Nach 14-jähriger Partnerschaft fühlte ich mich seit unserer Trennung sehr einsam, und so kam ich auf die Idee, meinen dadurch leider auch ziemlich zerbröselten Bekanntenkreis wieder etwas aufzufrischen. Meine Kollegin empfahl mir diesbezüglich eine Börse im Internet, und so meldete ich mich beim „Datecafe“ an. Alsbald hatte ich viele lustige Leute um mich gescharrt, wobei es mit den Männern erheblich einfacher war, sie kennenzulernen. Natürlich hatten die meisten von ihnen Interesse an einer Beziehung, während die Mehrzahl der Frauen durch bereits vorhandene Freundinnen geworben wurde. Etwas für’s Leben wollte ich selbst jedoch noch bzw. nicht mehr eingehen. Ich fühlte mich als Single grundsätzlich eigentlich ganz wohl.
Mit unserer Truppe machten wir viele Ausflüge zu Events und in die Umgebung. Ich hatte wohl noch nie in meinem Leben soviel unternommen. Dabei lernte ich stets neue, interessante Leute kennen. Es war einfach herrlich.
So ergab es sich, daß wir eines Tages zusammen ein kleines Varieté besuchten; wir, das waren sieben Mädels und zwei Herren, die sich untereinander kaum kannten. Das machte aber nichts, denn so ein Abend schweißt zusammen – glaubte ich jedenfalls bis dahin.
Dann jedoch stellte sich heraus, daß ich mir durch ein paar fluffige Bemerkungen schnell einen Feind unter den neuen Gesichtern gemacht hatte. Ich muß dazu sagen, daß ich sehr geradeaus bin, nie lange um den heißen Brei herumrede und mich zur Wahrheit bekenne. Meine spitze Zunge ist dabei manchmal etwas kiebig. Ich käme jedoch nie auf die Idee, meinen Gesprächspartner zu beleidigen oder öffentlich zu denunzieren.
Wer mich kennt, weiß genau, daß ich es zwar liebe, in temperamentvollen Diskussionen brennende Themen aufzugreifen, meine Sympathie jedoch nicht grundsätzlich an ambivalenten Meinungen scheitert oder ich jemandem etwas Böses will. Dabei lasse ich mich im speziellen Fall gerne mal – wenn auch nicht überreden – doch überzeugen.
Trotz aller guten Absichten: Jochen’s Humor hatte ich mit meiner Bemerkung über die Parallelen zwischen Menschen und Tieren (hier Hunden) nicht getroffen. Dabei weiß ich nicht einmal genau, was ihn so furchtbar erregt hatte. War es der Vergleich zwischen einer Firma mit 40 Frauen und einem Mann auf der Etage mit einem Hundezwinger voller läufiger Hündinnen inmitten eines Rüden? Oder eher die Aussage, daß manche Menschen nicht mal einen Hamster erziehen könnten, geschweige denn sich ausreichend um ihre versehentlich geborenen Kinder kümmern? In jedem Fall hatte er mich so „lieb gewonnen“, daß er zunächst nur aggressiv in seinen Zwirbelbart murmelte, mir dann aber persönlich angreifend eine Breitseite nach der anderen austeilte. In jedem Falle hagelte es eine Lawine kynologischen „Fachwissens“ und hobbypsychologischer Grundkenntnisse.
Besonders die Argumentation, daß Hunde keine Persönlichkeit besäßen und man sie – im Gegensatz zu Kindern – willenlos herunterknechten könnte, hatte mir „gut gefallen“. Außerdem sei eine Hunderasse – so meinte jedenfalls Jochen – wesenstechnisch nicht von der anderen zu unterscheiden und daher keinesfalls mit der individuellen Vielfalt der Menschen zu vergleichen. Soso?! Irgendwie war da wohl meine Kritik an unerzogenen Kindern unter den Scheffel geraten, wobei meine Aussage, bei Kindern wie bei Hunden wäre das „Ende der Leine“ schuld, empört zurückgewiesen worden war. Nach Jochens Schilderung mußte man davon ausgehen, daß es nur superliebe und brav erzogene Kindern auf der Welt geben würde, wobei man diese nicht einmal erziehen, verpflegen oder versorgen müßte. Sehr interessanter Aspekt... (hhmmm). Doch: Wo kamen dann die anderen her?
Am Ende lag es für ihn ganz nah, mich ohne weiteres Interesse an meiner Person schlichtweg für eine frustrierte Jungfer zu halten, die ihre Tierliebe nur aufgrund menschlicher Enttäuschungen und als Ersatzobjekt entwickelt hatte. Daß ich 20 Jahre lang – mit Partner - erfolgreicher Schlittenhundesportler war, irgendwann auch mal eigene Kinder wollte und mir gut erzogene, liebe Kinder durchaus angenehm sind, hatte er dabei irgendwie außer Acht gelassen. Meine Überlegungen, ich wolle mich jetzt dafür mit 43 auf alleinerziehende Väter mit älteren Kindern konzentrieren, quittierte er als feige, unannehmbar und bequem... nunja... Sollte ich jetzt wirklich noch an eine Familienplanung denken, nur um dies zu dementieren?
Doch besonders seine Erfahrungen als (ehemaliger) Hundebesitzer – ich wollt’s ihm eigentlich nicht glauben, daß er je schon einen Hund hatte – empfand ich als sehr spannend. Leider referierte er dann aber doch nicht über seine Erlebnisse hinsichtlich einer Rudelhaltung, die meine obige Bemerkung über eine weitestgehend weibliche Belegschaft um einen Mann und ihre Parallelen zum Hunderudel entkräftet hätte. Wirklich schade.
Insgesamt war das echt ein lustiger Vogel, der übrigens erst aufhörte, mich und meine Lebensweise intolerant zu attackieren, als ich ihn darauf hinwies, daß wir ja wohl kaum heiraten wollten. Es kann ihm also völlig egal sein, wie und wo ich lebe, solange er mich nur stundenweise und freiwillig ertragen muß. Oder hatte er gar ernsthafte Absichten?
Dabei weiß ich nicht einmal, wie wir auf meine persönliche Situation zu sprechen kamen, da es ursprünglich eigentlich nur um allgemeine Dinge des Weltgeschehens ging. Ich hatte lediglich angemerkt, daß mich das Stadtleben langfristig so gar nicht mehr anzieht, da ich von Kriminalität, Schmutz und Verkehrsaufkommen inzwischen mächtig entwöhnt bin.
Zum Glück kann man/n sich die Menschen aussuchen, mit denen man verkehrt. Und unsere „Bundesstraßen“ werden sich sicherlich nicht mehr kreuzen.
Aber schön, daß wir mal drüber gesprochen haben.
Am Abend kuschelte ich mich zufrieden mit meinem Hund auf die Couch, zappte ein wenig durch die Fernsehprogramme und schleckte einen Schokopudding. „Dann doch besser allein als in schlechter Gesellschaft“ sagte ich zu Flocke und schloß entspannt die Augen.
vom 07.11.2007
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.11.2007.
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