Sandra Nawrotzki

Licht und Finsternis Kap. 1


Prolog
 

 

 
Sie nannten mich Todesengel, Dämon der Finsternis und später sogar Nachfolger Lucifers. Titel, die Angst und Schrecken verbreiteten…und sie waren alle wahr. Das alles war wirklich ich. Das alles war meine Geschichte, Fluch und Segen zugleich. Blut kennzeichnete meinen Weg, Hass kennzeichnete mein Herz und Finsternis meine Seele. Meine Gefühle waren vereist, versteinert und ausgelöscht. Es gab nichts, was mir wirklich etwas bedeutete…nichts, bis auf eines…doch diesen Teil meiner Geschichte kennt so gut wie niemand, er passt einfach nicht ins Bild. Wer hätte schon gedacht, dass selbst in einer Seele, die nur aus Finsternis zu bestehen scheint, ein Licht scheint? Wer hätte ahnen können, dass ein Dämon wie ich dazu fähig sein könnte zu fühlen?
 
Die Antwort lautet: Niemand.
 
Nicht einmal ich selbst wusste davon. Nicht einmal ich selbst hielt es für möglich auch nur irgendein positives Gefühl spüren zu können. Es schien absurd, völlig abwegig. Ich, der wohl grausamste Dämon meiner Zeit sollte Gefühle wie Gnade, Demut, Freude und sogar Liebe kennen? Ich hielt es für unmöglich.
 
Dabei war es auf der anderen Seite doch so logisch…
 
Dort, wo Schatten sind, ist auch Licht. So heißt es doch immer…und es ist wahr.
 
Ich selbst war ein Schatten…jahrelang…und jahrelang tat ich nichts anderes als zu töten und zu zerstören.
 
Doch was ist die Nacht ohne den Tag? Was sind die Schatten ohne ein Licht? Was bringt es zu leben, wenn das Herz nicht wirklich schlägt und wie kann man einfach nur alles und jeden hassen, ohne jemals das Gefühl der wahren Liebe erlebt zu haben?
 
Über Fragen wie diese habe ich damals nie wirklich nachgedacht…bis das Licht selbst eines Tages in mein Leben trat. Es veränderte sich alles, als ich ihr begegnete.
 
Dies ist meine Geschichte…meine ganze Geschichte. Eine Geschichte, die nicht nur aus Finsternis besteht, sondern auch aus Licht. Es ist die Geschichte eines Dämons, der lernte zu fühlen, zu vergeben und zu lieben. Denn ich war nicht nur der Todesengel, den alle in mir sahen…nein, auch in mir schlug ein Herz, das sich nach Wärme sehnte…und nach Liebe…
 

 

 

 
                                               Kapitel 1
 

 

