Reinhard Taubitz

Nicht so !

....als er nach draussen kam, fröstelte ihn. Nicht wegen der Temperatur. Sein Innerstes fröstelte. Der Katzenjammer sprang ihn an wie eine Furie, beinahe überwältigend.

Obwohl, so sicher war er sich gar nicht. Vielleicht hatte diese Furie namens Katzenjammer und Selbstmitleid ihn schon längst überwältigt.

Vielleicht war er deshalb ausser stande auszubrechen, es wieder zu ändern, zurück zu finden in das Leben. Vielleicht.

"Egal, egal, egal, ich will doch nur Liebe", dachte er. Aber hier war nur kurzes Vergessen, Liebe gab es hier keine, nur Katzenjammer, hinterher.

"Eine die weiss das ich sie liebe, eine die weiss das ich sie genau deshalb brauche. Eine, die mich aus demselben Grund braucht, weil sie mich liebt."

Ja der Katzenjammer überwältigte ihn mit seiner ganzen erdrückenden sentimentalen Macht.

Erneut liess ihn ein Frösteln erschauern und zwang ihn sich von der Wand abzudrücken und zu fliehen, zurück ihn seine Wohnung, zurück in die Einsamkeit.

Eigentlich sollte genau diese Wohnung diesmal ganz anders sein. Und die Vorzeichen unter denen er sie gesucht, gestrichen und eingerichtet hatte, waren auch ganz andere gewesen. Trotziges Befreien.

Wenn er an dieses Ostern zurück dachte, wurde ihm wieder klar wie viele Jahre er verschenkt hatte. 10 Wochen lang hatte sie ihn zum Narren gehalten. 10 Wochen war sie mit beiden ins Bett gehüpft. Zuerst hatte es ihn fast zerrissen. Wahnsinnig vor Eifersucht hatte er einen Fehler nach dem anderen gemacht und sich selbst beim Narrenspiel noch getoppt. Dann war ihm langsam klar geworden, das es wohl eher verletzte Eitelkeit war.

Und ,Gott sei Dank, fand er diese Wohnung und ,Gott sei Dank, war der folgende Sommer seines Namens würdig. Es war eine herrliche Zeit geworden. Ein Buch lesend im Cafè sitzend, das Leben betrachten und ein Teil davon sein. Ja, es war ihm gelungen, tatsächlich gelungen. Und sein anfänglich krampfiges Suchen nach einer neuen Partnerschaft hatte sich verflüchtigt, war einer neuen entspannten Offenheit gewichen. Man hatte ihn wahr genommen. und das tat gut. Und das Wahrgenommenwerden brachte neues Selbstwertgefühl. Er fing damals an sich auch selbst wieder wahrzunehmen. Und er hatte es nicht getan, nicht einmal, er hatte wiederstanden. Stattdessen war er ins Cafè gegangen, hatte viel gelesen, ging Samstags aus, tanzte viel und ging entspannt allein heim. Heim, in seine Wohnung, hell warm, gemütlich. Seine Ausstrahlung wurde wahr genommen. Nette Blicke, ein Pläuschchen, Samstags begehrter Tanzpartner, mit engstem Körperkontakt. Zu mehr konnte es nicht kommen, denn er war noch nicht bereit dazu. Sex war ihm zu wenig, er wollte mehr und es war ihm klar geworden, das mehr nur unerwartet kommen konnte, fast so nebenbei. Erzwingen ging auf keinen Fall.

Er lächelte und das Frösteln aus den Tiefen seiner Seele wurde wieder nach innen gedrängt. Die Erinnerung daran, wie sie sich begegneten, war schon ein Lächeln wert.

Er saß im "Celona". Draussen, am Aussenrand der Mitteltische, die Beine in der Sonne, den Kopf unter dem Schatten des Schirms. Einen Sonnenbrand auf dem kahl geschorenen Kopf wollte er nun wirklich nicht. Er hatte ein neues Buch gekauft und las es, während er Wein trank, weiss und fruchtig. Ganz unbemerkt hatte sie sich an den Tisch neben seinem gesetzt, und erst als er in einer Lesepause den Blick hob, nahm er sie wahr. Lockiges blondes Haar, zu einem Zopf, der durch mehrere Haargummis gebändigt wurde, straff nach hinten gekämmt, schmale beinahe griechisch aristokratische Gesichtszüge, asymetrisch und dennoch harmonisch, auch die zeitlos moderne fassungslose Brille trübte dies nicht. Er lächelte unwillkürlich und sie sah genau hinein in dieses Lächeln. Trotz eines Versuchs es zu kontrollieren, musste auch sie lächeln. Ebenmäßige Zähne entblösste dies Lächeln und zauberte etwas in ihr Gesicht, das ihn fesselte. Sie bestellte Latte. Zeit sich etwas zu überlegen. Irgendwie musste ihm etwas nettes einfallen, um den Kontakt herzustellen. Aber erstmal abwarten, vielleicht kommt ja noch jemand. Es kam niemand, ausser der Kellner mit dem Latte Macchiato. Sie hatte sich in die Sonne gedreht und ihm so halb den Rücken zu gewandt. Er konnte sie beobachten ,ohne das sie das Gefühl haben musste, er starre sie an.

