Peter Kropidlowski

Drama am Casinoweiher

Frank atmete während des Laufens ruhig und gleichmäßig. Hin und wieder schaute er auf seinen Pulsmesser, den er am linken Handgelenk trug. Er war, wie jeden Morgen, an den Kelmiser Casinoweiher gegangen, um zu Joggen. Heute war es etwas später als gewöhnlich, denn Frank hatte seinen freien Tag. Hier, wo früher Zinkerz, das sogenannte Galmei, abgebaut wurde, war ein Paradies für Spaziergänger und Jogger entstanden. Ein Kleinod, auf das die Gemeinde mit Recht stolz sein konnte.
Frank wurde langsamer und ging schließlich die letzten paar Schritte. Jetzt, nachdem er die Hälfte des Trimm dich Pfades zurückgelegt hatte, wollte er ein paar Übungen machen, bevor er über die 2. Hälfte den Rückweg antrat. Frank betrat den Grünstreifen am Ufer des Sees. Bevor er sich ins Gras setzte, um mit seinen Übungen zu beginnen, ließ er seinen Blick über den See schweifen. Dabei bemerkte er an einem im Wasser liegenden Baumstamm etwas, das aussah wie ein…
Er konnte, da der Baumstamm sich etwa 10 Meter von ihm entfernt befand, nichts Genaues erkennen. Deshalb ging er auf den Baum zu und als er diesen erreicht hatte, sah er seine erste Vermutung bestätigt. >Was es doch für Idioten gibt<, dachte er so bei sich. >Da hat doch tatsächlich einer eine Schaufensterpuppe ins Wasser geworfen. Dafür gibt’s doch nun schließlich die Deponie auf der Lütticherstraße<. Er schickte sich an, die Puppe an dem neben dem Baum hochragenden Arm aus dem Wasser zu ziehen, um sie später in seinen Pkw zu legen und mitzunehmen. Wenn er etwas hasste, dann war das die Tatsache, dass die Menschen sich durch ihre Oberflächlichkeit ihre Umwelt selbst zerstörten. Von der Puppe war nur der Arm zu sehen, der Rest hatte sich unter dem Baum verhakt und schwamm unter der Wasseroberfläche. Frank zog an der Hand, ließ aber einen kurzen Augenblick später wieder los und sprang zu Tode erschrocken einen Schritt zurück. Fast wäre vor Schreck sein Herz stehen geblieben. Das was er da aus dem Wasser ziehen wollte, war keine Puppe, das war ein Mensch. Durch den Ruck an der Hand hatte sich der Körper vom Baum gelöst und kam nun vollends zum Vorschein.
Frank starrte auf die Leiche einer Frau. Frank griff mehr automatisch als bewusst zum Handy und wählte den Notruf. Seit er sich vor fast 2 Jahren einmal beim Joggen in einem Waldgebiet bei Roetgen einen Fuß gebrochen hatte, trug er es auch beim Sport immer bei sich. Das Handy hatte ihn damals davor bewahrt, die eisige Winternacht im Freien verbringen zu müssen. Fünf Minuten später hörte man schon die Sirene der Polizei und eine weitere Minute danach standen 2 Beamte von der Wache in Kelmis neben ihm.
„Wann haben sie die Leiche gefunden?“, fragte einer der Polizisten, während der andere schon über Funk die Kripo in Eupen verständigte. Danach fotografierte der Beamte die Leiche im Wasser und zog sie dann aufs Ufer, damit sie nicht abtreiben konnte. Anschließend wurde der Fundort weiträumig abgesperrt. Noch während das geschah, gesellten sich 2 weitere Herren zu ihnen, Hauptkommissar Berger und Oberkommissar De Ruijter von der Kripo Eupen. In ihrem Schlepptau folgten nur Augenblicke später der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung. „Hallo meine Herren, was liegt an?“ Berger sprach den ihm am nächsten stehenden Polizisten an. „Weibliche Leiche im Wasser. Der Mann drüben bei meinem Kollegen hat sie gefunden und uns alarmiert.“ Der Gerichtsmediziner untersuchte bereits die Leiche und als Berger und De Ruijter zu ihm kamen, sagte er, ohne danach gefragt worden zu sein: „Sie ist noch nicht lange tot. Aufgrund der Leichenstarre, der Körpertemperatur und der Totenflecken würde ich sagen so ca. 4 Stunden.
