Uwe Schenk

Am Ende eines Irrweges - Die letzte Entscheidung

Wochenlang, monatelang hatte ihn die Verzweiflung gepeinigt. Am Tage lief er wie ein Zombie durch die Strassen. Nichts interessierte ihn. Er sah nicht, was um ihn herum geschah. Das alles ging ihn nichts mehr an. Mit gesenktem Blick lief er umher, hing den immer gleichen Gedanken nach und stellte sich dieselben Fragen. Fragen, auf die er keine Antworten fand, so oft er diese auch stellte. Egal, wie sehr er auch darüber nachdachte.
 
In den Nächten kamen immer wieder dieselben Albträume. So sehr er auch versuchte, sich, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, keine Chance! Nein, es wurde immer schlimmer. Die Verzweiflung wurde irgendwann zu Wut, unkontrollierbar. Aus der Wut wurde bald Hass. Dieser Hass, von dem sich zu befreien ihm unmöglich war, machte ihn krank, fraß ihn langsam auf. Sein Körper litt eben so sehr wie seine Seele, war mittlerweile ausgezehrt. In kurzer Zeit hatte er um die 20 Kilo verloren. Leute, die ihn kannten, gingen an ihm vorbei ohne ein Zeichen des Erkennens. Er hatte sich völlig verändert.
 
Aus einem lebensbejahenden, durchaus humorvollen Menschen war das einsame, verbitterte, alle und alles hassende und verfluchende Böse geworden. Wer in seine Augen sah, die Tore zur Seele wie man sagt, erfuhr kaltes Grauen. Man sah den abscheulichen schwarzen Klumpen, zu dem seine Seele verkommen war. Längst hatte er sich den ihn quälenden Dämonen ergeben und aufgehört, sich zu wehren. Es hatte keinen Sinn mehr. Jede Hoffnung war der Gleichgültigkeit gewichen.
 
Auf einem Trödelmarkt, vor einiger Zeit, hatte er ein altes kunstvoll gefertigtes Beil entdeckt. Es ähnelte Waffen aus längst vergangenen Zeiten. Ohne lange zu feilschen, hatte er die geforderte Summe gezahlt. Sorgfältig hatte er dieses Beil gesäubert, von jedem Rost befreit und geschärft. Spätestens jetzt war es eine Waffe.
 
Seit Wochen war das Wetter schlecht. Der Himmel war dauernd wolkenverhangen, es regnete oft. In der übrigen Zeit waberte dichter Nebel durch die Strassen. Dieser Nebel schien jede Freude aufsaugen zu wollen. Es war beinahe, als wäre dieses scheußliche Wetter das Spiegelbild dessen, was aus ihm geworden war. An diesem Abend schienen die Wolken so schwarz wie noch nie zu sein. Den ganzen Tag schon tobte ein Sturm und es regnete sehr stark.
 
Stundenlang hatte er am Fenster gestanden und in die Dunkelheit gestarrt. In seine üblichen morbiden, bösen Gedanken mischte sich heute tiefe Melancholie. Hier und heute würden schlimme Dinge geschehen, "Point of no Return", heute würde alles ein Ende finden. Auf die eine oder andere Weise. Er wusste genau, irgend jemand würde in dieser Nacht sterben. Aber auch sein Hass, all seine Qualen sollten heute Nacht zu Ende sein. Er nahm das Beil und ging hinaus in die Nacht.
 
An diesem Morgen ging die Sonne auf. Wie eine riesige goldene Schale tauchte sie am Horizont auf. Der Sturm hatte sich gelegt, der Himmel war seit langem wieder klar. Der ständige Nebel, die schwarzen Wolken hatten sich aufgelöst. Als wäre ein Fluch gebrochen worden. Die Menschen atmeten auf, gingen heute gutgelaunt aus dem Haus. Niemand konnte es erklären, aber jeder spürte, etwas Schlimmes war zu Ende gegangen.
 
Er selbst kam als Einziger an diesem Morgen nicht aus der Nacht zurück. Er hatte seine letzte Entscheidung getroffen. Man sah ihn nach dieser Nacht nie wieder. Aber es gab auch niemanden, der nach ihm suchte. Niemand fragte nach ihm. Es gab niemanden, der ihn vermisste...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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