Julia Wehkamp

Nachts auf dem Kinderspielplatz

Und wieder – unser Weg führt uns immer wieder an die gleichen Plätze. Vorbei am See, in dem sich der Mond spiegelt. Vorbei an den alten Bäumen, die so dicht über dem Weg hängen – durch das selbe Nebenfeld, dass hier immer zu lauern scheint. Dann etwas weiter, über die Brücke – zum Kinderspielplatz.
Tagsüber regiert das Schild: Nur für Kinder bis 6 Jahre. Im Dunkeln sitzen wir auf den Schaukeln, auf der Wippe und hängen uns ins Klettergestell. Schaukeln, höher, immer höher hinaus. Dabei Unterhaltungen, Gelächter.
Ein Hund kommt angestreunert. Auch er ist hier am Tage verpönt “haltet diesen Spielplatz rein!“. Doch nun schaut er nur erstaunt was wir hier suchen, markiert die Rutsche wie jeden Abend, und trollt sich wieder.
Wir klettern inzwischen im Klettergestell. Wir hängen Erinnerungen unserer Kindheit nach – doch wir sind nicht mehr Kinder. Nie wieder würden wir uns in den Sandkasten setzen, in dem vorhin eine Katze diskret ihr Geschäft vergraben hat. Wir sind ganz oben im Kletterturm angekommen und spüren die frische, kalte Nachtluft. Früher bin ich nie so hoch gekommen. Ein wenig weiter unten ist mir schwindelig geworden und ich hatte Angst höher zu steigen.
Ein altes Ehepaar führt ihren Hund spazieren. Als sie uns sehen kehren sie um. Doch wir sind nicht hier um Randale zu machen. Wir kehren zurück zum Erdboden und huschen zu den Schaukeln zurück. Wenig später kommt ein alter Landstreicher des Weges. Er nähert sich dem Spielgelände, sieht uns, zögert. Beäugt uns misstrauisch, schleicht noch eine Weile am Gelände entlang und verschwindet dann wieder. Was hat er gesucht? Eine Hütte zum Schutze vor dem angekündigten Regen? Die gibt es hier nicht. Aber selbst wenn – sie wäre sicherlich längst besetzt von dem ein oder anderen Liebespaar, von denen wir auf dem Wege hierher schon so viele gesehen haben.
Die Schaukeln hängen zu tief – oder wir sind zu groß geworden. Wir drehen noch eine Runde oder zwei auf dem Miniatur-Karrussel, dann laufen wir duch den Nieselregen zurück. Gleich hinter der Hecke, die an den Spielplatz grenzt, stehen einige rauchenden Jugendliche. Offensichtich haben sie gewartet bis wir endlich ihr Revier verlassen. Sie belagern sogleich die verschiedenen Sitzgelegenheiten auf dem Platz.
Sie rufen uns noch ein paar böse Worte hinterher, doch wir verschwinden lachend in Richtung der Brücke.
An dem alten Friedhof vorbei geht es zurück. Wir reden, wir lachen, wie immer. Aber doch , der Besuch des Kinderspielplatzes gehört dazu. Das frei sein, wieder Kind sein ... keiner von uns war als Kind je hier. Unsere Spielplätze liegen meilenweit entfernt. Es ist nicht die Erinnerung, die uns hierher treibt, immer wenn wir hier in der Gegend sind. Und doch, einmal im Jahr sind wir hier – oder irgendwo anderst in der Welt, und vertreiben uns einige nächtlche Stunden auf einem Spielplatz – schaukelnd.

Naja, eigentlich könnte es ja auch fast als Gedicht laufen... Aber Zwischenkategorien gibt es ja nicht.
Mein Kommentar steht eigentlich schon am Ende der Geschichte: "Aber doch , der Besuch des Kinderspielplatzes gehört dazu. Das frei sein, wieder Kind sein ... keiner von uns war als Kind je hier. Unsere Spielplätze liegen meilenweit entfernt. Es ist nicht die Erinnerung, die uns hierher treibt, immer wenn wir hier in der Gegend sind. Und doch, einmal im Jahr sind wir hier – oder irgendwo anderst in der Welt, und vertreiben uns einige nächtlche Stunden auf einem Spielplatz – schaukelnd."

Julia Wehkamp, Anmerkung zur Geschichte

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