 
Es war spät am Nachmittag, als Tihrak die Hafenstadt Dilez verlies. Die Temperaturen waren im Laufe des Tages so stark angestiegen, dass ihm die Kleidung nun regelrecht am Körper klebte. Er hatte den Frühling und den darauf folgenden Sommer noch nie gemocht, wie es fast alle Dämonen taten und Tage wie diese verstärkten seine Meinung nur.
„Verdammte Hitze…“, flüsterte er.
Tihraks Blick schweifte über die Umgebung von Dilez. Im Westen konnte er lediglich weite, grüne Felder erkennen, aus denen gelegentlich einzelne Bäume oder Sträucher heraus stachen und irgendwo in der Ferne waren Umrisse von Bergen auszumachen. Rechts von ihm, im Osten, erstreckte sich das Meer, dessen flache, blaue Oberfläche sich am Horizont mit dem Himmel zu vereinen schien. Nur anhand der feinen, dunkelblauen Linie konnte man erkennen, dass Ozean und Firmament in Wirklichkeit noch immer zu weit voneinander entfernt waren, um sich tatsächlich berühren zu können.
An der Küste, an dessen Rand auch die Stadt errichtet war, standen mehrere Fischerhütten und ein paar Boote lagen an dem kleinen Hafen. Tihrak konnte es zwar nicht genau erkennen, doch sehr wahrscheinlich hielt sich dort grade keine einzige Person auf. Er war nur zwei Tage lang in Dilez gewesen und hatte schon begriffen, dass sich das Leben der meisten Bewohner hauptsächlich in den Kneipen der Kleinstadt abspielte.
Er seufzte. Eigentlich hatte er sich mehr von dieser Stadt versprochen, doch er hätte ahnen können, dass ihm in einer Stadt, in der ausnahmslos nur Menschen lebten, niemand etwas Brauchbares würde erzählen können. Es hatte ihn ja noch nicht einmal irgendwer erkannt! Die Menschen hatten sein dämonisches Blut einfach nicht bemerkt und daher auch keine Bedrohung in ihm gesehen…dabei hatte Tihrak sie nur am Leben gelassen, weil seine Kräfte von vorherigen Kämpfen und der drückenden Hitze zu angeschlagen gewesen waren. Auch, wenn es normalerweise nicht seine Art war irgendwen, den er nicht mehr brauchte, am Leben zu lassen, hatte er sich dieses Mal dafür entschieden eine Ausnahme zu machen. Es hätte ihm nichts gebracht diese Stadt dem Erdboden gleich zu machen. Das hätte möglicherweise nur weitere Dämonen angelockt und darauf hatte er wirklich verzichten können.
Tihrak hob leicht den Kopf. Er steuerte einen Hügel an, hinter dem sich ein großer Wald erstreckte.
Ihm wurde bewusst, dass er eigentlich schon vor mindestens einer Stunde dort sein sollte, doch die Zeit hatte ihm noch nie viel bedeutet und obwohl er wusste, dass dort oben jemand auf ihn wartete, machte er keine sonderlichen Anstalten sich zu beeilen.
Arent wird schon warten können, dachte Tihrak.
Genau das tat der Feuerdämon wahrscheinlich grade auch: Warten.
Ihm blieb ja auch nichts anderes übrig und Tihrak wusste zudem sehr genau, dass Arent es nie wagen würde ihn deshalb wirklich zu kritisieren, geschweige denn zu provozieren. Denn auch, wenn die beiden zurzeit so etwas wie ’Partner’ waren, waren Tihraks Handlungen völlig unberechenbar und vor allem eines: Gefährlich – für Menschen, wie auch für Dämonen.
Er und Arent verfolgten zurzeit zwar dasselbe Ziel, doch Tihrak war von Anfang an klar gewesen, dass er nicht leichtsinnig werden durfte. Einem anderen Dämon vollständig zu vertrauen war meistens ein schwerer Fehler und es konnte leicht passieren, dass man in eine Falle tappte und ausgetrickst wurde. Aus diesem Grunde hatte er schon früh gelernt niemandem blind zu vertrauen. Eine Einsicht, die manchen Dämonen erst viel später und teilweise auch viel zu spät kam.
Umso verwunderlicher war es, dass Tihrak das Leben der Dämonen schon jetzt so gut zu verstehen schien, denn er war keineswegs alt – weder für Dämonen, die mehrere hundert Jahre alt werden konnten, noch für die relativ kurzlebigen Menschen.
