„Geh nach Hause Mädchen!“ sagte
der Torwächter, „Hier ist kein Platz für dich.“
„Das ist doch Schwachsinn!“ sagte Nivira, „Die Bücher über die
Geschichte dieser Welt berichten über so viele, weibliche Kriegerinnen! Man
wagt nicht auszudenken was ohne diese Frauen gewesen wäre!“
„Du kennst die Gesetze Mädchen! Du darfst nicht hinein. Es wird kein
Weib kämpferisch ausgebildet. Geh jetzt oder ich lasse dich aus dem Dorf
verbannen!“
„Das würde euch auch nichts bringen! Wenn ihr keine Hilfe wollt im Kampf
gegen Caros dann werdet selbst mit ihm fertig!“ Nivira
lief ohne auf eine Antwort zu warten davon. Wahrscheinlich hätte sie auch gar
keine gekriegt. Ihre Fäuste waren geballt, die Wut in ihr enorm. Sie wollte
doch nur eine Möglichkeit haben, Stärke, Technik und Geschick zu erlangen, um
als Kriegerin für ihr Land gegen die Dunklen Mächte zu kämpfen. Doch die
Gesetzte dieser Zeit verbieten dies. Keinem weiblichen Menschen ist es erlaubt
eine Kampf-Ausbildung zu erhalten – offiziell oder inoffiziell. Nivira hörte
schon von Storys über Mädchen, die von ihren Eltern weggenommen und in eine
Schule gesteckt wurden, nur weil ihr Vater mit ihnen Kampfübungen machte. Der
Gedanke daran machte sie noch mehr wütend. Die Menschen waren doch klug, sie bekriegten
sich nicht gegenseitig noch andere gute Wesen wie die Elben oder Zwerge. Sie waren
konzentriert auf den Kampf gegen das Dunkle. Doch vor fünf Jahren kam plötzlich
dieses Gesetz auf und galt von einem Tag auf den nächsten auf aller Welt. Es
wurde nie erklärt noch konnte man es anfechten. Etwas musste passiert sein doch
wurde dies als ein Geheimnis gut gehütet – es gab nicht mal Gerüchte, was
passiert sein konnte – einfach gar nichts. Die meisten Menschen haben sich nun
damit abgefunden. Mädchen wie Nivira jedoch, die fühlen sie könnten eine gute
Kriegerin werden, die wollen nicht aufgeben. Doch tatsächlich gab es in diesen
fünf Jahren keine einzige Kriegerin mehr, über die berichtet wurde. Man hörte
nur von ertappten Frauen die versuchten als Mann durchzugehen, oder von eben
jenen inoffiziellen Ausbildungen, durch einen Verwandten oder Bekannten. Jene
Meldungen erreichten jedermann schnell – es sollte wohl als Warnung oder
Abschreckung dienen, dass es wirklich keinen Sinn habe, als weiblicher Mensch
das Kämpfen erlernen zu wollen….
„Und dann war er auch noch so unverschämt!“ schimpfte Nivira laut vor
sich her, „Was glaubt der, wer er eigentlich ist! Nur ein kleiner Torwächter,
der es zu nichts anderes gebracht hatte. Ich würde mehr erreichen!“
„Du darfst ihm nicht böse sein Mädchen“, sagte plötzlich eine männliche
Stimme. Nivira schrak auf, glaubte sie allein zu sein. Sie sah in Richtung
der die Stimme und entdeckte eine Gestalt, liegend im Schatten einer
Eiche auf einem kleinen Grashügel. Sie blieb stehen und sah zu ihm. „Er kann
nichts für dieses Gesetz“, fuhr der Mann fort, „und war es doch bloss seine
Arbeit, die er tat.“
„Kein Grund unhöflich zu werden!“ entgegnete Nivira.
„War er das wirklich? Unhöflich? Oder
empfindest du das Abweisen als unhöflich, welches wiederum nur seine Arbeit war?“
„Nun...“
„Siehst du, du musst nachdenken, was bedeutet du selbst wusstest gar nicht was
unhöflich war und hast dies nur aus eigener Wut heraus gesagt.“
„Und woher wollen sie das wissen? Wer sind sie überhaupt?“
„Vielleicht erkennst du mich wenn du näher kommst.“ Nivira spürte wie er
lächelte als er dies sagte, obschon sie sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Der Mann machte
sie neugierig. Die Art und Weise wie er sprach war zu gepflegt für einen
normalen Menschen. Er musste eine gute schulische Ausbildung gehabt haben und
war wohl viel herumkommen. Langsam marschierte sie den Hügel hinauf, worauf der
Mann aufsass. Sofort erkannte Nivira sein Schwert und dass er ein Kämpfer sein musste – oder
war. Er war schon alt, mit einigen Falten im Gesicht und grauem, dichtem Haar.
