Elisabeth März

Tod eines Hundes

Ich gehe den Gang entlang - mechanisch, meine Gedanken sind wo anders. Ich nehme Blut ab, beurteile die Ergebnisse- mechanisch, meine Gedanken sind wo anders. Röntgenbilder werden angefertigt, Ultraschallergebnisse angehört, Wunden gereinigt, Beine verbunden - mechanisch, denn meine Gedanken sind wo anders. Ich stehe an dem Giftschrank, ziehe die Spritze auf, mechanisch, denn meine Gedanken sind wo anders. Ich gehe zu dem Hund, knie mich nieder zu ihm - und meine Gedanken sind bei ihm. Er, der Sterbende, hebt zum ersten Mal am heutigen Tag den Kopf und sieht mich an. Ein tiefer, klarer Hundeblick. Ich konzentriere mich auf ihn, bin nur für ihn da. Streichle seine Ohren, den Kopf, fahre über den durch Krankheit ausgemergelten Körper. Spreche ihm Trost zu, erzähle von einer anderen Welt. Den kleinen Einstich bemerkt er kaum, das Mittel wirkt schnell. Der todkranke Leib entspannt sich. Ein letzter Atemzug, ein letzter Herzschlag, ein Hundeleben ist beendet.

Ich stehe am Waschbecken, wasche das Blut von meinen Händen. Meine Gedanken sind noch bei dem Hund, seinem Blick, so vertrauend, so verstehend. Der Körper des Toten wird gerade fortgeschafft.

Und dann kreuze ich das Feld auf der Krankenkarte des Hundes ab, so, wie ich alle Aktivitäten bei jedem Patienten abkreuze, die am Tag geplant waren und ausgeführt wurden. Das Feld, vor dem “Euthanasie“ steht.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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