Er hatte vielmehr ein recht jugendliches Aussehen, von etwa zwanzig Jahren, einen aufrechten Gang, der es ihm erlaubte auf die meisten Wesen herab zu schauen und einen eiskalten Blick, den selbst die eigentlich warme, dunkelrote Farbe seiner Augen nicht aufzuwärmen vermochte.
Genau wie seine gesamte Kleidung waren auch seine etwa schulterlangen Haare nachtschwarz, wobei der lange Mantel, den er selbst bei einem Wetter wie diesem nicht ablegen wollte, sehr mitgenommen aussah und an einigen Stellen schon fast völlig zerfetzt war. Dennoch war genau dieser Mantel für ihn so etwas wie eine Erinnerung, die weit in der Vergangenheit lag und die zum Teil schmerzlich, zum Teil aber auch heilsam war…
Mittlerweile hatte Tihrak den kleinen Hügel erreicht, von dem aus man einen guten Blick auf Dilez hatte. Die Stadt war wirklich nicht grade groß und viele der Gebäude hatten schon fast etwas Ruinenhaftes an sich. Es war einfach eine typische Stadt der Menschen und damit etwas, für das Tihrak noch nie viel übrig gehabt hatte.
Er verabscheute die Menschen, wie es so ziemlich jeder Dämon tat. Allerdings musste Tihrak sich auch eingestehen, dass er so gut wie jeden verabscheute. Ob nun Mensch, Elf, Dämon oder sonst irgendein Wesen, er sah in keinem einen Verbündeten und erst recht keinen Freund. Er brauchte niemanden und war von niemandem abhängig, denn nur so würde er auch von niemandem verraten werden können. Zumindest war das die Meinung, die er schon fast sein ganzes Leben lang vertrat. Auch den Feuerdämon, der im Moment noch sein Weggefährte war, würde er irgendwann nicht mehr brauchen, dessen war er sich bewusst…
Tihrak hatte in der Zwischenzeit den Wald betreten. Die Vielzahl der Bäume und Sträucher hätte einem Elfenwald sicherlich alle Ehre gemacht, doch Elfen lebten hier sicherlich nicht. Ihre Magie und künstlerische Gestaltung der Natur war einfach nirgendwo zu spüren oder zu sehen und außerdem lebten zu viele Menschen in der Nähe. Nein, den Elfen würde man hier sehr wahrscheinlich nicht begegnen und Tihrak war auch nicht grade traurig darum.
„Arent! Ich weiß, dass du hier bist, also zeig dich“, rief er in die Tiefe des Waldes hinein. Dabei hallte seine Stimme mehrfach wider, bis sie sich schließlich im Rauschen der Blätter verlor. Erst dann antwortete ihm jemand.
„Ja, natürlich weißt du, dass ich hier bin! Du bist ja auch viel zu spät, Tihrak!“, erklang eine männliche Stimme direkt über ihm.
Tihrak brauchte nicht nach oben zu schauen, um sich zu vergewissern, wer sich in den Baumkronen aufhielt, denn die Antwort darauf kannte er selber ganz genau. Im Grunde genommen hatte er ja auch schon angenommen, dass Arent auf irgendeinem Baum sitzen würde, von dem aus er die Umgebung beobachten konnte. Und seine Annahme hatte sich nun als wahr erwiesen.
„Es gibt auf dieser ganzen Welt fast keinen Dämon der pünktlich ist, das wirst du nie erleben, also mach nicht so einen Aufstand. Ob ich nun eine Stunde früher oder später hier bin macht keinen Unterschied.“, sagte Tihrak, den Blick noch immer geradeaus gerichtet.
„Eine Stunde?“, konnte er Arent daraufhin, leicht gereizt fragen hören.
Dann vernahm er ein zischendes Geräusch, als etwas Großes, Schweres durch die Luft segelte. Nur einen Augenblick später stand Arent ihm dann direkt gegenüber.
Er trug schwarze, abgelaufene Schuhe und eine ebenfalls schwarze Hose. Im Gegensatz zu Tihrak allerdings hatte er auf einen Mantel verzichtet und trug stattdessen nur ein kastanienfarbenes, ärmelloses shirt, welches sicherlich schon bessere Jahre gesehen hatte.