Tiefe, dunkelbraune Augen mit dicken, grauen Augenbrauen darüber schauten ihr
lieblich entgegen. Die Schultern waren breit, die Arme sahen stark aus und er
besass eine besonders auffällige Narbe. Sie reichte vom seinem linken Ohr
seinen Hals hinunter und verschwand unter seinen Kleidern. Jedoch ein Name, fiel
ihr zu seinem Aussehen nicht ein. Etwas enttäuscht setzte sie sich neben ihn.
„Du sagst ja gar nichts“, bemerkte der Mann.
„Nun was sollte ich sagen. Ich
kenne sie leider immer noch nicht.“
„Haha… dann bin ich nun doch noch alt geworden!“ Er lachte herzhaft.
„Lass uns doch mit dir anfangen“, sagte er und sah Nivira erwartungsvoll an.
„Warum mit mir? Ihr habt doch so grossartig gesagt ich soll näher kommen
um zu erkennen wer ihr seid. Dies hat nicht ganz geklappt was sicherlich nicht
mein Fehler ist! Also seid ihr dran nicht ich!“ Nivira liess dabei die Augen
rollen.
„Ich dachte du magst keine Unhöflichkeit“, sagte der Mann lächelnd,
„Oder meintest du nur, wenn sie gegen dich gerichtet ist? Das jedoch wäre dann
keineswegs eine gute Einstellung, denn solltest du nichts was auch du nicht
magst andere spüren lassen.“
„Dann ist euer Bluff, dass ich euch kennen sollte und dann war gar
nichts etwa nicht unhöflich? Das war doch nur Schwachsinn!“
„War es das wirklich?“
„Was soll der Scheiss? Ich hab keine Ahnung wer du bist, alter Mann. Und
ich werd nicht weiter Zeit mit euch verschwenden. Guten Tag!“ Nivira stand
verärgert auf und lief davon. Der Mann sass noch immer lächelnd in selber Pose da
und schaute Nivira hinterher. Als sie erst wenige Schritte von ihm entfernt
war, sagte er plötzlich: „Dann besteht in dir also kein Interesse von einem
alten, grossen Krieger Berichte zu hören?“ Nivira stoppte und wandte ihren
Oberkörper ihm zu: „Grosser Krieger? Wohl kaum… also warum sollte ich…“
„Oh… dann kam dir nie in den Sinn dass ich schon lange vor deinem
verhassten Gesetz tätig war und einige Krieger und Kriegerinnen kenne?“
„Das mag ja sein“, sagte Nivira und drehte sich ganz um, „Ich muss nun
aber wirklich los.“
„Auch Caros…“ sagte der alte Mann, seinen Blick nun zu Boden gerichtet. Nivira
verstarrte. Langsam drehte sie sich erneut um und lief ein paar Schritte
zurück. „DER Caros?“
„Nicht hier“, sagte der Mann mit
plötzlich ernster, befehlerischer Stimme, „Lass uns etwas in den Wald spazieren
gehen. Folge mir.“
Ohne Widerspruch folgte Nivira
diesem Mann, dessen Namen sie noch immer nicht kannte. Er führte sie in den
nahen Wald. Nie auf einem Weg, doch gut begehbaren Boden schritten sie ins
innere des Waldes. Am Rande einer kleinen Lichtung machte der Mann halt und
wies Nivira an sich mit ihm auf den Boden zu setzen, anlehnend an einer dicken
Buche mit dem Blick zur Lichtung. „Aaah der Frieden des Waldes ist einfach
unglaublich schön und beruhigend“, sagte er mit geschlossenen Augen, „Ich weiss
schon warum diese Elben sich den Wald als ihr zu Hause ausgesucht haben.“ Er
öffnete seine Augen und sah zu Nivira, welche ihren Blick an der Lichtung
haftend hatte. „Du glaubst mir vielleicht nicht doch ich verstehe gut wie du
dich fühlst.“ Ungläubig seufzend senkte Nivira ihren Blick.
