Gaby Schumacher

Bärentraum, 6. u. 7. Kapitel (Version für die Kleinsten)

 6. Kapitel
 Ankunft in der Bärenstadt
  
Nachdem sie eine Weile an der Wiese entlang gelaufen waren, blieben Zottel und Benjamin stehen und zeigten nach vorne.
„Dort hinter der Baumgruppe liegt unsere Heimatstadt.“
Kurz darauf sah Sofie viele farbige Holzhäuser. Jedes von ihnen stand in einem kleinen Garten mit einem niedrigen Zaun, der ebenfalls bunt gestrichen war. So sah alles freundlich aus. Neugierig guckte Sofie in einen der Gärten hinein:
„Oh, eine Schaukel und ein Klettergerüst! Bestimmt für die Bärenkinder, nicht?“
  
Ohne die Antwort abzuwarten, lief sie zum Nachbarszaun.
„Die haben ja sogar ein Planschbecken aufgestellt!“
Die Tante im Kindergarten hatte mal erzählt, dass Bären gerne baden. Immerhin das hatte sie richtig gewusst. Deshalb fand Sofie sie jetzt wieder richtig nett.
  
Das kleine Mädchen fragte den beiden Bären regelrecht Löcher in den Bauch:
„Wo sind denn der Kindergarten und die Schule? Wo arbeitet ihr Großen? Darf ich mir das alles angucken?“

Kurz darauf kamen sie an einem Polizeihaus vorbei. Sofie war begeistert. Damit jeder es sofort fand, war es grellgrün gestrichen. Drei Häuser weiter stand sogar ein kleines Feuerwehrhaus und in der offenen Garage daneben entdeckte Sofie das zugehörige Feuerwehrauto. Das Haus war knallrot und das Auto selbstverständlich erst recht. Sogar die schwarze Hupe fehlte nicht. Sofie entdeckte sie links neben dem Lenkrad und konnte es einfach nicht lassen:

`Tööt!` machte es und weil sich das so toll anhörte, gleich noch einmal ´Tööt!` Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte sie denn doch deswegen. Aber anscheinend waren die Feuerwehrleute woanders arbeiten oder hielten gerade ihren Mittagsschlaf. Jedenfalls blieb zu Sofies Glück alles ruhig. Niemand außer Zottel und Benjamin hatten etwas gemerkt. Die aber kniffen beide Augen fest zu. Sie wollten ja alles tun, damit Sofie wieder froh sein würde.

Sie bummelten weiter durch die Straßen. Auf Sofie warteten noch viele Überraschungen.

  
7. Kapitel
Die Bärenschule
  
„Bitte!“, bettelte Sofie. Das sie fast überhaupt nicht mehr ängstlich war, lag an Zottel und Benjamin. Die waren ja immer lieb zu ihr und schimpften nie.
„Endlich wagt sie es mal, sich etwas zu wünschen“, brummte Benjamin Zottel zu. „Es war ja furchtbar, wie traurig Sofie zu hause rum lief!“
Der nickte.
„Sofie, was möchtest du denn als nächstes sehen?“
„Die Bärenschule! Ja?“
Sofie machte Kulleraugen, so ähnlich wie Hunde das tun, wenn sie auf ein extra leckeres Leckerchen hoffen. Noch freute sie sich auf die Schule. Aber Sofie musste ja auch noch nicht jeden Tag dorthin.

„Einverstanden!“, meinten Zottel und Benjamin wie aus einer Schnute. „Doch stören dürfen wir die Kleinen nicht. Die müssen nämlich sehr fleißig sein. Darum können wir sie auch nicht in ihrem Klassenraum besuchen. Aber vielleicht sind die Fenster ja ein wenig geöffnet. Dann kannst du ein wenig zuhören.“
„Au ja!“
Sofie trat aufgeregt von einem Bein aufs andere. Später gäbe sie vor ihrem Bruder ganz doll damit an, sie wäre fast auch schon in der Schule gewesen.

Das Schulgebäude erkannte Sofie dann schon von weitem, weil es riesengroß und außerdem kunterbunt war.
„Bestimmt, damit die Bärenkinder, wenn sie morgens halbmüde hierhin marschieren, sich nicht verlaufen. - Da sind ja Aschenputtel, Dornröschen und sogar Schneeweißchen und Rosenrot mit ihrem Teddyprinzen drauf gemalt“, staunte sie dann.