Das Einzige, was die beiden äußerlich wirklich gemeinsam hatten, war – neben der fast identischen Größe - die Augenfarbe, wobei die dunkelrote Farbe bei Arent eine wesentlich wärmere Wirkung hatte, als bei Tihrak. Möglicherweise lag das aber auch daran, dass Arents gesamte Gesichtszüge wärmer, freundlicher wirkten, als bei den meisten Dämonen.
Seine Haare waren um einiges länger, als die von Tihrak und etwa von derselben Farbe wie seine Augen. Dabei hatten sie stets die seltsame Wirkung, als würden sie von innen heraus leuchten und schienen so viel heller zu sein, als sie es eigentlich waren. Obwohl ihm seine Haare jedoch bis weit über den Rücken reichten, hatte Arent sie nicht mit einem Band zusammen gebunden oder sonst irgendwie ’verknotet’, wie es die Menschen und vor allem die Elfen gerne taten. Wie fast immer fielen sie ihm einfach nur offen über die Schultern und gaben ihm so ein relativ lässiges und junges Aussehen. Wie alt genau er war, konnte außer ihm selbst aber wahrscheinlich niemand genau sagen, denn die äußeren Veränderungen der meisten Dämonen hielten der Zeit lange stand. Ungefähr bis zum vierundzwanzigsten oder fünfundzwanzigsten Lebensjahr konnte man ihr Wachstum etwa mit dem der Menschen vergleichen, wobei ein Dämon wesentlich schneller das jugendliche Alter erreichte. Danach jedoch schien die Zeit für die Dämonen fast stillzustehen oder nur noch sehr langsam zu vergehen. Erst nach mehreren hundert Jahren konnte man einem Dämon erst wirklich ansehen, wie alt er war. So konnte also ein Dämon, der schon hundert Jahre alt war äußerlich noch wie fünfundzwanzig aussehen.
Es war für Tihrak also auch fast unmöglich Arents Alter richtig abzuschätzen, aber er glaubte nicht, dass er viel älter als er selbst sein konnte. Es war mehr ein Gefühl in ihm als eine Gewissheit, doch Tihrak traute diesem Gefühl und nahm im Stillen einfach an, dass Arent nicht älter als dreißig sein konnte.
„Eine Stunde?“, wiederholte nun Arent, der Feuerdämon, noch einmal und diesmal war die Ironie in seinen Worten nicht zu überhören.
„Wenn es nur eine Stunde gewesen wäre, wär ja auch alles in Ordnung, aber ich warte hier jetzt schon seit mindestens drei geschlagenen Stunden und Geduld ist beim besten Willen nicht grade meine Stärke! Eine Stunde hätte ich locker warten können, klar, aber das hier…du weißt nicht, wie langweilig ein Wald werden kann.“, sagte er und seufzte daraufhin.
Drei Stunden? So lang war es Tihrak gar nicht vorgekommen…ein weiterer Beweis dafür, wie unwichtig ihm die Zeit doch war.
„Ich hoffe du hast wenigstens irgendwas in Erfahrung bringen können, denn das Einzige, was jetzt schlimmer wäre als drei Stunden Langeweile wären sinnlose drei Stunden Langeweile.“, sagte Arent.
„Nein“, antwortete Tihrak mit seiner gewohnt kalten Stimme, die nicht nur den Menschen oft unheimlich erschien.
„Die Menschen in Dilez wussten rein gar nichts über die ’Kristallblume’. Wundern tut mich das allerdings nicht. Es hätte mich viel mehr gewundert, wenn uns dort auch nur irgendein Mensch wirklich einen brauchbaren Hinweis gegeben hätte.“
„Oh man!“, stöhnte Arent auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Er ließ sich auf den weichen Waldboden fallen und atmete tief durch.
„Und weshalb warst du dann so lange dort? Groß war diese Stadt doch wirklich nicht…und außerdem frag ich mich, weshalb du sie so…’ruhig’ verlassen hast? Du trägst doch den Titel Todesengel, oder nicht? Hättest du diese Stadt nicht dann dem Erdboden gleich machen müssen?“ fragte er.
Auf Tihraks Gesicht war keinerlei Regung auszumachen. Er drehte sich weg und entfernte sich ein paar Schritte von Arent.
„Ich war nicht in der Stimmung…diese Menschen wären zu schnell gestorben und außerdem war es zu warm, um weitere Energie zu verschwenden…“, sagte er dann, ohne Arent anzuschauen.