„Es ist wirklich so! Erlebte ich doch eine Lasina ungeduldig wartend, bis
sie endlich wieder kämpfen konnte!“ Nivira schenkte überrascht und neugierig
ihren Blick ihrem Gegenüber, „Ich mag mir gar nicht auszudenken wie sie sich
gefühlt hätte, hätte sie niemals das Kämpfen erlernen dürfen.“ Der alte Man
lächelte.
„Wow ich hab euch echt unrecht getan“, sagte Nivira nach einer Weile,
„Lasina ist eine der grössten Bogenschützen-Frauen in der Geschichte der
Welt. Unvergleichlich gut im Umgang mit Pfeil und Bogen und auch sehr Geschickt
im Umgang mit einem Langschwert. Und ihr habt mit ihr gekämpft?“
„Haha“, der alte Mann setzte ein breites Lachen auf, „Ich hab nicht nur
mit ihr gekämpft liebe Nivira. Ich war es, der ihr alles beigebracht hat!“ Nivira
stand auf. Mit ungläubigen Augen starrte sie auf den alten Mann hinunter. „Dann
seid ihr… ihr seid Vemuor Bernor? Der Meister aller Kampfmeister – der beste
Ausbilder seiner Zeit!“
Der alte Mann sah hoch zu Nivira, „Ja so ist es. So ein Schwachsinn aber
auch, du kennst mich ja doch.“ Wiederum lachte er.
„Es tut mir wirklich leid“, sagte Nivira und setzte sich wieder hin,
„Für mein Verhalten gibt es keine Entschuldigung, war es schlicht und einfach falsch.“
„So ist es!“ sagte Vemuor etwas streng.
„Ich möchte nochmals sagen wie leid es mir tut. Ich war eh schon
aufgebracht wegen diesem Gesetz und hatte wenig Geduld und Nerven. Es wird
nicht wieder vorkommen. – Doch sagt mir bitte Meister Bernor, woher kennt ihr
meinen Namen?“
„Du hast es also doch bemerkt! Nun Nivira ich bin nicht ohne Grund hier,
sondern deinetwegen. Wärst du zu meiner Zeit geboren, wäre dieser heutige Tag
der Tag, an dem ich dich unter meine Fittiche genommen hätte. Leider aber ist
dies nicht mehr möglich. Wir beide glauben zu wissen warum, doch weiss nur ich,
den wahren Grund und die volle Wahrheit.“
„Woher wisst ihr von mir? Und was meint ihr mit wahrem Grund? Der
Grund ist dieses Gesetz, ist es das nicht?“
„Das ist schon richtig. Doch betrachte diese Situation mal genauer. Ist
dieses Gesetz wirklich der wahre Grund? – Warum gibt es dann dieses Gesetz?“
„Das… weiss niemand so recht.“
„Richtig und zwar darum, weil genau dies Geheimnis der wahre Grund ist,
warum weibliche Menschen keine kämpferische Ausbildung mehr erhalten.“
„Ich verstehe was sie meinen Meister Bernor. Dann also kennen sie jenes
gut gehütete Geheimnis?“
„Ich will es mal so ausdrücken… Ich kenne die Geschichte um den dunklen
Menschen Caros.“
„Caros? Was hat er hiermit zu tun? Ich verstehe nicht worauf sie hinaus
wollen.“
„Nun du magst dir vielleicht vorstellen dass ein jeder welcher das
Geheimnis weiss einen Eid ablegen musste, es ins Grab mit zu nehmen. Daher kann
ich dir nur eine Geschichte erzählen und vielleicht kommst du dann selbst
hinter das versteckte Geheimnis. Es gibt dabei nur eine Regel, du sollst mich
nie unterbrechen!“
„Ich weiss noch immer nicht was Caros mit diesem ganzen Gesetzzeug zu
tun hat, aber würde ich sehr gerne ihre Geschichte hören.“
„Dann hör gut zu…“, sagte Vemuor lächelnd und sah zum Himmel. „Caros,
mein alter Freund…“ Sofort wollte Nivira einen Ausruf des Erstaunens verläuten,
doch stoppte sie sich selbst, um ihr Versprechen Meister Bernor nicht zu
unterbrechen zu halten. Sie sah ihn an und es schien als war er nicht da,
sondern dort, wovon seine Worte erzählten. „Ich kenne ihn seit dem Tage seiner
Geburt. Seine Mutter war mit Abstand die allerschönste Frau des Dorfes Allwero
wenn nicht des ganzen Landes. Alle Männer liebten sie und selbst wir Knaben
waren von ihr verzaubert. Sein Vater besass eine Schneiderei wo alle
restlichen, schönen Frauen von Allwero arbeiteten. Vierzehn am Stück und
natürlich Lady Cara selbst. Auch war sie es, welche die Schneiderei
hauptsächlich leitete, da Lord Dunos oft geschäftlich unterwegs war – er liebte
das Handeln. Nötig, hatte er es jedoch nicht. Er verdiente sehr gut an der
Schneiderei und konnte sich leicht dies schöne grosse Haus am Dorfsee leisten.