Spontan erhob er sich, gingt an ihren Tisch, beugte sich leicht über und sagte: "Entschuldigung könnten sie kurz ein Auge auf meine Sachen haben." Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Wohl noch etwas überrascht, stimmte sie zu, während er schon auf dem Weg ins Cafè war und sie mit seinen Einkäufen, der Oakley Sonnenbrille und seinem Buch allein ließ. Nach einem langen Abstecher zur Toilette, ging er wieder zurück an seinen Tisch und bedankte sich im vorbei gehen. Noch an ihrem Latte Macchiato schlürfend, schaffte sie es ihm ein Lächeln und ein Nicken zu schenken, das sich in seinen Kopf einbrannte wie ein Motiv in eine Fotoplatte.

Die Gefühle, die er für sie noch immer empfand, durchzuckten ihn bei dieser Erinnerung wie ein Stromschlag.
Sandra - ihr Name kreiste durch seinen Kopf,hinderte jeden anderen Gedanken und brachte erneut ein Lächeln in sein Gesicht.

Kaum das er saß und seinen "wie geht´s nun weiter"- Gedanken spinnen konnte, setze sich ein gut aussehender Dreissiger an ihren Tisch. Beide begrüssten sich freundlich vertraut, wenn auch nicht überschwenglich. Aber das Auftauchen des Dreissigers ernüchterte ihn und er zwang sich zurück in sein Buch.

Lesend und dennoch wachsam beobachtete er, wie sie sich nach kaum zwanzig Minuten wieder trennten. Der Dreissiger erhob sich, verabschiedete sich mit einem Wangenkuss und verschwand.

Beide verlangten bei nächster Gelegenheit nach der Rechnung, zahlten, schmunzelten sich zu und gingen, jeder für sich. Sie in Richtung Dom, er in einer Parallelstrasse "fast" in Richtung Dom. Immer noch grübelnd, wie er die beiden zu einander positionieren sollte, bummelte er an den Auslagen der Geschäfte vorbei, jedoch mit einer Richtung gebenden Zielstrebigkeit in Richtung Dom. Und es gelang . Vor dem Herrenaustatter an dem sich beide Strassen wieder trafen, liefen sie sich wie zufällig erneut über den Weg. Wieder lächelte sie ihn an, sehr offen und verleitete ihn zum dem lockeren Spruch, sie müsse beim dritten Treffen aber einen ausgeben. Und weg war sie. Dieser gelungene Abschluss des Nachmittags hatte ihn damals in eine Hochstimmung versetzt, denn er war sich sicher, sie in den nächsten Tagen erneut im Cafè zu treffen. Ein prickelndes Gefühl stellte sich bei ihm ein und hätte ihn warnen müssen.

Aber damals war er in Euphorie und alle Alarmglocken blieben stumm. Und als der Zufall in der Nacht des selben Tages noch einmal zuschlug schien das Glück perfekt.

Er hätte es besser wissen müssen. Nie passierte es in der dazwischen, immer ganz unten oder ganz oben.

Damals war er wieder auf dem Weg nach oben und konnte es kaum glauben. Und er sah nichts, spürte nichts, wappnete sich nicht.

Langsam schlenderte er, versunken in seine Erinnerungen, zur Busstation. Aber plötzlich drehte er sich um, sah zurück auf die Spielhalle und wurde sich bewusst, das er nicht mehr das Geld für eine Busfahrkarte hatte. Natürlich nicht. Wenn er da raus kam hatte er kein Geld mehr, das war sicher und verlässlich. Kein Geld und kein Glück, keine Liebe, keine Harmonie, keine Zukunft. Nicht so......

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.09.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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