„Heh, zu warm sagst du? Nun, vielleicht liegt das daran, dass du sogar bei einem so verdammt warmen Wetter wie heute diesen Mantel trägst. Ist nicht grade schlau, wenn du mich fragst…“.
„Ich frage dich aber nicht!“, fuhr Tihrak daraufhin Arent an und konnte kaum verhindern, dass seine Stimme dabei schärfer klang als zuvor.
Wenn Arent auch nur einen Funken Verstand in sich trug, hätte er jetzt begreifen müssen, dass er sich aus Tihraks Angelegenheiten besser raushalten sollte. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn sich irgendwer in sein Leben oder sein Handeln einmischte und das galt auch für Arent…
„Schon gut, schon gut, ist ja deine Sache. Ich sag ja bloß, dass es nicht so vorteilhaft ist bei solchen Temperaturen einen Mantel zu tragen, noch dazu einen schwarzen…aber naja, wir sollten uns besser überlegen, wo wir jetzt weiter suchen. Der Osten hat uns, was die Kristallblume angeht ja nicht viel Glück gebracht…“.
„Hm…“, machte Tihrak daraufhin nur.
Was das anging hatte Arent tatsächlich Recht. Die knappen zwei Wochen, die die beiden nun schon so etwas wie Partner waren, hatten sie ausschließlich mit der Suche nach der Kristallblume verbracht. Dabei wusste keiner von ihnen, nach was genau sie wirklich suchten. Die Kristallblume war nämlich, entgegen ihres Namens, keineswegs eine Blume. Genau genommen konnte sie alles sein. Ob nun ein toter, wertlos aussehender Gegenstand, eine unauffällige Pflanze oder auch ein umherziehendes Lebewesen, das sich diesen Namen irgendwann zu Eigen gemacht hatte…all das konnte sie theoretisch sein. Es war so gut wie nichts über ihr Aussehen oder ihren momentanen Standort bekannt. Das Einzige, was so ziemlich jedes Wesen über sie wusste war, dass sie absolut jedem einen Wunsch erfüllte. Wieso sie dies tat konnte niemand erklären, aber Tatsache war nun einmal, dass sie es tat und es hieß, dass sie sogar die Macht dazu hatte, Tote ins Leben zurück zu rufen und möglicherweise hatte sie auch die Macht dazu einen starken Fluch komplett zu heilen…
Bei diesen Gedanken berührte Tihrak fast automatisch seinen rechten Arm. Er konnte sie jetzt zwar weder sehen, noch fühlen, doch er wusste, dass sie da waren, unter dem Stoff seines Ärmels…diese schwarzen Linien und Muster, die sich von seinem rechten Unterarm bis hin zur Schulter durchzogen. Dieser Fluch, den er schon seit seiner Geburt ertragen musste, der Fluch der Finsternis.
Tihrak ballte seine rechte Hand zur Faust und spürte augenblicklich die Wut in sich aufkommen.
Dieser verdammte Fluch, der ihm immer und immer wieder die Kontrolle über sich selbst nahm und ihn jeden Tag tiefer in die Finsternis zog…
Tihrak würde diese Kristallblume finden und es war ihm dabei völlig egal was er dafür tun musste. Er würde sie finden und sich dann endlich von diesem Fluch befreien, der anscheinend durch nichts anderes geheilt werden konnte.
Er war fest entschlossen und akzeptierte dabei sogar zum ersten Mal in seinem Leben die Hilfe eines Feuerdämons, der ihm vor einigen Tagen noch völlig fremd gewesen war und dessen Beweggründe er nicht im Geringsten erahnen konnte.
Tihrak warf Arent einen kurzen, misstrauischen Blick zu. Weshalb suchte dieser Dämon nur nach der Kristallblume? Er musste einen Grund haben, wahrscheinlich sogar einen sehr wichtigen und möglicherweise würde Tihrak diesen irgendwann auch erfahren, genauso wie Arent vielleicht eines Tages auch seinen Grund erfahren würde…
„Vielleicht sollten wir weiter nach Norden gehen. Gerüchte sollen sich dort schneller verbreiten als hier und außerdem gefällt mir das Wetter dort wesentlich besser.“, unterbrach Tihrak dann die Stille.