Ja die Familie Narmaa war damals eine bekannte, reiche Handelsfamilie. Ich
schätze du hast diesen Namen noch nie gehört – Narmaa?“ Nivira schüttelte nur
kurz ihren Kopf und hörte weiter gespannt zu. „Das dacht ich mir. Und dies
obschon es Caros’ Nachname ist. Dunos Narmaa, Cara Narmaa und Caros Narmaa…
Ich war 15 Jahre alt, als Caros Narmaa geboren wurde. Sein Name ist
zusammengesetzt aus den Namen seiner Eltern, wie du vielleicht bemerkt hast.
Das "Car" von Cara und das "os" von Dunos. Seine Mutter war
sehr stolz auf ihn und liebte ihren Sohn sehr… sein Vater, wäre es mit
Sicherheit auch gewesen… Caros wurde geboren als Dunos auf einer seiner
Geschäftsreisen war, von der jedoch nie kehrte. Niemand weiss was genau passiert war, doch wurde seine
kleine Handelsgruppe überfallen und alle getötet – bis auf den letzten Knaben
der den Zugesel führte. Es war ein harter Schlag für Cara und das ganze Dorf
Allwero. Er war ein beliebter Mann, nicht zuletzt weil er so grosszügig war.
Einmal im Jahr gab es immer ein Dorfsessen, für welches Dunos das ganze Essen
zahlte und einige seiner besten Weine zur Verfügung stellte. Das war ein
Festmahl kann ich dir sagen… die guten, alten Tage.
Tut mir Leid ich schweife etwas ab… Ich mag die Erinnerungen zurück an
Allwero, mein Heimatdorf. Es war eine wunderbare Zeit…
Nun zurück zu Cara und Caros. Die
Lady stand nun also alleine da, mit dem Kleinen und sie wusste, dass nun sie
selbst dafür zu sorgen hatte, dass sie beide Geld verdienten. Sie wollte daher
die Leitung der Schneiderei nicht abgeben und nahm stattdessen den Kleinen
jeden Tag mit zur Arbeit. Und so wuchs er auf – ständig umgeben von den
schönsten Frauen, die ihn alle liebten und verhätschelten. Haha… jedermanns
Traum kann ich dir sagen. Er wurde täglich umarmt und geküsst und roch die Nähe
von so vielen Frauen. Doch nicht nur das. Als er älter wurde und sprechen
lernte, war er bereits ein grossartiger Zuhörer. Obschon er wohl die meisten
Erzählungen dieser Frauen damals nicht verstand, speicherte sie sein Herz. Und
er hörte und lernte mehr und mehr wie Frauen fühlen und denken, wie sie
reagieren was ihnen wichtig ist und alles sonst noch, was für uns normale
Männer nur ein Rätsel ist.“ – Nivira setzte kurz einen unverständnisvollen
Blick auf, sagte jedoch nichts – „Man kann sagen dass er als junger Knabe
bereits ein besserer Frauenkenner war als einige dieser angeblichen
Frauenhelden. Auch liebte ihn jedes weibliche Geschöpf in Allwero. Er war freundlich,
hilfsbereit und konnte sich höflicher ausdrücken als manch Adliger. Er war auch
mit Abstand der hübscheste und süsseste Knabe (wie die Damen zu sagen pflegten)
– ganz wie seine Mutter. Er hatte ihre stahlblauen, tiefen Augen und das
dichte, pechschwarze Haar seines Vaters. Es war ein wunderschönes Bild wenn
Cara mit Caros in der Hand spazieren ging – das Traumkind und die Traummutter.
