder und wieder.
Es liegt nun alles lange zurück (wir waren 1956 der letzte Studienjahrgang vor seiner Pensionierung) und es ist mir nicht gelungen, noch jemanden zu finden, der die Geschichte vollständig im Gedächtnis behalten hätte, und auch bei mir sind nur Bruchstücke davon hängen geblieben. Auch der Name des Autors ist nicht bekannt. Vermutlich lebte er - wie Dr.Friedemann auch - in Meißen.
Da ich es bedauerlich finden würde, wenn die hübsche Geschichte ganz in Vergessenheit gerät, habe ich mich entschlossen, die Bruchstücke aus dem Gedächtnis zusammenzubauen und die fehlenden Teile durch neu erfundene zu ersetzen.
Sollte sich irgend jemand finden, der die Originalgeschichte vollständig im Kopf hat oder sie sogar in gedruckter Form kennt, dann wäre ich dankbar, wenn er sich bei mir meldet.
Teil 2
Hier also meine Version des Märchens:
Es war einmal ein indischer König, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Radalatschanderlie, und der König suchte für sie einen Mann und für sich einen Nachfolger, denn er war schon im vorgeschrittenen Alter und hatte keinen Sohn.Der Gesuchte brauchte kein schöner, reicher Prinz zu sein, aber mutig sollte er sein und immerhin so gescheit,wie es selbst für einen König unverzichtbar ist.
Eines schönen Frühlingstages nun, bewarb sich auch ein junger Mann aus Sachsen.Obwohl ja nun bekanntermaßen die Sachsen helle Köpfe sind, - dieser hier war, na sagen wir mal, nicht die allererste Wahl.
Der König stellte nun die alles entscheidende 3.Frage: "Welches sind die musikalischen Lieblingswerke der Prinzessin?" Der Sachse war hingerissen! Musiiiiiik!!! Er hatte ja die Prinzessin schon halb in der Tasche, die wunderschöne Prinzessin, und nun war sie auch noch musikalisch! Wer sich auch nur ein bisschen auskennt, der weiß natürlich, welch ein musikbegeistertes Volk die Sachsen sind! Man denke nur an Peter Schreier, den Kreuzchor, den Thomanerchor, das Gewandhaus, die Semperoper und, und und. . . .und nicht zuletzt an die Sachsenhymne " Sing mei Sachse sing!" Unser Sachse war so von Begeisterung hingerissen, dass ihm völlig spontan die Frage herausplatzte: "Gann da d'n d Brinzässin och sälber ä Inschdrumend schbiln?" Der König, der im Stillen schon lange gehofft hatte, dass er seine Tochter nun endlich mal unter die Haube bringt, war hoch erfreut und hatte schon deshalb wieder nur die ersten Worte des Sachsen gehört und rief : "Richtig! Richtig! Richtig! Kantaten! Kantaten hört die Prinzessin für ihr Leben gern. Ich gratuliere dir, mein lieber Schwiegersohn!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2007.
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