Heinz Säring

Die indische Prinzessin und der Freier aus Sachsen

 

Teil 1

Wir hatten an der Ingenieurschule in Roßwein einen Mathematik-Dozenten, den wohl (fast) alle als einen liebenswerten Menschen in Erinnerung behalten haben. Und das will schon etwas heißen, denn die Mathematik ist ja durchaus nicht jedermanns Sache. Für Moderatoren im Deutschen Fernsehen gehört es ja schon eher zum guten Ton, in Sachen Mathematik als minderbemittelt dazustehen.

Dr. Friedemann war Mathematiker mit Leib und Seele. Aber keinesfalls ausschließlich. Er nutzte gern mal eine Gelegenheit, um andere Themen einzuflechten und hatte vor allem auch sehr viel Sinn für Humor.

Das Fünfeck war z.B. Anlass, auf den Fünfeckstern - das Pentagramm - zu sprechen zu kommen und von da aus auf Goethes Faust:

Mephisto: Gesteh ichs nur! Dass ich hinausspaziere,
verbietet mir ein kleines Hindernis,
der Drudenfuß auf eurer Schwelle.
Faust: Das Pentagramma macht dir Pein?
O sage mir, du Sohn der Hölle,
wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
 
Und er erzählte uns die ganze Szene, bis der Teufel den Faust doch übertölpelt hat und aus der zufälligen Gefangenschaft entfliehen konnte.
Er machte auch schon mal - angesichts einer mathematischen Gesetzmäßigkeit - eine ironische Bemerkung mit einem Seitenhieb auf die Politik:
"Das stimmt so, das müssen Sie so hinnehmen, das haben die Mathematiker auf ihrem 7. Kongress so beschlossen!"

Ich habe noch viele Äußerungen von ihm im Gedächtnis, die so ab und an wohl ganz spontan mit in seinen Vortrag eingeflossen sind.

Eines aber war geradezu obligatorisch:

Er hatte irgendwann eine Geschichte, genauer gesagt, ein Märchen, erzählt, welches ein guter Bekannter von ihm verfasst hatte und das hatte etwas mit einer indischen Königstochter und einem sächsischen Freier zu tun. Das war nun unter den Studenten so bekannt und beliebt, dass der Tip von Jahrgang zu Jahrgang weiter gereicht wurde: Das müsst ihr euch erzählen lassen! Und er wurde darum gebeten und erzählte es - wieder und wieder.

Es liegt nun alles lange zurück (wir waren 1956 der letzte Studienjahrgang vor seiner Pensionierung) und es ist mir nicht gelungen, noch jemanden zu finden, der die Geschichte vollständig im Gedächtnis behalten hätte, und auch bei mir sind nur Bruchstücke davon hängen geblieben. Auch der Name des Autors ist nicht bekannt. Vermutlich lebte er - wie Dr.Friedemann auch - in Meißen.

Da ich es bedauerlich finden würde, wenn die hübsche Geschichte ganz in Vergessenheit gerät, habe ich mich entschlossen, die Bruchstücke aus dem Gedächtnis zusammenzubauen und die fehlenden Teile durch neu erfundene zu ersetzen.

Sollte sich irgend jemand finden, der die Originalgeschichte vollständig im Kopf hat oder sie sogar in gedruckter Form kennt, dann wäre ich dankbar, wenn er sich bei mir meldet.

 

Teil 2

Hier also meine Version des Märchens:

Es war einmal ein indischer König, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Radalatschanderlie, und der König suchte für sie einen Mann und für sich einen Nachfolger, denn er war schon im vorgeschrittenen Alter und hatte keinen Sohn.Der Gesuchte brauchte kein schöner, reicher Prinz zu sein, aber mutig sollte er sein und immerhin so gescheit,wie es selbst für einen König unverzichtbar ist.

Deshalb ließ der König weit und breit die folgenden Bedingungen bekanntmachen:
Jeder Bewerber, der die Prinzessin freien wollte, solle sich am Hof einfinden und er musste 3 Fragen, die der König ihm stellte, richtig beantworten. Dann bekäme er die schöne Prinzessin zur Frau und würde sein Nachfolger.Jeder aber, der sich bewarb und nicht alle 3 Fragen richtig beantworten konnte, wurde um genau einen Kopf kürzer gemacht. So hatten schon viele mutige Jünglinge den Versuch gewagt und ihr blutjunges Leben dabei verloren.