So sagte man früher. Die Leute glaubten dass die Götter es gut mit den beiden
meinten weil sie einen so schweren Schicksalsschlag überstehen mussten und sich
aus eigener Kraft weiterkämpften. Ja kaum zu glauben wer Caros früher
eigentlich war… Sein junges Leben war wirklich erfüllt. Schon im Kindergarten
hatte er kleine Freundinnen und immer mehr als eine. So ging es auch weiter
über alle Jahre. Er wurde älter und entwickelte sich zu einem jungen, starken
Mann. Ein sehr begehrenswerter Mann. Er konnte sie alle haben – jedes Mädchen
oder Frau die er wollte. Er genoss dies Glück sehr und lebte es auch aus. Er
hatte nie eine feste Freundin – oder man kann sagen er hatte sehr viele feste
Freundinnen gleichzeitig. Er ging zu wem er wollte, nach wem es ihm besann. Er
liebte jede einzelne von ihnen – gewiss nicht so sehr wie sie ihn – doch er
liebte die Frauen und konnte nicht genug von ihnen kriegen. Er war auch nie
unverschämt oder hätte eine Frau ungerecht behandelt. Er wusste von Kind auf
was eine Frau zum weinen brachte und er vermocht das nicht anzusehen. Er war
vernarrt in das Lächeln einer Frau und pflegte zu sagen dass nicht der Körper
einer Frau das wichtigste sei, denn ist es doch ihr Lächeln, dass uns Männer so
magisch anzieht. Er brachte auch nie eine Frau zum weinen – jede wusste, dass
er noch andere Frauen als nur sie hatte. Doch nur schon ein Teil seiner Liebe
zu spüren war für diese Frauen die Erfüllung ihrer Mädchenträume. Was sie
besonders an ihm liebten – ausser seinem guten Aussehen und seinem
unwiderstehlichen Charme – war dass er ihnen nicht nur ein Liebhaber war,
sondern auch ein guter Freund, der immer für sie da war und dem sie alles
erzählen konnten. Zuhören, ja darin war und ist er wohl der beste von allen
Männer dieser Welt. Es machte ihm nichts aus stundenlang dazusitzen und seiner
Freundin zuzuhören. Er verriet mir, dass er dann immer ihr Gesicht beobachtete,
welch verschiedene Formen es annahm und wie es sich durch ihre Emotionen
veränderte. Trotzdem hörte er alles was sie sagte und hätte dir ihre Geschichte
wiedererzählen können. Ja die Frauen sind für ihn das grösste Geschenk und
Wunder dieser Welt. Er liebt sie alle innig. Ja es ist eine Schande, was
geschah…
Er war also der begehrteste junge Mann seiner Zeit und hatte natürlich
das meist erfüllte Liebesleben. Er war lange glücklich.
Doch merkte er nicht,
dass mit all seinen schönen Liebes-Erlebnissen ihm etwas zu fehlen beging. Eines Tages aber, nach einer neuen, frischen Eroberung fühlte er sich gar nicht
stolz oder glücklich.
Er konnte sein Befinden nicht richtig deuten und war auch
verwirrt, sich so anders zu fühlen. Seine Gedanken zeigten ihm die Worte; es
war "bloss" eine neue Frau – es war normal geworden. Er brauchte sich
nie anzustrengen, warfen sich die Frauen doch freiwillig auf ihn. Er hätte sie
schlecht behandeln können, doch das hätte nichts gebracht und ausserdem wollte
er dies gar nie tun. Doch alle künftigen Erlebnisse von
jenem Tage an, liefen wie eine Wiederholung ab. Da war nichts neues, nichts Spannendes
und nichts Herausforderndes. Mehr noch – er fing an sich leer zu fühlen und
vermisste dieses Adrenalingeladene Gefühl, als er einer neuen, so wunderschönen
Frau begegnete und sie dann mit seinem Charme für sich zu gewinnen versuchte –
was natürlich immer glückte. Es war als ob seine Leidenschaft, das Erobern
einer Frau seinen Sinn, seinen Reiz verloren hatte. Es war kein Erobern mehr,
er hatte die Frauen alle schon bevor er auch nur sein Charme gebrauchen musste.