Todesursache war ein Schlag ins Genick, denn das ist gebrochen.“ Berger bedankte sich und die beiden Kommissare gingen zurück zu den Beamten aus Kelmis. Er informierte sie über den Stand der Dinge und ordnete an, dass in den umliegenden Häusern ermittelt werden sollte, ob zum fraglichen Zeitpunkt jemandem etwas aufgefallen sei. Auch Berger und De Ruijter beteiligten sich an dieser Aktion. Es gab nur wenige Häuser hier und die Beamten liefen vor geschlossene Türen, da die Bewohner wohl alle zur Arbeit waren.
Nur in einem Haus hatten sie Glück. Nachdem De Ruijter 2 x vergeblich geklingelt hatte und sie schon wieder gehen wollten, wurde die Tür von einer älteren Dame geöffnet. „Guten Morgen meine Herren. Was kann ich für sie tun?“ Die Kriminalbeamten zeigten ihre Ausweise und stellten sich vor. Dann fragten sie die Dame nach Auffälligkeiten in dem vom Gerichtsmediziner angegebenen Zeitraum. Nachdem die Drei im Wohnzimmer der Dame Platz genommen hatten, begann diese zu erzählen. „Es war so gegen sechs Uhr heute Morgen. Da hörte ich, wie sich zwei Frauen lauthals stritten. Worum es genau ging, konnte ich nicht verstehen, aber die eine brüllte irgendwann die andere an, sie wäre ohnehin nur eine miese Schlampe. Der Streit dauerte höchstens fünf Minuten. Dann war alles wieder still. Ich dachte, die beiden Frauen wären weitergegangen und habe nicht weiter darüber nachgedacht.“ De Ruijter hatte alles notiert. Die Beamten bedankten sich bei der Dame für ihre Hilfe und verließen das Haus.
Wieder am Tatort angelangt überraschten die Kelmiser Kollegen sie mit einer profunden Theorie. Die Tote hat sich wohl hier mit einer anderen Frau gestritten. In Verlauf des Streits muss es dann zum Mord gekommen sein“, sagte einer der Ordnungshüter. Verdutzt sahen sich Berger und De Ruijter an. „Woher wisst ihr das denn jetzt, seid ihr unter die Hellseher gegangen?“ Der Polizist lachte und erwiderte: „Nein, aber in der Hand der Toten wurde ein Ohrring gefunden und die Spurensicherung hat Schleifspuren gefunden, in denen die Abdrücke von hochhackigen Absätzen zu sehen waren.“
„Gute Arbeit Männer. Wir werden uns dann mal auf die Socken machen und die Angehörigen informieren. Laut Personalausweis, den die Tote in der Tasche hatte, wohnt sie hier in Kelmis.“ Die Kommissare verabschiedeten sich und fuhren in die Comouthstraße, die als Meldeadresse auf dem Ausweis gestanden hatte. Auf ihr Läuten öffnete eine Frau und lächelte die Beamten an. „Ja bitte?“ Routinemäßig glitten die Hände der Männer in die Taschen und kamen mit ihren Dienstausweisen wieder hervor. „Wohnt hier eine gewisse Nadine?“ Berger hatte diese Frage gestellt. Das Lächeln der Frau gefror auf deren Lippen. „Ja, das ist eine meiner Töchter, bitte kommen sie doch herein. Ist etwas passiert?“ Die Gesetzesmänner überbrachten die traurige Nachricht und ließen anschließend der Mutter erst einmal einige Minuten Zeit, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen. Ihr zierlicher Körper wurde immer noch von Weinkrämpfen geschüttelt, als die Kommissare hörten, dass die Haustür aufgeschlossen wurde.