Eines schönen Frühlingstages nun, bewarb sich auch ein junger Mann aus Sachsen.Obwohl ja nun bekanntermaßen die Sachsen helle Köpfe sind, - dieser hier war, na sagen wir mal, nicht die allererste Wahl.

Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, und auch der Henker sein Beil geschärft hatte, stellte der König die 1. Frage: "Welches ist die Lieblingsspeise der Prinzessin?" Der Sachse, der noch nie mit ihr gesprochen, geschweige denn diniert hatte, machte nur eine resignierende Handbewegung und sprach: "Da gän se glei 'n Gobb abhaggen!"
Der König aber hörte gar nicht den ganzen Satz. Als er die Worte "Gän se glei 'n" vernommen hatte, rief er freudig überrascht dazwischen: "Bravo! Er hat es heraus! Ja, Gänseklein ist die Lieblingsspeise der Prinzessin."
Am meisten überrascht war der junge Sachse selber, er hütete sich aber sehr wohl davor, sich etwas anmerken zu lassen.
 
Nun kam die 2.Frage: "Aus welcher Grundsubstanz wird nun aber dieses Lieblingsgericht der Prinzessin erzeugt?" Dieser Satz brachte den Sachsen nun doch etwas in Verwirrung und er äußerte darum erst mal eine Bitte:
"Gän se v' leischt die Frache noch ä mal wiederholn?" Der König war noch mehr überrascht, als beim ersten Mal: Er hatte nur "Gänsefleisch" gehört, der Rest ging in seinem eigenen Jubel unter, denn Gänsefleisch war die richtige Antwort. In deutschen Kochbüchern werden zwar oft spezielle Kleinteile der Gans angegeben, wie Flügel und Hals, aber natürlich kann man jedes Fleisch von der Gans verwenden. Wo käme man hin, wenn man einen ganzen Hofstaat zu versorgen hat?
Zwei richtige Antworten, sowas war bis jetzt noch keinem einzigen Kandidaten gelungen!

Der König stellte nun die alles entscheidende 3.Frage: "Welches sind die musikalischen Lieblingswerke der Prinzessin?" Der Sachse war hingerissen! Musiiiiiik!!! Er hatte ja die Prinzessin schon halb in der Tasche, die wunderschöne Prinzessin, und nun war sie auch noch musikalisch! Wer sich auch nur ein bisschen auskennt, der weiß natürlich, welch ein musikbegeistertes Volk die Sachsen sind! Man denke nur an Peter Schreier, den Kreuzchor, den Thomanerchor, das Gewandhaus, die Semperoper und, und und. . . .und nicht zuletzt an die Sachsenhymne " Sing mei Sachse sing!" Unser Sachse war so von Begeisterung hingerissen, dass ihm völlig spontan die Frage herausplatzte: "Gann da d'n d Brinzässin och sälber ä Inschdrumend schbiln?" Der König, der im Stillen schon lange gehofft hatte, dass er seine Tochter nun endlich mal unter die Haube bringt, war hoch erfreut und hatte schon deshalb wieder nur die ersten Worte des Sachsen gehört und rief : "Richtig! Richtig! Richtig! Kantaten! Kantaten hört die Prinzessin für ihr Leben gern. Ich gratuliere dir, mein lieber Schwiegersohn!

Und bald darauf wurde große Hochzeit gefeiert. Natürlich nicht ohne eine glänzende Aufführung der "Kaffekantate" von Johann Sebastian Bach, der ja immerhin auch lange Zeit in Sachsen gelebt und gewirkt hat.
Und das neue Königspaar saß Tag für Tag auf dem Thron und musizierte gemeinsam: Sie auf der Violine und er auf der Mundharmonika. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.

 

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Anmerkung: Vom Kern der Geschichte - den 3 Fragen mit Antworten - stammt nur die erste aus dem Original.

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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