Ja bevor er auch nur ein Wort sagen musste. Er war ein Kämpfer, ein Abenteurer
und liebte Herausforderungen. Doch war davon nichts mehr übrig geblieben und er
merkte mehr und mehr wie sehr ihm diese Herausforderung fehlte. Da kam er ganz
nach seinem Vater Dunos, der seine einfachen Handelsreisen zu einer Reihe von
Herausforderungen wandelte und es liebte sie zu bestehen. Die wohl grösste
Herausforderung Dunos’ war das Erobern von Cara und als er dies erreichte, war
sein Jägerdurst und Herausforderungsdrang zum grössten Teil erfüllt und er
wurde der glücklichste Mann der Welt. Doch Caros vermochte dies nicht zu
erreichen. Es gab keine Frau zu erobern – nicht eine einzige, die ihn nicht
mochte und die er überzeugen konnte. Er konnte den Abenteurer ausleben wenn wir
zusammen unterwegs waren – doch der Jäger in ihm konnte er nicht befriedigen.
Caros wurde innerlich unglücklich doch zeigte dies kaum nach aussen. Mir
hatte er es anvertraut nach einer gewissen Weile. Wie gut ich mich an jenen,
traurigen Tag erinnern kann. Wir liessen erst gerade ein Dorf hinter uns und
übernachteten im Freien. Caros sass mir gegenüber am Feuer und sah plötzlich so
verändert aus, dass ich richtig erschrak. Ich konnte nicht genau sagen was anders
war, ausser dass sein Mund sich nicht glücklich bog. Also frage ich ihn: «Was ist denn los Caros? Du siehst gar nicht
gut aus. Hast dir was eingefangen?»
«Ich muss nicht fangen ich
kriege einfach…» sagte er traurig. Doch natürlich verwirrte mich diese Aussage,
da ich keine Ahnung hatte was in ihm vorging. So hackte ich nach: «Wie meinst
du das? Lieben dich nun auch noch alle Bakterien?» Ich sprach mit witzigem Ton,
dachte ich er hatte nur ein kleines Tief.
«Wundern würde es mich nicht!»
sagte Caros sehr ernst, «Doch sind es nicht Bakterien die mich plagen. Ich hab
gar nichts in mir drinnen Vemo. Ich fühl mich leer. Was ist nur geschehen?» Er
blickte mir direkt in die Augen und doch war es, als sah er mich nicht an.
Seine Augen waren starr ohne Glanz noch Gefühl in ihnen. Er sass da wie eine
traurig gearbeitete Puppe. Ich wurde richtig besorgt und hackte nach, bis er
mir schliesslich erzählte was ihn so sehr bedrückte. Es machte auch mich traurig,
auch wenn ich eine Weile brauchte um zu verstehen, dass der Begehr den die
Frauen für ihn empfinden, ihn belastete und noch mehr, unglücklich machte. Ich
versuchte ihn aufzumuntern doch war dies gar nicht möglich. Er lächelte zwar
wieder, doch war mir schon damals bewusst, dass es unecht war. Ich dachte ein
paar Kämpfe würden ihn ablenken und wären das Beste für ihn. Doch lag es nicht
ihn meiner Macht ihm das zu geben, was er so sehr ersehnte. Ich konnte nur noch
zusehen…“ Vemuor’s Gesichtzüge änderten sich in ein tieftrauriges, sehr altes
Gesicht. Ein Gesicht wie eines Mannes, der auf ein unerfülltes Leben zurückblickte. Er
bewegte sich nicht und seine Atmung war sehr sanft und kaum seh- oder
wahrnehmbar. Er verblieb eine Weile in Schweigen, dann schaute er auf, noch
immer mit einem traurigen, bedauernden Gesicht. „Er war so ein guter Kämpfer…“
fuhr er fort, „Hätte er das Kämpfen doch bloss mehr geliebt als die Frauen. Er
wäre der grösste Krieger der Menschen geworden und wäre es noch immer. Aber
sein Jäger war stärker als sein Abenteurer. Und so, wurde alles anders. Wir
trennten uns bald nachdem ich wusste wie es um ihn stand. Es ärgerte mich doch
hatte ich Pflichten beim König, welche es galt zu erledigen. Doch erzählte mir
Caros persönlich, an seinem letzten Tag bei den Guten, was dann geschah. Wir
trennten uns in der Hafenstadt Zenum, wo er einige Bekannte hatte. Er besuchte
also Nadina, eine seiner Freundinnen. Als sie ihre Liebe wieder sah fiel sie
Caros um den Hals und begrüsste ihn sehr herzlich. Doch nicht wie sonst immer
endete dieses Wiedersehen im Bett, sondern in einem Spaziergang am Meer. Nadina
sprach und sprach, erzählte was sie alles erlebt hatte, wie es ihr erging.
