Jörg Öhler

Veränderung

Manchmal braucht es einen gewaltigen Schock, so etwas wie einen Unfall, einen Überfall oder
sonst eine Art von Nahtoterfahrung, um einen Menschen zu ändern. Meistens müssen wir in
unseren Grundfesten erschüttert werden, um aus unserer Haut zu fahren und etwas komplett anderes
aus unserem Leben zu machen.
Der Moment in dem Ralf beschloss sein Leben zu ändern hatte nicht einmal annähernd etwas so
dramatisches an sich, als dass jemand hätte nachvollziehen können, warum er sich gerade jetzt dazu
entschloss. Deshalb kam die Entscheidung, sein Leben komplett auf den Kopf zu stellen sogar für
ihn selbst etwas überraschend.
Es geschah nach dem 3. Schluck von seinem 2.Bier an einem Dienstagabend, den er einmal mehr in
seiner Stammkneipe verbrachte. Zuerst erschrak er darüber, was er gerade dachte. Doch dann fiel
ihm auf, dass diese Gedanken eigentlich gar nicht so neu und überraschend waren. Bisher hatte er
sie einfach nur nicht zu Ende gedacht.
Er wusste nicht mehr genau wann er begonnen hatte sie zu denken, aber es musste wohl irgendwann
vor einem halben Jahr gewesen sein als ihm anfing zu dämmern, dass er mit offenen Augen und
schnellen Schrittes in eine Sackgasse rannte, deren Ende er zwar noch nicht sehen konnte aber von
der er wusste, dass sie ihn außer gegen eine Wand aus Stumpfsinn nirgendwo hinführen würde.
Lächelnd griff Ralf nach seinem Glas und nahm noch einen Schluck. „Willst du noch was?“, fragte
Babsi, die heute wieder hinter dem Tresen stand an dem er alleine saß. „Ne, danke, hab noch.“
Geistesabwesend schüttelte er den Kopf, als ob er die Gedanken einfach so wie ein lästiges Insekt
abschütteln könnte. Doch dieses Mal war das nicht möglich. Er hatte einen Schritt weiter gedacht
als sonst und konnte jetzt einfach nicht mehr zurück.
Aus seinem Lächeln wurde ein breites Grinsen. Jetzt, da er aufgehört hatte sich darüber zu wundern
was er dachte, begann er, sich damit auseinander zusetzen. Und es gefiel ihm was ihm da durch den
Kopf ging, den nicht nur er regelmäßig als den größten Dickschädel diesseits des Äquators
bezeichnete.
Immer noch grinsend leerte er sein Glas und schaute dabei auf seinen Arm, wo sich eine Gänsehaut
gebildet hatte. Das passierte immer wenn er sich in seinen Gedanken verlor. Doch an diesem
Dienstagabend kam noch etwas anderes dazu. Es war nicht direkt Angst, aber es ging doch in diese
Richtung. Was er vor hatte, war bei 210 die Handbremse zu ziehen und einen U-Turn zu fahren.
„Beser, als die Karre mit Vollgas gegen die Wand zu setzen“, murmelte er vor sich hin.
„Ralf, alles klar bei dir?“ Leicht erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich zu Babsi um, die
sich unbemerkt hinter ihn gestellt hatte. „Ob du's glaubst oder nicht, aber besser ging's mir schon 'ne
ganze Weile nicht mehr.“ „Freut mich zu hören. Du hast in letzter Zeit schon ganz schön down
gewirkt. Möchtest du noch was?“ „Ne, danke, was ich jetzt gerade brauche ist 'ne Nase voll
Sauerstoff und deutlich mehr Platz für meine Gedanken. Man sieht sich nächsten Dienstag.“
Ralf stand auf, umarmte die leicht verdutzt dreinschauende Babsi zum Abschied und lief – immer
noch grinsend – nach Hause.
Manchmal braucht es einen gewaltigen Schock um ein Leben zu verändern. Aber ab und zu
verändert sich ein Leben auch zwischen dem 3. und 4. Schluck Bier an einem Dienstagabend in
einer heruntergekommenen Dorfkneipe.
Egal wie, danach ist das Leben jedenfalls nicht mehr wie zuvor.
Auch nicht für Ralf, der seit dem zwar immer mal wieder in seiner Stammkneipe war.
Aber nie mehr Dienstags.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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