Arent nickte daraufhin Gedankenversunken.
„Ja…ja, keine schlechte Idee.“, sagte er und erhob sich wieder.
„Okay, wir sollten nicht unnötig Zeit verlieren. Dieser Wald hier ist quasi wie eine Grenze zwischen Norden und Süden, das heißt, wenn wir ihn durchquert haben, müssten wir theoretisch schon ziemlich weit im Norden sein und können unsere Suche fortsetzen. Das wird zwar ein paar Tage dauern, aber ein schnellerer Weg fällt mir grade nicht ein.“
Arent schloss für einen kurzen Moment die Augen und atmete erneut tief durch.
„Na dann mal los.“, sagte er.
Tihrak nickte kaum merklich und wollte sich grade ebenfalls zum Gehen wenden, als ihn das plötzliche Geräusch von Schritten erstarren ließ. Die eigentlich sehr leisen, durch den Waldboden abgedämpften Geräusche wirkten wie ein Alarmruf in Tihraks Ohren. Er brauchte kaum länger als einen Herzschlag, um herauszufinden, aus welcher Richtung diese Schritte stammten und ebenso schnell rief er mithilfe seines Geistes  sein Schwert herbei. Wie aus dem Nichts formte sich die rabenschwarze, große Klinge, deren Griff sich sofort in seine Hand legte. Die ungewöhnliche, auf der anderen Seite aber auch seltsam schöne Waffe war ein Dämonenschwert, ein Schwert, das sich seinen Besitzer quasi selber aussuchte. Bei Tihrak jedoch, war diese Klinge auch Teil seines Fluches. Zum Fluch der Finsternis gehörte eben auch das Schwert der Finsternis, eine Waffe, die eine unglaubliche Stärke besaß, aber auch umso schwerer zu kontrollieren war und deren Besitzer leideten, so wie auch Tihrak es tat…
Doch darüber machte er sich nun keine Gedanken. Unglaublich schnell  sprang er ein paar Meter nach rechts und stand dann einem Fremden gegenüber, der sofort wie erstarrt stehen blieb, als er registrierte, dass eine Schwertspitze plötzlich direkt vor seiner Stirn schwebte.
Tihrak identifiziert den Fremden sofort als einen Dämon, auch, wenn er äußerlich sehr menschlich aussah. Selbst die eigentlich rote Augenfarbe der Dämonen war bei ihm eher einem braunen Farbton gewichen, der sich seiner ebenfalls braunen, kurzen Haare anzupassen schien. Trotzdem war sich Tihrak sicher, dass er einem Dämon und keinem Menschen gegenüber stand, denn wie jeder Dämon konnte auch er seine so genannten ’Artgenossen’ anhand ihrer Aura und Seele erkennen. Das Alter war auch bei ihm nur schwer zu schätzen, aber sehr alt konnte auch dieser Dämon nicht sein.
„Woah, Tihrak! So was nenn ich mal schnelle Reflexe…“, sagte Arent, der nun ein paar Meter hinter Tihrak stand.
Dieser ignorierte den Feuerdämon nun jedoch und konzentrierte sich vorerst auf den ungebetenen Gast.
„Wer bist du und was suchst du hier?“, fragte Tihrak eiskalt.
Dabei richtete er seinen  Blick direkt auf die Augen des Fremden, einzig und allein aus dem Grund, weil er wusste, welch beängstigende und einschüchternde Wirkung sein Blick haben konnte…
„I…Ich heiße L…Loki. Ich bin kein Feind…wirklich nicht!“, stotterte der fremde Dämon und riss wie zur Bestätigung seiner Meinung die Arme hoch.
Loki…dieser Name brachte Tihrak so gut wie nichts. Unter den Dämonen gab es viele, die diesen Namen trugen, er war nichts Besonderes.
„Warum bist du hier?“, fragte Tihrak erneut und hielt Loki dabei mit seinem Blick gefangen.
„Ich ehm…wegen dir Tihrak, Dämon der Finsternis…ich wurde geschickt, um dich zu finden.“, sagte Loki und schien dabei seine Stimme langsam wieder unter Kontrolle zu bekommen.
„Geschickt?!“, fragte Tihrak leicht überrascht; „Geschickt, von wem?“
Diente dieser Dämon etwa jemandem?
Es war äußerst selten, dass ein Dämon jemand anderem wirklich diente. Genau genommen kam es sogar so gut wie nie vor. Ein Dämon starb in der Regel lieber, als dass er sich von irgendwem wie ein Sklave behandeln lies. Dieser Dämon jedoch, schien wohl anders darüber zu denken…