Sekunden später stand eine junge Frau, etwa im gleichen Alter wie die Tote, im Raum. „Mama, um Gottes Willen, was ist denn passiert? Warum weinst du und wer sind diese Herren?“ Berger stellte sich und den Kollegen vor und erzählte nun auch der Schwester, was geschehen war. Diese war Fassungslos und begann ebenfalls zu weinen. „Um ganz sicher zu gehen, dass es sich wirklich um ihre Tochter handelt, müssen wir sie bitten, die Tote zu identifizieren“, sagte Berger und schaute die Mutter an. „Das mache ich, ich möchte das meiner Mutter ersparen“, entgegnete die Schwester spontan.
Die Kommissare hatten nichts dagegen und fuhren mit ihr nach Eupen. Unterwegs klingelte Bergers Handy. Berger betätigte die Freisprechanlage und lauschte den Ausführungen seines Gegenparts am anderen Ende der Leitung. Außer ihm konnte niemand das Gespräch verfolgen, denn Berger trug einen winzigen Kopfhörer im Ohr. „Ich danke ihnen, dass sie mich gleich informiert haben. Wir sind in wenigen Minuten auf dem Revier. Schicken sie mir den Bericht bitte gleich ins Büro.“ Dann legte er auf und sagte zu ihrer Mitfahrerin: „ Ich verhafte sie hiermit wegen des dringenden Verdachts, ihre Schwester ermordet zu haben. Genaueres erkläre ich ihnen auf dem Revier.“ Nicht nur die Schwester, auch De Ruijter war erstaunt. Aufklärung gab es dann im Büro der Kriminalwache. „Das eben am Telefon war der Gerichtsmediziner. Er hat mir mitgeteilt, dass er unter den Fingernägeln ihrer Schwester Hautpartikel gefunden hat und die DNA fast die gleiche ist, wie bei ihrer Schwester. Außerdem wurde in der Hand ihrer Schwester ein Ohrring gefunden, aber das wissen sie ja, wie ich an der Verletzung erkenne, die sie am Ohr haben. Die Beweislast ist erdrückend. Aus der Sache kommen sie nicht mehr raus. Warum haben sie ihre Schwester getötet?“
Trotz der für eine Anklage ausreichenden Beweise versuchte die Schwester noch eine ganze Zeit sich herauszureden, aber schließlich brach sie doch zusammen und war letztendlich geständig. Sie erklärte den Kommissaren, dass ihre Schwester ihr vor geraumer Zeit den Freund ausgespannt hatte, den sie so sehr geliebt hatte und immer noch liebte. Es hatte oft Streit gegeben zwischen den Schwestern.
Ihre Schwester war mit ihrem Freund, oder besser gesagt Ex – Freund umgesprungen, wie mit einem Spielzeug. Das hatte sie zur Raserei gebracht. Da sie wusste, dass ihre Schwester oft frühmorgendliche Spaziergänge am Casinoweiher machte, hatte sie sich an ihre Fersen geheftet und sie dort zur Rede gestellt. Sie wollte sie ein letztes Mal bitten, den Freund wieder für sie freizugeben. Diese aber hatte nur gelacht und entgegnet: „ Ihn freigeben, da müsste ich ja bescheuert sein. Der Trottel tanzt doch lieb und brav nach meiner Pfeife. Im Bett ist der zwar ne Niete, aber dafür habe ich ja andere---zum Beispiel den Carlo aus der Pizzeria. Ich sag dir was, ich werde die Nulpe bald heiraten und dann kann er sich für den Rest seines Lebens krummlegen, damit ich MEIN schönes Leben genießen kann.“ Sie senkte den Kopf und als sie wieder aufsah, schimmerten Tränen in ihren Augen.
„Da bin ich ausgerastet. Ich hab sie angebrüllt und ihr an den Kopf geworfen, sie wäre eine miese Schlampe und hätte ihn gar nicht verdient. Ich wollte ihr die Haare ausreißen, dabei bin ich an ihrem Ohrring hängengeblieben. Sie ging in die Knie vor Schmerz. Dann sah ich diesen dicken Ast auf dem Boden liegen. Ich habe ihn einfach gegriffen und zugeschlagen. Als ich realisiert hatte, dass meine Schwester tot ist, habe ich sie ans Wasser geschleift und hineingeworfen. Anschließend bin ich geflüchtet und ziellos durch die Stadt gelaufen.“ So zerstörte eine unerfüllte Liebe und eine unerwiderte Liebe das Leben zweier Schwestern.

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