Werner Gschwandtner

Die Kugel trug seinen Namen. Kapitel 1

« Das Telegramm »
 
1
„Ruhig Bess“, Jo Amber zügelte seine Sandfarbene Stute. Die Sonne stand hoch am Himmel und Hitze überflutete das Gebiet, welches der rüstige Viehzüchter sein eigen nannte.
Die Stute schnaubte. Das Tier warf den Kopf hoch und stampfte angespannt mit den Hufen auf die grasige Steppe.
Wohin Jos Auge auch blickte, alles welches es erspähte hatte er sich in den vergangenen 17. Jahren langsam und auch sehr mühsam aufgebaut. Als blutiger Anfänger, als Greenhorn, wie ihn damals die eingefleischten Cowboys von Texas genannt hatten, war Josef Bernstein 1847 in dieses Land gekommen und Heute war er ein angesehener Viehzüchter und besaß mehr als 15 000 Rinder.
„Der 19. Geburtstag steht bald bevor“, raunte Jo seiner Bess beiläufig zu, „es ist nun die Zeit gekommen um die Fackel weiter zu reichen.“
Jo Amber blickte sich um. Er war alleine. Dieser Ort, er befand sich etwa eine Meile von der eigentlichen Ranch, in südlicher Richtung, entfernt, war Jos Lieblingsplatz. Ein leichter Hügel erhob sich aus der Prärie und ein einzelner Baum bewache Tag ein Tag aus, Jahr für Jahr, die Erholungsstätte des Viehbarons.
Jo atmete befreit auf. Sechs Jahre lang hatte er für Buddy Stone gearbeitet. Als einfacher Cowboy war er damals in die Dienste des eingesessenen Ranchers getreten und hatte das Geschäft bei dem groben Engländer von der Picke auf an erlernt.
Buddy war heute einer seiner besten Freunde. Und er war sein Nachbar. Zwischen den beiden Besitzen lagen nur fünf Meilen offene Prärie. In folge kam schließlich schon die Stadt El Dorado.
„Komm Bess“, Jo ließ die Stute antraben, „wir haben ein Telegramm zu versenden. Und es ist ein weiter Weg nach El Dorado.“
Die Stute wieherte. Jo gab dem Tier leicht die Sporen und Bess bäumte sich, die Mähne werfend, auf. Schnaubend sprang sie vorwärts und galoppierte, eine gewaltige Staubwolke aufwirbelnd, davon.
 
2
Jo wusste dass er El Dorado nicht am selben Tag erreichen würde. Auch wollte er die Nacht weder durchreiten, noch irgendwo unter freien Himmel campieren. Seine Knochen waren dazu doch schon etwas alt.
Die Stone Ranch war zwischen der Stadt und seinem Domizil das nächste Anwesen. Schon spät nachts erreichte Amber das Haus seines Freundes und etwas geschafft stieg Jo aus dem Sattel.
„Howdy Roy”, Jo grüßte den alten Vorarbeiter, „ist Buddy hier? Würde gerne die Nacht hier verbringen.“
„Well Mister Amber“, antwortete Roy Marshal offen, „Mister Stone befindet sich in der Bibliothek. Sie wissen ja, das sie immer und zu jeder Zeit freien Zugang zu dieser Ranch haben.“
Roy hatte eine rhetorische Frage gestellt und Jo war dem bewusst. Er nickte dem Vorarbeiter, jenen, der diesen Posten auch schon zu seinen Anfängen ausübte, zu und betrat, nachdem er sich ein wenig den Staub von den Lederhosen geklopft hatte, die geräumige Veranda des Haupthauses.
Buddy Stone war ein hagerer Typ. Steif in seinem äußeren, ganz wie man es von einem echten Engländer gewohnt war. Er war vom Alter her um fünfzehn Jahre älter als Jo und in seinen Augen lag noch dasselbe jugendliche Feuer, welches auch Jo Amber in seinen Blicken versprühte.
„Jo“, grüßte Buddy erfreut, „es ist schön dich wieder einmal zusehen. Lange ist unser letztes zusammenkommen her.“
„Well Buddy“, antwortete Jo zustimmend, „sogar zulange her würde ich sagen mein Freund. Und ich habe eine Bitte an dich.“
Buddy Stone wurde neugierig. Er war von Natur aus sehr interessiert und wollte immer und sofort alles bis ins kleinste Detail wissen.
„Worum geht es?“ fragte er.
Jo nahm den angebotenen Platz an und nachdem auch Buddy saß, ließ Amber die Katze aus dem Sack.
„Ich werde Morgen nach El Dorado reiten“, sagte er, „die Zeit ist gekommen um meinen Nachfolger zu bestimmen. Mein Erbe wird mit dem 21. Lebensjahr den Besitz „Amber Realm“ erhalten. Und du sollst meinem Blute als Ratgeber zur Seite stehen.“
Buddy stockte kurz der Atem. „Ich verstehe dich nicht mein Freund“, gab er stockend von sich, „willst du Texas verlassen nach der Übergabe?“
Jo nickte schweigend. Eine ganze Weile wurde kein Wort gesprochen. Doch schließlich brach Jo Amber die Stille.
„Sobald die Fackel an die nächste Generation weiter gegeben wurde“, offenbarte er sich seinem alten Freund, „werde ich wieder zu meinem Weibe nach Hause zurück kehren. 24. Jahre des alleine seins, das sind Jahre der Einsamkeit genug.“
Buddy sagte nichts dazu. Er wusste dass Jo damals aus Österreich in den Westen gekommen war. Er wusste auch das Jos Frau zuhause geblieben war um sich um das kommende Baby zu bemühen.
„Und welche Bitte hast du nun an mich? Oder war es schon jene, das du möchtest das ich der Ratgeber deines Sohnes werde?“
Jo lächelte. Er fand es sehr amüsant welches Buddy da annahm und schüttelte den Kopf.
„Nein Buddy, das war nicht meine Bitte. Ich würde gerne das Gebiet, welches du „No Name“ nennst von dir erwerben. Es würde mein Besitztum abrunden. Und du sagst ja auch immer das jene felsige Ausdehnung zu nichts zu gebrachen ist.“
„Wie viel bietest du dafür?“
Jo war erfreut das Buddy sofort, ohne sich lange bitten zu lassen, zum Kern der Dinge kam.
„Ich hätte da an Tausend Dollar gedacht. Eventuell auch noch 100 Rinder dazu.“
„Unter Freunden.“ Gab Buddy spitzbübisch kichernd von sich. Jo nickte. „Ja Buddy“, sagte er, „unter Freunden.“
Stone erhob sich und reichte Amber die Hand. „So sei es Jo“, sie schlugen ein, der Deal war besiegelt. „das Real „No Name“ ist ab sofort Eigentum des „Amber Realms“.“
 