Caros hörte aufmerksam zu und speicherte sich alles im Hinterkopf – ja seine
unglaubliche Fähigkeit gebrauchte er ein weiteres Mal. Doch ihre letzte Story,
sollte sich nicht lange nur in seinem Hinterkopf aufhalten. «Hast du eigentlich
auch von dem dunklen Menschen gehört?» fragte sie Caros.
«Menschen sind doch gut, warum
sollten sie dunkel sein?»
«Ich weiss ich weiss! Doch hör
zu, du glaubst nicht was hier in Zenum vor ein paar Tagen abging. Da war dieser
Typ, Ferio Tomma, der plötzlich anfing überall Ärger zu machen. Er klaute und
schlug Menschen k.o. Und als sich ein paar Soldaten um ihn kümmern wollten, da
tötete er sie! Kannst du dir das vorstellen? Seine eigenen Leute. Zenum geriet
in Aufruhr und man durchsuchte die ganze Stadt nach ihm und liess niemanden
rein oder raus. Er ermordete dann noch weitere Menschen, die ihn wohl entdeckt
hatten, bis er schliesslich von den Truppen eingefangen werden konnte. Es war
an einem frühen Morgen und jeder hier bekam es mit, da dieser eklige Ferio durch
die ganze Stadt schrie. Er sei dunkel, er sei kein richtiger Mensch und so
schwach wie wir alle. Er sei stärker und würde jeden Menschen ausrotten wollen.
Alle waren entsetzt. Sein Schicksal wurde dann dem König überlassen, welcher
sich für seine Tötung entschied. Manche behaupteten, dass sein Vater in
Wirklichkeit ein Dunkelelf war und er daher so böse war. Kannst du dir das
vorstellen? So ein Abschaum! Ein richtiger Idiot! Wäre er doch bloss nie
geboren worden, dieses verdammte Biest! Er machte jeden hier wütend und jeder
war glücklich, als er hingerichtet wurde. Er hatte wohl gar keine Freunde und
schon gar keine Freundin. Pha geschieht ihm recht! Mit so einem ekligen Typen würde ich auch nichts zu tun haben wollen! Unglaublich findest du nicht?»…
Und diese kleine Geschichte,
über einen durchgeknallten Menschen, war das Letzte was dazu beitrug, dass
Caros der einzige und überall bekannte, dunkle Mensch wurde. Erst beachtete er
diese Geschichte nicht gross, wie gesagt nahm er sie einfach auf und speicherte
sie ab. Doch bei seiner Abreise aus Zenum, flog ihm ein Plakat vor die Füsse.
Er hob es auf und betrachtete es. Es hatte eine grosse Überschrift «Gesucht!»
dann das Bild eines Mannes und folgend fett geschriebenen Text: «Feroio Tomma. Er ist gefährlich und mit
Waffen ausgerüstet. Er muss den königlichen Truppen übergeben werden!». Caros
war dabei das Plakat wieder fortzuwerfen, als er es plötzlich nochmals genau
ansah. Der Mann auf dem Bild war eigentlich sehr gut aussehend und Caros selbst
könnte ihn als Konkurrenz ansehen, wenn es um Frauen ging. Doch obwohl er gut
aussah, waren alle Menschen hier wütend auf ihn… Caros holte sich die Story um
diesen Mann nochmals hervor und Sätze wiederholten sich in seinen Gedanken.