„Von meinem Herrn…er will, dass du zu ihm kommst, sofort! Und er hasst es wirklich warten zu müssen, also….bitte, komm einfach mit mir. Ich versichere dir, es wird nichts zu deinem Nachteil geschehen.“, sagte Loki und hatte tatsächlich einen flehenden Ausdruck in den Augen.
„Pff…“, machte Tihrak daraufhin nur und ließ sein Schwert etwas sinken.
„Wesen, die sich selber von anderen als ’Herr’ bezeichnen lassen und sich als etwas Besseres halten…Ich verabscheue sie zutiefst! Seien es nun die Könige der Menschen, die Anführer der Elfen oder diese selbsternannten Oberhäupter der Dämonen: Ich hasse sie alle. Ich habe sie schon immer gehasst und jetzt kommst du hier an und verlangst wirklich von mir, dass ich mich dem Willen eines solchen ’Herrn’ beuge? Das ist lächerlich…und erbärmlich! Jemanden wie dich sollte ich eigentlich auf der Stelle töten! Du, der du dich freiwillig jemandem unterwirfst und dreist genug bist, so mit mir zu reden!“, sagte Tihrak und hob sein Schwert nun direkt an Lokis Kehle.
„N…Nein, warte! Du verstehst nicht! Ich werde nicht von irgend so einem Herrscher geschickt! Das ist ein Missverständnis!“
„Von wem wirst du dann geschickt?“, hakte Tihrak nach.
Er wartete die Antwort ab, auch, wenn er sich innerlich schon darauf einstellte, den Dämon danach zu töten…
„Ich werde geschickt von…also, mein Herr, das ist…das ist Lucifer…“, sagte Loki.
Auf Tihraks Gesicht breitete sich großes Erstaunen aus und auch Arent klappte vor Überraschung der Mund auf.
„Lucifer? Meinst etwa den Lucifer? Den Herrscher der Hölle?  Das wohl grausamste und herzloseste Wesen, das es überhaupt gibt? Ist es der Lucifer, von dem du sprichst?“, fragte der Feuerdämon völlig ungläubig.
Loki nickte.
„Ich wüsste niemanden, der noch diesen Namen trägt…“, sagte er.
Tihrak ließ sein Schwert daraufhin langsam wieder sinken. Lucifer? Weshalb wollte Lucifer höchstpersönlich, dass er zu ihm kam? Der Herrscher der Hölle mischte sich doch auch sonst nie in das Leben der Sterblichen ein, ob es nun um Dämonen ging oder nicht.
Was veranlasste ihn nur dazu seine Prinzipien plötzlich so zu verändern?
Tihrak kannte die Antwort darauf nicht, doch er würde sie wohl bald erfahren.
Er seufzte. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als dem Ruf Lucifers Folge zu leisten, denn sich gegen den Herrn der Hölle aufzulehnen wäre wohl der größte Fehler, den man machen könnte, das war Tihrak klar. Er war weder nervös, noch hatte er Angst vor einem Treffen mit Lucifer. Er würde es wohl einfach hinter sich bringen müssen.
„Na schön…was habe ich schon für eine Wahl? Ich werde mit dir kommen, Loki, aber ich warne dich: Wenn das alles hier eine Falle sein sollte und du versuchen solltest mich irgendwie auszutricksen, werde ich das Licht deines Lebens auslöschen, bevor du es überhaupt bemerken wirst. Das schwöre ich dir…“, sagte Tihrak und wartete diesmal keine Antwort ab.
„So wie es aussieht wirst du wohl nochmals warten müssen“, sagte er dann, an Arent gewandt.
Dieser nickte kurz.
„Schon klar. Das gehört zwar wirklich nicht grade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, wie du weist, aber was soll ich machen?“, sagte er und ließ sich dann mit einem Seufzer wieder auf den Waldboden fallen.
„Geh. Ich werde hier warten.“, fügte er dann noch hinzu.
Nun nickte Tihrak und wandte sich dann wieder an Loki.
„Na schön…dann zeig mir den Weg zur Hölle!“

 

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sandra Nawrotzki).
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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