Brigitte Kemptner

Meine Freundin Laura

 
Meine Freundin Laura
 
‚Morning has broken…’ drang Cat Stevens’ Stimme aus dem Lautsprecher über mir, während ich in meinem Lieblingscafé saß, und der ersten persönlichen Begegnung mit Laura entgegenfieberte.  
 
Tags zuvor hatte sie ganz aufgeregt angerufen.
„Karin, wie schön, dass du zu Hause bist“, hörte ich die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. Froh über ihren Anruf, lächelte ich, und noch bevor ich etwas sagen konnte, fuhr sie fort, mir zu erzählen, dass sie einen neuen Job bei einem Pharmaziekonzern, hier in meiner Heimat, Frankfurt, in Aussicht hatte.
„Jetzt habe ich morgen schon ein Vorstellungsgespräch und am Nachmittag könnten wir beide uns doch treffen, wie findest du das?“
„Super!“, rief ich in die Leitung und nachdem wir Zeit und Ort vereinbart hatten, legte sie auf.
 
Während ich mich am nächsten Tag für meine Verabredung mit Laura fertig machte, dachte ich ein paar Monate zurück, als wir uns im Internet kennen lernten und auf Anhieb verstanden.    
Bevor ich endlich ging, betrachtete ich mich noch einmal kritisch im Spiegel. Ich war sehr nervös und hoffte, auf Laura einen guten Eindruck zu machen. Den Kindern hatte ich am Morgen schon gesagt, dass ich am Nachmittag nicht zu Hause sein würde.  
 
Im Café war zum Glück mein Lieblingsplatz, eine Ecknische, noch frei. Hier wollte ich auf meine Freundin warten und bestellte mir ein Kännchen Kaffee.
Ich wollte gerade den ersten Schluck trinken, und Cat Stevens sang: ‚Morning has broken’, als ich meinen Namen hörte: „Karin? Bist du es wirklich?“ Eine große, hübsche Frau mit schulterlangen Haaren stand vor mir und lächelte.
„Laura, wie schön, dass du da bist und wir uns endlich auch persönlich kennen lernen.“ Eine Umarmung folgte und anschließend winkte Laura die Kellnerin heran.
Dann wandte sie sich wieder zu mir. 
 „Ich bestell uns ein Glas Sekt, denn es gibt etwas zu feiern. Karin, ich habe den Job bekommen und fange in sechs Wochen dort an.“ Ihre blauen Augen strahlten und ich freute mich mit ihr.
Wir redeten lange über Dinge, die uns berührten, dann trennten wir uns, weil sie noch eine zweistündige Bahnfahrt vor sich hatte.
 
*********
 
Eine geeignete Wohnung in Frankfurt zu finden, war nicht einfach und dauerte. Ich machte Laura den Vorschlag, vorübergehend bei uns im Haus zu wohnen.
„Das ist lieb gemeint, Karin“, meinte sie, „aber du hast auch ohne mich genug um die Ohren. Ich habe eine kleine Pension in Offenbach entdeckt. Ist recht preiswert und ich kann in aller Ruhe nach einer Wohnung suchen.“
 
Laura arbeitete etwa eine Woche in der Stadt, da lud ich sie zum ersten Mal zu uns ein. Es war ein herrlicher Sonntag.   
Sie brachte mir meine Lieblingsblumen, Sonnenblumen mit,  und erfüllte sofort das ganze Haus mit ihrer Fröhlichkeit. Alle mochten sie auf Anhieb. Am Nachmittag gingen die Kinder dann ihrer eigenen Wege und Stefan hatte sich noch Arbeit mit nach Hause gebracht. So hatte ich Zeit, Laura durchs Haus zu führen. Später saßen wir gemütlich auf der Terrasse und plauderten.
Auch Laura hatte der Tag gefallen, das konnte sie später nicht oft genug erwähnen und es war nun selbstverständlich, dass wir uns so oft sahen, wie es ihre Zeit erlaubte.
 
Immer stärker fühlte ich mich zu Laura hingezogen. Eine Schwester hätte ich nicht lieber haben können. Ich bewunderte sie, wünschte mir oft, wie sie zu sein. Ein schöner Tag wurde noch schöner, wenn wir telefonierten, schrieben oder wenn sie uns besuchte. Was war denn plötzlich los mit mir? Laura war meine Freundin, aber das, was ich für sie empfand, hatte ich noch nie für eine meiner anderen Freundinnen gefühlt. Eine völlig neue Erfahrung. Ich war doch nicht etwa …? Nein, das mit Sicherheit nicht, denn an meinen Gefühlen zu Stefan hatte sich rein gar nichts geändert, wir hatten noch immer erfüllten Sex, waren zärtlich zueinander, wie eh und je. Wir liebten uns. Was würde er aber von mir denken, wenn er von meinen Gefühlen für Laura erfuhr? Und sie erst? Ich war oft am Tag mit meinen Gedanken bei ihr, hörte sie im Geiste lachen und von allen möglichen Dingen erzählen.
Weder mein Mann, noch Laura, das hatte ich mir fest vorgenommen, durften etwas von meinen Emotionen erfahren. Ich schämte mich.
 