«…dieser eklige Ferio…», «…König… für seine Tötung entschied…», «…Abschaum!»,
«Ein richtiger Idiot!», «…bloss nie geboren worden…», «…verdammte Biest!», «Mit
so einem ekligen Typen würde ich auch nichts zu tun haben wollen!». Caros
hielt inne, der Jäger in ihm schrie. Plötzlich zeichnete sich ein Lächeln in
seinem Gesicht. «Dieser Ferio war begehrenswert und doch verhasst» dachte Caros,
«So sehr gehasst, dass keine Frau ihn wollte. Er hätte sich also so richtig ins
Zeug legen müssen, um doch eine Frau zu kriegen…». Eine Lösung für seine Leere
war gefunden. Er könnte sich wieder glücklich und zufrieden fühlen, er könnte
wieder jagen und seine Leidenschaft ausleben. Caros war voller Energie und
Tatendrang. Er wusste was zu tun war und wollte keine Sekunde damit warten. Er
brach auf und lockte durch die Tötung von vielen, dunklen Kleinkreaturen ein
stärkeres, dunkles Wesen mit höherem Grad an – eine Gargoyl Kreatur. Er musste
den Gargoyl halb töten, um ihn zu überzeugen, dass er keine Scherze machte und
genug stark war für die Dunkle Seite. Und so wurde Caros Narmaa aufgenommen zu
den Bösen und seither von ihnen beauftragt und ausgebildet. Er wurde bekannt
als Caros, der dunkle Mensch, und dies in kürzester Zeit. Sein Durst seine
Leidenschaft wieder ausleben zu können war stark und unlöschbar. Seine erste Beute
sollte diese Nadina von Zenum werden. Sie war entsetzt als sie ihm begegnete
und ihre Befürchtungen, dass es sich beim dunklen Menschen um ihren Caros
handelte, wahr wurden. Sie wies ihn ab – mehrere Male – doch schliesslich erlag
sie ihm und seinem Charme doch noch und gab nach. Selbst wenn du heute mit ihr
reden würdest und sie hört wie jeder andere Mensch auch, was für grausame Dinge
Caros tut – selbst heute würde sie sagen, dass sie ihn von ganzem Herzen liebt.
Wie all die anderen Frauen, die er seither erobert hat. Und leider sind
darunter auch unsere Kriegerinnen… Manche wechselten die Seiten zu ihrem Caros,
andere konnten es weder ertragen gegen ihn zu kämpfen noch zu den Bösen zu
gehören und so liessen sie das Kämpfen sein und verschwanden im normalen
Bürgerleben!“ Vemuor machte eine Pause und holte tief Luft. „Wir haben grosse
Verluste geschrieben. Bald wurden Caros die normalen Frauen zu langweilig und
er genoss es jene zu bezirzen, welche gegen ihn kämpfen sollten. Wir können uns
keine weiteren Verluste leisten, oder Caros wird schliesslich gewinnen und die
Überhand erhalten. Wenn dies geschehen würde, würde er nicht lange darauf warten
alle guten Lande einzunehmen. Ja er wurde eine richtig, grosse Bedrohung…
Und das ist sie… die Geschichte
vom dunklen Menschen Caros…“
Sowohl Vemuor als auch Nivira sassen lange einfach still da und dachten
nach. Nivira konnte nicht glauben was sie soeben erfuhr und konnte sich nun
denken, warum ihr verhasstes Gesetz gemacht wurde und auch warum es geschützt
und geheim war. „Ich hätte das nie gedacht“, sagte Nivira nach einer Weile.
„Das sagen sie alle, wenn sie
meine Story hören“, sagte Vemuor.
„Ich verstehe nun… doch
irgendwie müssen wir diesen Kampf doch gewinnen können.“
„Ja darüber zerbrechen sich
viele, grosse, weise Leute täglich den Kopf. Dinge sind am geschehen keine
Angst. Aber wir sind bei weitem noch nicht soweit, um es mit Caros
aufzunehmen.“
„Und warum habt ihr mich
aufgesucht Meister Bernor? Warum habt ihr mir dies alles erzählt?“
„Weil du uns helfen sollst Nivira,
im Kampf gegen Caros…“ Vemuor lächelte.
„Aber!“ protestierte Nivira als
ihr Vemuor ins Wort fiel: „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass eine Lasina oder gar eine Liena einfach aufgehört haben zu kämpfen, oder?
Nein, nein! Diese Frauen sind nicht zu stoppen oder ruhig zu kriegen. Also
haben wir sie einfach unbekannt gemacht. Wann immer sie was taten, wurde der
Name eines Kriegers verbreitet. Wenn normale Leute involviert waren, hat man
deren Gedanken verhext und ihnen falsche Erinnerungen gegeben. Du hörst nur
nichts mehr von ihnen Nivira, aber sie sind noch immer da, und kämpfen für uns
– unsere Kriegerinnen!“
„Das heisst also… Ich kann…“
„Ja Nivira! Du sollst eine
Kriegerin werden und für uns kämpfen. Wir können dir keinen grossen Namen geben
– auch du dir selbst nicht. Aber wir können es dir ermöglichen Taten zu
vollziehen, etwas zu tun und nicht nur zusehen. Unser Ziel ist klar...
...Caros, der dunkle Mensch hat ausgeliebt-, gelebt!"