Norbert Schimmelpfennig

Der Teufel mit den drei Plutoniumhaaren an Allerseelen

Im Vorhof der Hölle sind zahlreiche Feuer entzündet worden, welche die felsige Umgebung in ein schummriges Licht tauchen. Zudem dringt momentan vielerorts ein schwefliger Geruch aus dem Boden. So blickt der Teufel mit den drei Plutoniumhaaren, den Rücken zu seinem Reich gekehrt, in Richtung des Flusses, der die Grenze zum Paradies bildet. Diese drei Plutoniumhaare hat er sich neulich zugelegt, weil er die Atomkraftwerke, die im Laufe des 21. Jahrhunderts stillgelegt worden waren, genauso vermisste wie die drei goldenen Haare, die ihm ein Kind einst gestohlen hatte.
In diesem Grenzfluss nun hat sich ein See gebildet, und der Teufel sagt sich:
„Schön, hat dieser gestrige Tag von Allerheiligen doch ein Gutes für mich gehabt, als sich alles um diese Heiligen drehte, die so weit entfernt von mir leben, da konnten meine Helfer einen solchen See unbemerkt schaffen, den ich ‚See der Verkehrung' nenne, denn in ihm sollen nun die Namen aller Seelen, die heute diese Grenze passieren, sich in ihr Gegenteil verkehren! Hoffentlich tritt nur diese merkwürdige Prophezeiung nicht allzu bald ein, die einer meiner Helfer entdeckt haben will, wonach sich die Wirkung aufheben soll, sobald eine ‚doppelte Verneinung' eintritt und irgendeine Reimgeschichte..."
 
Als erster an diesem Tag überquert Siegfried Wagner diese Grenze, der sich gern Siggy nennt; und ihm verkündet eine Stimme:
„Jetzt wird dein Vorname Siegfried zu Niederlagekrieg, und aus Wagner wird Verzagner!"
Da denkt er sich:
„Nenne ich mich von nun an halt Niddy!"
Als nächster folgt Eberhard Dach, dem die Stimme erklärt:
„Bei dir wird nun  Eberhard zu Sauweich, und Dach zu Keller!"
Die drei folgenden sind Fernsehreporter, die irgendwie zusammen gewürfelt worden sind, der erste vom Sender Pro 7, und bei ihm verkündet die Stimme:
„Jetzt arbeitest du für Contra 7!"
Als zweite folgt eine Reporterin von Sat 1, und ihr wird eröffnet:
„Von nun an bist du tätig für Hungrig 1!"
Schließlich überquert eine Reporterin von RTL den See der Verkehrung und vernimmt die Verkündigung:
„Du bist kein Er, sondern eine Sie, daher arbeitest du fortan nicht mehr für ErTL, sondern stattdessen für SieTL!"
All diese Seelen lässt der Teufel schon einmal vor sich treten und erzählt ihnen:
„Ihr seid ja nun an einem besonderen Tag zu mir gekommen, an dem die Aufmerksamkeit allen Seelen zukommt; und zur Feier dieses Tages gibt es etwas ganz Besonderes für euch! Und zwar habe ich schon immer diese spannenden Gladiatorenkämpfe vermisst, die zu einer Zeit stattfanden, als die Menschen noch nicht an die dort drüben und an mich glaubten! Ihr beide da, kommt einmal her, ihr scheint mir gut geeignet, seht noch so jung aus, euch hat der Tod noch als Studenten ereilt!"
Als Niddy und Sauweich vor ihn treten, spricht der Teufel weiter:
„Niederlagekrieg Verzagner, zu Lebzeiten Siegfried Wagner, bist du etwa identisch mit dem Sohn von Richard Wagner, der dieses Scherzo mit dem Titel ‚Und wenn die Welt voll Teufel wär' geschrieben hat? Scheint nicht so, aber wie auch immer, dafür erhältst du die schwächere der beiden Waffen. Du, Sauweich Keller, ehemals Eberhard Dach, darfst dich mit dem Morgenstern dort bestücken; du aber, Niederlagekrieg Verzagner, wirst mit dem Streichholz gegen ihn antreten; dieses Holz aber ist zumindest lang! Und du, Reporterin einstmals von RTL, jetzt von SieTL, wirst den Kampf kommentieren!"
 