Aber Laura, die inzwischen eine Wohnung in der Stadt gefunden hatte, war eine sehr feinfühlige Frau, der meine Veränderung auffiel und sie sprach mich eines Tages darauf an:
„Karin, dich bedrückt doch etwas. Willst du nicht mit mir darüber reden? Du weißt doch, dass du mir alles sagen kannst. Du bist mir gegenüber zurückhaltender geworden. Habe ich etwas falsch gemacht? Oder hat es mit Stefan zu tun? Ist es ihm nicht recht, wenn ich zu euch komme?“
„Stefan mag dich doch, Laura“, antwortete ich ihr. Was sollte ich denn sagen? Die Wahrheit? „Du hast auch nichts falsch gemacht. Mit mir ist alles in bester Ordnung, glaub mir.“ Nun brachte ich sogar ein Lächeln zustande.  
„Dann weiß ich auch nicht weiter. – Du bist doch nicht etwa krank, und willst es mir nicht sagen?“ Laura gab noch nicht auf, doch war beruhigt, als ich ihr diese Frage mit Nein beantwortete. Ich spürte, dass sie mir nicht so ganz glaubte.
In den folgenden Tagen ging ich ihr aus dem Weg und dann kamen die Sommerferien. Wir fuhren in diesem Jahr endlich wieder einmal in Urlaub.  
Drei Wochen Mann und Kinder, da blieb mir nicht viel Zeit zum Denken. Nach unserer Rückkehr rief ich gleich bei Laura an und erzählte das Wichtigste aus dem Urlaub. Am liebsten hätte ich sie sofort zu uns eingeladen.
 
*******
 
Mit der Zeit meldete sich Laura seltener.  
Immer wieder fragte ich mich, was die Freundin wohl jetzt gerade machte. Ich widerstand dem Drang, sofort bei ihr anzurufen oder zu schreiben.
 
Es war Ende September und mein Mann auf Dienstreise, als es eines Mittags an meiner Haustür klingelte.
Draußen stand Laura mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen.
„Grüß dich, Karin, lässt du mich herein? Es gibt eine tolle Neuigkeit, und du sollst sie als Erste erfahren.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Ich glaube, dass ich endlich den Mann meines Lebens gefunden habe!“
Ich hatte Laura wortlos den Weg ins Wohnzimmer freigegeben. Nun standen wir uns gegenüber und ich war immer noch unfähig, einen Ton heraus zu bekommen. Sie sah mich ernst an.
„Jetzt ist aber Schluss, Karin, was um Himmels willen ist bloß mit dir los?“ Lauras Augen schienen zu funkeln. „Ich rühre mich nicht von der Stelle, bis du mir gesagt hast, was Sache ist, und versuch gar nicht erst, mich wieder abzuwimmeln. Ich dachte einmal, wir seien Freundinnen.“
„Das sind wir doch auch, aber…“
„Aber…. Ich will jetzt die Wahrheit wissen!“ Laura blieb hart.
Wenn ich ihr die erzähle, dachte ich, dann geht sie und kommt niemals wieder ...
 
**********
 
Aber Laura war nicht gegangen, sondern hatte sich angehört, was ich ihr erzählte.
„Ach, weißt du, Karin, Gefühle kann man schlecht steuern, und schämen darf man sich dafür schon gar nicht. Abnormal bist du bestimmt nicht. Ich würde eher sagen, du bist emotional veranlagt. Es muss dir nicht peinlich sein, so zu empfinden, und du bist für mich schließlich auch ein besonderer Mensch!“
 
Meine Erleichterung konnte ich gar nicht in Worte fassen.
Einige Tage später, als Stefan wieder zu Hause war, lud Laura uns zu einem Besuch ein. „Ich will euch doch endlich meinen Schatz vorstellen!“
 
Über die Tatsache, dass meine Freundin jetzt so glücklich war und auch nicht mehr allein, freute ich mich von Herzen.
 
Der Mut, zu meinen Gefühlen zu stehen war der einzige Weg gewesen, wieder zu mir selbst zu finden.
                                
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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