Evelyn Goßmann

Hausarrest

 
Man hatte ihn zum Einkaufen geschickt den kleinen Knirps der wieder etwas angestellt hatte und daher eigentlich nicht zum Spielen hinaus durfte.
Er war das 5. Kind von sechsen, und eigentlich ein kleiner herzensguter Kerl. Aber hin und wieder gab es auch mal Ärger wie überall und in jeder Familie.
Er war sich manchmal gar nicht bewusst ob oder was er wieder angestellt haben sollte. Manchmal war er einfach verwundert warum es wieder eine Strafe gab. Dann fragte er sich ob er nicht gut auf den kleinen Bruder aufgepasst hatte, oder dem älteren Bruder das Fahrrad unwissentlich verbeult haben könnte. Er schaute immer etwas verschmitzt, war schon ein kleiner Lausbub, aber mit einem riesengroßen guten Herzen, und war niemals wissentlich böse.
Wenn es ihm dann doch mal bewusst war weil er wieder mal eine Hose zerrissen hatte oder Löcher in den Strümpfen, die bei den älteren Brüdern schon lange Zeit überlebt hatten dann sah er es ein, ging oftmals freiwillig vor die Türe, und bettelt nach einer Weile:
"Mama bitte lass mich wieder rein, der böse Hanno ist weggegangen, der liebe Hanno ist wieder da." Dabei schaute er dann so treuherzig aus seinen großen braunen Augen die Mama an, dass sie ihn lachend wieder ins Zimmer zog und alles war wieder gut. Er war schon ein richtig kleiner Herzensbrecher, dem man nie lange böse sein konnte.
 
Froh, weil er auf diese Weise überhaupt hinaus kommen konnte, schnappte sich der kleine Hanno das Einkaufsnetz, den Zettel, die abgegriffene Geldbörse und verschwand möglichst schnell über die paar Stufen die nach draußen führten in Richtung Tante Emma Laden. Dort besorgte er auch brav alle Dinge die ihm aufgetragen waren, und erstand für wenige Münzen die er in seiner Hosentasche gefunden hatte ein Schokoladenherz für seine Mama.
 
Er war glücklich seiner Mama eine Freude machen zu können, denn bald schon war Muttertag und er hatte sonst nichts zu verschenken.
Auf dem Rückweg kam er am Sportplatz vorbei wo gleichaltrige Jungen fröhlich umhertollten und Fußball spielten.
Sehnsüchtige Blicke sandte er zu ihnen hinüber, und wollte nur eine kleine Weile zuschauen ehe er wieder heimging um brav den langweiligen Hausarrest weiter abzusitzen.
"Hey Hanno, komm spiel doch mit", rief ihm einer der Jungen zu der ihn dort am Rande des Spielfeldes mit sehnsüchtigen Blicken stehen sah.
Der Knirps bekam leuchtende Augen und ließ sich das nicht zweimal sagen,
spielte mit den anderen Kindern, tollte auf dem grünen Rasen herum, und vergaß die wartende Mama, den Einkauf, das Nachhausegehen und die Zeit.
" Auwei", sagte plötzlich mahnend eine Stimme neben ihm, du hast ja hier Einkäufe liegen, musst die sie nicht erst heimbringen?
Hanno erschrak, das hatte er total vergessen. Mit wirklich schlechtem Gewissen schnappte er sich das Netz und verabschiedete sich eilig von den anderen.
Dann fiel ihm das Schokoladenherz ein dass er für die Mama gekauft hatte, und ein schelmisches Grinsen flog über seine eben noch so betrübtes Gesicht.
Es war inzwischen ein wenig zerbeult worden in der Hosentasche, und klebte auch schon sehr. " Mmhmm,ich muss doch mal probieren, wie das schmeckt", dachte er bei sich, und biss vorsichtig hinein in die leckere Schokolade. Das fehlende Eckchen würde die Mutter kaum bemerken.
Dann biss er nochmal ab, und noch mal - nach jedem herzhaften Bissen schien die Schokolade besser zu schmecken. Vor lauter Wohlbehagen in seinem kleinen Bauch war ihm nicht mal aufgefallen dass das Teil immer kleiner und weniger wurde.
Erschrocken sah er plötzlich auf den krümeligen Rest in seiner Hand. Oje, er hatte nur probieren wollen, nun sah er aber kläglich aus dieser kümmerliche kleine Rest.
Das konnte er der Mama nicht mitbringen, entschied er ganz spontan und stopfte den Rest auch noch in den verschmierten Schokoladenmund.
Schuldbewusst klingelte er schliesslich an der Tür. Blitzartig war ihm klar dass das nicht richtig war was er da gemacht hatte. Leider kam die Einsicht
etwas zu spät.
Die Mutter, die ihn längst zurückerwartet hatte öffnete die Tür und wollte gerade mit Schimpfen loslegen, als sie sah dass dem kleinen Schlingel dicke Tränen über das Gesicht kullerten. Schuldbewusst stand er da mit hängendem Kopf, total zerknirscht seine Strafe erwartend.
Erschrocken hielt sie inne und fragte was passiert sei.
Schluchzend erzählte Hanno alles genau so wie es sich zugetragen hatte, und dass er nicht böse sein wollte, einfach die Zeit vergessen habe, und für die Mama hatte er sogar ein Herzchen gekauft, weil er sie so lieb habe.
"Wo ist denn das Herz", wollte die überraschte und gerührte Mama wissen, die wohl wusste dass der kleine Unglücksrabe nicht wirklich böse war.
Da schossen die Tränen wie Sturzbäche aus den Augen, und die Spuren der Schokolade am Mund verrieten schon, wo das Herz abgeblieben war.
"Ich wollte probieren ob es auch gut schmeckt, und auf einmal war da nur noch ein Krümelchen, das wollte ich dir nicht geben, denn es sah gar nicht mehr aus wie ein Herz", stammelte er verlegen und wagte kaum die Mama anzuschauen.
Die konnte sich das Lachen kaum mehr verbeißen, und schloß den Kleinen liebevoll in die Arme. Diesmal kam er mit einer Ermahnung davon, und strahlte bald wieder über das ganze Gesicht.
Er versprach hoch und heilig nach dem nächsten Einkauf gleich heimzukommen -  na ja und weil er so ehrlich war wurde auch der Hausarrest gleich aufgehoben.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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