3
Mehr als den halben Tag hatte Jo Amber benötigt um nach El Dorado zu kommen. Buddy Stone war auch gleich mitgekommen, da sie ebenfalls die Überschreibung des „No Name“ Gebietes vornehmen wollten.
„Ich schicke mein Telegramm ab“, gab Jo kund, „wir treffen uns wieder im Saloon.“
„Well Jo“, gab Buddy zur Antwort, „tu das. Ich werde derweilen die Kaufpapiere ausfertigen. Alles was danach noch fehlt ist deine Unterschrift.“
Jo trabte die Hauptstraße von El Dorado entlang. In der Tür zum Sheriffsbüro lehnte Ben Mears. Der schneidige Bursche war einer der Hilfssheriffs und die rechte Hand von Chance Brower.
Mears grüßte flüchtig. Sein Aussehen war grob. Eine breite Narbe zierte seine rechte Wange, diese ging bis zum Hals. Seine Augen wirkten Kalt. Jo nickte dem Burschen zu. Ben war nicht älter als zwanzig. Er war ehrgeizig und strebte oftmals zu hoch gestreckte Ziele an.
Am ende der Straße, in das Gebäude des „Railways“ Bahnhofs gelegt, befand sich der Telegraf.
Jo stieg vom Pferd und wandte sich an den Mann hinter dem Schalter. „Howdy Frank. Ich müsste eine Depesche nach Übersee aufgeben. Elf Worte.“
Frank nickte. Einst war der junge Mann Reiter des Pony-Express gewesen. Doch dieses lagen gut drei Jahr zurück und Frank Webner heuerte nach seiner Schließung ende Oktober 1861 bei der „Transkontinentalen Telegrafenleitung“ an.
„Okay Mister Amber“, sagte Frank, „der Text bitte?“
„Ankunft in Texas für den 21. Geburtstag planen – Stopp“, gab Jo kund, „Treffpunkt El Dorado – Stopp – Josef Bernstein.“
Im Anschluss vermerkte Jo noch die Empfänger Adresse und bezahlte abschließend den Auftrag.
„Well Mister Amber“, Frank setzte sich an die Telegrafenstation, „ich werde sofort ihre Depesche losschicken.“
Jo nickte. „Danke Frank.“
Jeden Monat und das seit 19. Jahren, seit seiner Abreise aus Österreich, sandte Jo einen Brief nach Hause. Er wusste dass es immer sehr lange dauerte bis seine Post ankam, aber mittlerweile war es dennoch ein regelmäßiger Briefverkehr.
Als Josef Bernstein mit 25. Jahren beschlossen hatte, Österreich und somit seine Gattin, die im dritten Monat schwanger war, zu verlassen, um im Westen sein Glück zu versuchen, da hatte er gewusst das es für beide Seiten eine lange Zeit der Einsamkeit und Entbehrung werden würde. Eigentlich hatte Jo vorgehabt, das er nach Ablauf von zwei bis drei Jahren seine Familie nachkommen lassen würde. Doch Jo war nach diesen drei Jahren erstmals die rechte Hand von Roy Marshal. Noch kein Grundbesitzer, noch weit vom Traum der eigenen Ranch entfernt.
1853 konnte Jo ein Stück Land erwerben. Die Geburtstunde des „Amber Realms“ war angebrochen Doch es sollten noch weitere acht Jahre vergehen, bevor Jo Amber ein wirklicher Viehbaron sein sollte.
Jo fasste in seine Jackentasche. Er bewahrte darin ein Bild auf. Es war eine schon recht mitgenommene Fotografie seines Sprösslings. Vor drei Jahren, zum 16. Geburtstag war jenes Bild aufgenommen worden.
„Mein Kind“ hauchte Jo unhörbar, „mein Land ist dein Land und mein Besitz ist dein Erbe. Bald schon bist du die Nummer Eins im „Amber Realm“.“
 
 
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Werner Gschwandtner 
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