Wurden in der Schule vielleicht den ganzen Tag lang nur Märchen vorgelesen?
´Ach, wäre ich doch bloß schon zwei Jahre älter. Dann dürfte ich auch da rein!`, murmelte sie.
Gut nur, dass Zottel und Benjamin das nicht mitkriegten. Die hätten sonst sicherlich sehr gelacht.

Mit glänzenden Augen betrachtete Sofie das Gebäude, das wie ein einziges Geheimnis vor ihr stand. Aber das würde sich jetzt ändern, denn sie wollte genau beobachten, was sich drinnen tat. Zum Glück besaßen die großen Schwingfenster auch außen Fensterbänke. Die waren so niedrig angebracht, dass die Drei sich gemütlich darauf niedersetzen konnten. Kaum oben, drückte Sofie sich bereits neugierig die Nase an der Scheibe platt und spitzte die Ohren.

„Sind die aber niieedlich!“, fand Sofie.
Zottel und Benjamin freuten sich. Sie waren unheimlich stolz auf all den süßen Bärennachwuchs ihrer Stadt. Er war nämlich der hübscheste weit und breit. 


„Benjamin, was tun die gerade?“
„Sie lernen, etwas zusammen zu zählen“, erklärte der.
„Und was rechnen die, Zottel? Zählen die vielleicht Schäfchen zusammen?“
„Wiiee?“, meinte der verdutzt. 
„Ja, abends, bevor ich einschlafe, zähle ich manchmal Schäfchen. Dann geht das Einschlafen viel leichter. So ungefähr: Ein Schäfchen, zwei Schäfchen, drei ...“

„Genug!“, bremste Zottel. „Ich hab` ja schon verstanden. – Nein, die zählen Bienen zusammen.“
„B...Bienen?“
Sofie dachte, sie hätte sich verhört.
„Die Bienen gehören zu unserem Leben wie zu eurem die Kühe.“
„Genau!“, meinte Benjamin dazu, „Ihr bekommt von den Kühen die Milch und wir von den Bienen den Honig.“
Das verstand Sofie sofort.
  
Drinnen in der Klasse erhob sich gerade ein Bärenmädchen.
„Brummeli, wie viel ist ein Bienchen und noch ein Bienchen?“
„So ein süßer Name!“, dachte Sofie.
Leider wusste Brummeli es nicht. Stumm stand es da und guckte den Lehrer geknickt an. Die anderen Kinder streckten die Pfoten in die Luft. Sie hatten bereits fertig gerechnet und wollten dem Lehrer das Ergebnis sagen.
„Der kann so etwas Schweres nicht rechnen und fragt deshalb die Kinder.“

Auch das glaubte Sofie fest.

 
„Brummeli, komm mal zur Tafel. Dann lösen wir das gemeinsam.“
Das kam vom Lehrer. Vor der Tafel hing ein großes Bild. Ganz oben war eine Biene gemalt, darunter zwei Bienen und danach immer eine mehr, bis es zehn Bienen waren.
„Schau, Brummeli: Was siehst du hier?“
Das Bärenmädchen weinte fast, weil es mit der Aufgabe nicht klar kam.

Mit dem Zeigestock tippte der Lehrer auf die erste Biene und dann auf die zweite.
„Zwei Bienchen!“, flüsterte Brummeli beschämt.
„Prima!“, lobte der Lehrer.

Schnell verdrückte sich Brummeli auf seinen Platz und senkte den Kopf tief über sein Heft. Es hoffte wohl, dass dann die anderen seine rote Teddyohren nicht sahen. Den anderen Kindern tat es sehr leid. Keines lachte es aus oder machte gar eine gemeine Bemerkung. Das Bärenkind neben ihm strich Brummeli sogar vorsichtig mit seiner Tatze über die Wange. Das tröstete und das Bärenmädchen lachte wieder.
„Wie lieb die zueinander sind!“, sagte sich Sofie nachdenklich.

Sofie hatte genug gesehen und war kein bisschen mehr traurig, noch kein Schulkind zu sein.

„Aber die haben tolle Bücher! Wenn ich alles, was da drin steht, weiß`,  kann ich später Lokomotivführer, Feuerwehrmann oder Polizist werden. Oder auch eine Kindergärtnerin wie meine zu hause. Denn dann bin ich ganz schlau.“
Doch wollte sie sich das alles noch mal in Ruhe überlegen.
„Schlau bin eigentlich ja jetzt schon, manchmal sogar schlauer als meine großen Bärenfreunde.“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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