Während sich die Arena langsam mit immer mehr Seelen füllt, stehen sich Niddy und Sauweich gegenüber, und Niddy fragt zunächst:
„Was hast du getan, dass du hier gelandet bist?"
Sein Gegenüber erwidert:
„Vieles; aber als ich hier ankam, erschien die Vision von einer Nacht, als ich sechzehn war und meine Eltern sich früh schlafen gelegt hatten - da bin ich heimlich mit dem Fahrrad aufgebrochen und einige Kilometer auf der Autobahn gefahren!"
„Ich habe im selben Alter in einer ähnlichen Situation auch Unsinn gemacht", erzählt Niddy seinerseits, „und zwar fuhr ich ebenfalls nachts Fahrrad und kam dabei zu dem Haus, in dem mein Klassenkamerad Matthias Adler wohnte, der einen ganzen Schrank voller, na ja, nicht ganz anständiger Schriften haben sollte - und da habe ich einen ebenfalls nicht ganz anständigen Zettel geschrieben und in den Briefkasten gesteckt..."
Bevor die beiden weiterreden können, blasen die Fanfaren, die aussehen wie die Hörner des Teufels, zum Beginn des Kampfes, welchen die Reporterin von SieTL anfängt zu moderieren.
Drei Versuche hat Niddy als der Schwächere: Zunächst versucht er, ein Steinchen mit Hilfe des Streichholzes an die Stirn seines Gegners zu schleudern, was aber nicht gelingt. Anschließend probiert er, dem Gegner das Streichholz mit aller Kraft in den Bauch zu rammen, was diesem allerdings kaum etwas auszumachen scheint; das Streichholz bricht aber auch nicht, ist scheinbar mit einer besonderen Magie versehen.
Einen letzten Versuch hat Niddy noch, bevor der andere seinen Morgenstern benutzen darf, daher nimmt er sich noch etwas Zeit zum Überlegen. Dabei hält er einfach so das Streichholz über eine Spalte im Boden, durch die heiße Luft von dem Feuer darunter strömt - und prompt fängt das lange Streichholz stark Feuer, und Niddy hält dieses an den Morgenstern seines Gegners - und da fängt der Morgenstern an, weich zu werden und sich zu verformen!
Bevor es aber zu weiteren Kampfhandlungen kommen kann, ruft die Reporterin aus:
„Soeben erreicht mich eine Meldung von drüben aus dem Paradies, die ich hier sofort verkünden muss: Und zwar werden diese beiden Seelen dort unten für ihren Einsatz begnadigt und dürfen ins Paradies hinüber schreiten, zur Feier des Tages. Denn der See der Verkehrung ist jetzt schon umgekippt, als zwei Seelen ihn gerade passiert haben, bei denen die Prophezeiung eingetreten ist, die auf einen Namen gewartet hat, der ein Wort des Abschieds enthält und sich auf Seele reimt: Nämlich Adele!
Und der Name ihres Freundes, mit dem sie zusammen gestorben ist, Amadeus, hat sich zu Odidiabolus verkehrt - was soviel heißt wie ‚Hasse den Teufel‘ - sowohl das Gegenteil von ‚Amadeus = Liebe Gott‘, wie auch irgendwie wieder die gleiche Bedeutung!"
Während zu den Kämpfern eine Stimme spricht: „Seele freue dich“,
flucht der Teufel: „Da hol mich doch ich!
Euch beide werd ich nun entlassen,
und auch dich, Reporterin,
so geht ihr drei denn nun dahin,
aber wenigstens wird man mich in einem Jahr das Gleiche noch mal machen lassen!“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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