Pierre Heinen

Tobias und sein schwarzes Shirt

Bunte Blitze und verqualmte Atemluft. Der Raum 2 der Disco Sunfire war prall gefüllt und erbebte wie jedes Wochenende unter den Bassklängen des DJ Dirigentenstab. Es wurde getanzt, getrunken, gegrölt und gelacht. Junge Frauen in bunten und knappen Outfits hüpften um junge Männer in Designerklamotten herum. Verschwitzte Haare wurden durch die Luft geworfen und die Stimmung war wie immer an der Siedetemperatur angelangt.

Im Raum 1 derselben Gaststätte saßen vereinzelte Gruppen von Jugendlichen an den Tischen zusammen und unterhielten sich lautstark. Hier drinnen war die Musik von nebenan noch so intensiv dass die Songs die hier aus den Lautsprechern tanzten völlig bedeutungslos untergingen. Feierte drinnen, im Raum 2, ein bunter Menschenmix zusammen, so saßen die Personen aus dem ersten Raum getrennt.

Es gab den Tisch mit den Studenten, deren Herkunft an der teueren Schale zu erkennen war, in der sie sich jedes Wochenende warfen. Es gab den Tisch mit den Proletariern die ihr Leben in Hoffnungslosigkeit fristeten und ihre Sorgen mit Hochprozentigem herunterspülten. In der dritten Gruppierung welche man hier finden konnte, waren grundsätzlich nur die Enkelkinder von den im Ausland angeworbenen Arbeitsmigranten.

Es gab nur selten offen ausgetragene Meinungsverschiedenheiten und meist blieb es bei einem stummen Protest und dem Ignorieren jeglicher Provokationen.

Tobias am Tisch der zukünftigen Jungreichen trug an diesem Abend ein schwarzes T-Shirt mit einem weißen Schriftzug: Das asoziale Pack hat 3 Probleme! Der junge Student hatte das Provozieren noch immer gemocht und bei jeder Pöbelei im Sunfire fand man ihn an vorderster Front.

Und so stolzierte Tobias im Sunfire mit seinem Kleidungsstück mit den kurzen Ärmeln umher. Als er nach einer Weile die sanitären Anlage aufsuchte und händewaschend vor dem Spiegel stand kam ein Anhänger der Proletarier auf ihn zu.

"Ey! Hass de Probleme?", trompetete er aus dem Mund und schüttelte seine Hand im Nacken von Tobias aus.

Tobias drehte sich seelenruhig um und sah dem jungen Mann in die Augen.

"Problem 1, ihr wollt immer nur Stress", informierte Tobias den Proleten, der nach einem billigen Mischgetränk roch.

Dieser schaute ihn verdutzt an. Tobias trocknete sich seine Hände mit einigen kratzigen Papiertüchern und verließ den Raum.

Auf dem schmalen Flur traf Tobias auf drei Männer und eine junge Frau. Ihre südländische Abstammung spiegelte sich in der leicht kupfernen Haut wieder und in dem tiefschwarzen Haar. Besonders die vielen Locken des hübschen Mädchens hielten die Blicke von Tobias an.

"Was has'n du für 'ne Macke?", wollte der Mann neben dem Mädchen wissen, entweder der Verehrer oder der Bruder.

Tobias blieb stehen. Er ließ seinen Blick über die acht Augen huschen die ihn anglotzten.

"Problem 2, ihr seid viel zu neugierig", informierte Tobias die Enkelkinder der Gastarbeiter und ging an ihnen vorbei.

"Du kriegst was!", knurrte noch einer der Männer hinter ihm her und hob drohend die Faust.

Die Faust sah Tobias nicht, oder er wollte sie nicht sehen, wohl aber begutachtete er das gut geformte Gesäß des Mädchens. Tobias betrat wieder den Raum 1 und setzte sich auf seinen Stammplatz am Tisch der Jungreichen.

"Ich geb einen aus!", teilte Robert, der zukünftige Geschäftsführer mit und sah Tobias an.

"Ich würde einen Vodka-Martini nehmen", sagte der Mann mit dem Shirt und sah zu den Proletariern hinüber.

Der Mann, dem er auf der Toilette begegnet war, deutete auf Tobias und alle Proletarier beäugten ihn misstrauisch. Ob er ihm noch einmal über den Weg laufen würde?

Tobias genoss den Abend mit seinen Freunden und verließ etwas vor drei Uhr die Diskothek. Er ging, nachdem seine Freunde schon gefahren war, allein auf dem Parkplatz. Tobias konnte schon die Umrisse seines Wagens erkennen als plötzlich eine Gruppe von zehn Männern auf ihn zukam. Blitzschnell umringten sie ihn. Klingen wurde aktiviert.

"Geld her oder du biss käsgelöchert!", forderte der ihm bekannte Prolet ihn auf und fuchtelte mit dem großen Klappmesser vor Tobias.

"Problem 3, ihr kommt mit Messern zu einer Schießerei", richtete Tobias den Männern ringsum aus.

Nun sahen sich alle an. Keiner bewegte sich. Tobias erkannte jetzt auch die drei Männer mit der Kupferhaut. Sie alle hatten sich vereint. Die Gastarbeiterkinder und die Proletarier.

Plötzlich fing einer an mit kichern. Und jetzt lachten alle. Die Klappmesser wurden eingesteckt und Tobias musste seine 9mm-Halbautomatik-Pistole nicht einmal zeigen.

Und die Fete ging auf dem Parkplatz weiter, als der stark alkoholisierte DJ Dirigentenstab die Anlage in seinem Geländewagen anschmiss. Und so feierten sie alle zusammen, bis sie tot in ihr Bett fielen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.10.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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