Die Felder und der angrenzende Wald lagen ruhig vor ihr. Kein Vogelgezwitscher, kein Blätterrascheln unterbrach diese Ruhe. Sie wanderte durch ein friedvolles Bild und genoss es, die lärmende Welt hinter sich gelassen und die seit Monaten quälend auf sie einstürmenden Gedanken für wenige Stunden verdrängt zu haben. Die Welt dort draußen war zeitweise zur Kulisse geworden. Aber sie lebte in ihr, mit ihr, gehalten von ihrem großen Freundeskreis, der sie in ihrem Anderssein ohne Einschränkung akzeptierte. Stattdessen unterstützten die Freundinnen sie darin, weiterhin als selbstbewusster, fröhlicher Mensch durch den Tag zu gehen und sich keinesfalls in ein dann selbst gewähltes Schneckenhaus der Isolation zurückzuziehen. Zum Glück war sie gar nicht der Typ dafür, sondern lebte dagegen sehr aktiv. Ihre vielen Unternehmungen brauchte sie wie die Luft zum Atmen. Den zahlreichen Einladungen kam sie mit Freude nach, obwohl ihr klar war, dass ihr in so manchen Minuten des Zusammenseins das Wissen um ihr Anderssein das Herz schwer machte. Ja, sie konnte es sich zufrieden zusprechen, dass sie weitaus aktiver durch den Tag ging als viele Frauen ihrer Altersgruppe, die ihr Problem nicht tragen mussten. Viele Nachbarinnen, deren Kinder gleich den ihrigen aus dem Hause waren, ließen sich hängen und saßen nur noch in den eigenen vier Wänden. Der Computer und der Fernseher bestimmten deren Leben und fungierten als fast einzige Kontakte zur Außenwelt. Traf sie diese Frauen denn doch einmal auf dem Wege zu dem kleinen Einkaufszentrum des Stadtteils, erschrak sie über die verhärmten Gesichter, die von Verbissenheit und Trostlosigkeit erzählten. Das Leuchten in deren Augen gehörte endgültig der Vergangenheit an. Es zurück zu erobern, grenzte fast an Unmöglichkeit. Sie dagegen war glücklich in dem Bewusstsein, wie vital und leistungsfähig sie war. Sie hatte die Gabe, sich an jeder noch so banalen Kleinigkeit von Herzen freuen zu können. Ihre Augen blitzten und meist lag auf ihrem Gesicht ein fröhliches Lächeln. Auch, wenn die tristen Gedanken in ihrem Inneren wühlten ... Sie bezwang sie wieder und wieder und verwies sie in die ihnen zustehenden Schranken. Sie wusste, das Leben konnte vielleicht eines Tages für sie komplizierter werden, aber sie würde nie aufgeben, das Schöne zu genießen. Stolz hob sie den Kopf. „Es gibt heutzutage so viele Hilfsmittel. Ich lasse mich von meiner Schwerhörigkeit nicht unterkriegen!“ |
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2007.
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