Eleonore Görges

Die Wolkenkinder verirren sich

 

Die Wolkenfamilie war gemeinsam unterwegs, es war schon Herbst geworden, die Tage waren kürzer und auch kühler. Die ersten stärkeren Winde kamen über das Meer gezogen und brachten die Wolken in Schwung, so dass sie schneller vorwärts kamen.
In Windeseile zogen Wolkenmama, Wolkenpapa und ihre Kinder Nele und Stina über die Felder, wobei die beiden Wolkenkinder einen Riesenspaß daran hatten, dass die Winde ordentlich bliesen und sie so zum Tanzen brachten, sie wirbelten durcheinander, hüpften hin und her, dass es eine wahre Pracht war. Die Sonne sah ihnen mal wieder genüsslich zu, sie freute sich immer über die beiden, wenn sie so freudig herum tobten.
 
„Mama, schau doch was ich kann“ – rief Stina, das jüngere der beiden Wolkenmädchen, ihrer Mutter zu – und sie schlug einen Purzelbaum nach dem anderen. „Papa, du musst auch schauen, so gut kann niemand Purzelbaum schlagen wie ich“ – sagte sie und konnte kein Ende finden. Sie bemerkten gar nicht, wie sie plötzlich alle über eine dicke Wolkendecke gerieten, sodass sie nach unten zur Erde nichts mehr sehen konnten. Oben, wo sie weiterzogen, schien die Sonne, dort war der Himmel blau, aber unter ihnen war alles grau und die Wolkendecke unter ihnen wurde immer dichter und dichter und auch dunkler, es waren ganz dicke Regenwolken.
„Wie gut, dass wir über dieser Wolkendecke sind und nicht darunter“ – sagte Papa, „sonst hätten uns diese Regenwolken pitschenass geregnet. Passt auf, dass ihr nicht in die dunklen Wolken fallt“
Nele und Stina hüpften weiter ganz vergnügt und der Wind, der immer stärker blies, brachte sie so durcheinander, dass sie nicht bemerkten, wie sie einem winzig kleinen Loch in der dunkelgrauen Wolkendecke ganz nah kamen, so nah, dass sie beide hindurchfielen und darunter gerieten. Schon wurden sie nass, patschnass, denn diese riesengroßen dunklen Wolken waren voller Wasser und das ließen sie gerade literweise zur Erde fallen.
„Nele“ – rief Stina, die jüngere der beiden Wolkenkinder,  „Nele wo sind wir, wo sind Mama und Papa? Wieso sind wir plötzlich hier unten“?
„Wir haben vor lauter herumtollen nicht aufgepasst, liebe Stina und so sind wir durch ein kleines Wolkenloch gefallen“ antwortete Nele, die gleich bemerkt hatte, was passiert war.
„Wir müssen sofort wieder nach oben, sonst finden wir unsere Eltern nicht mehr, sie werden uns sicher schon suchen“ – sagte Nele. „Hilf mir bitte das kleine Wolkenloch zu suchen Stina“.
Sie sahen sich um, wurden dabei immer nasser und nasser, aber sie fanden dieses Wolkenloch nicht mehr. Sie hüpften ein Stück nach rechts, dann nach links, nach hinten und dann wieder nach vorne, aber es war zwecklos, die Wolken über ihnen waren dicht, sie waren so fest aneinander gedrückt, dass man nicht mal durchsehen konnte und auch der starke Regen verhinderte eine gute Sicht.
Ganz verzweifelt wurden die beiden Kleinen und fingen schon an zu weinen, denn sie wussten nicht, wie sie wieder nach oben kommen sollten zu ihren Eltern.
„Nele, was machen wir, wenn wir unsere Eltern nicht mehr finden“? – fragte die kleine Stina mit einer erbärmlich weinerlichen Stimme. „Ich will zu meiner Mama und zu meinem Papa“.
„Wir finden sie schon, hab keine Angst“ sagte Nele, obwohl sie selbst voller Angst war, das wollte sie ihrer kleinen Schwester aber nicht sagen, denn sonst wäre Stina noch ängstlicher geworden.
Nachdem sie eine Weile verzweifelt nach einem Wolkenloch gesucht hatten, aber kein Durchkommen sahen, fing Stina laut zu weinen an, denn sie glaubte langsam, dass sie ihre Eltern nie mehr finden würden.
 
„Wieso haben uns Mama und Papa noch nicht geholt“? fragte sie ihre ältere Schwester.
„Sie werden uns genau so suchen, wie wir sie auch“ gab Nele zur Antwort, „sie haben auch noch keinen Weg zu uns gefunden, aber unsere Eltern finden uns gewiss, nur keine Angst“.
 
Das laute Weinen und Jammern der kleinen Stina bekam Piet, der Wind zu hören und er dachte sich, dass er da mal näher ran muss, um zu sehen, wer da so laut heult.
Also raste er immer schneller in die Richtung, aus der er das Weinen und Jammern hörte und da sah er auch schon die beiden Wolkenkinder.
 
„Was ist denn mit euch beiden los, warum weint ihr denn so erbärmlich“? fragte der Wind, nachdem er zum Stillstand kam und direkt vor den beiden Kleinen stand. „Ihr seid ja auch ganz nass, warum habt ihr euch denn unter den Regen begeben und seid nicht über diesen alten grauen Regenwolken? Dort oben scheint die Sonne und ihr könntet tanzen und euch eures jungen Lebens erfreuen“.
„Wir sind durch ein winzig kleines Wolkenloch gefallen“ antwortete Nele dem Wind – „aber wer bist du denn“?
„Ich bin Piet, ein Wind und komme gerade aus dem Westen, ich will hier die Luft ordentlich durcheinander blasen und die Regenwolken vertreiben, damit auch andere Felder und Wälder in den Genuss des Regens kommen“ – antwortete er.
„Wo sind eure Eltern, ihr seid doch noch zu klein, um alleine um die Erde zu ziehen“? – fragte er die Wolkenkinder.
„Sie sind über den Wolken und suchen uns bestimmt genauso sehr, wie wir sie suchen“ – sagte Nele zu Piet.
„Weißt du, lieber Wind, wir sind schon ganz verzweifelt und nass und müde, kannst du uns nicht helfen nach oben zu kommen“?
„Hhhmmm – lasst mich mal überlegen“, sagte Piet – „aber ja doch, ich kann euch helfen, ich werde mal ordentlich Puste sammeln und dann versuchen, ein Loch in diese dicke Wolkendecke zu pusten, dort müsst ihr dann ganz schnell hindurch huschen“.
„Au ja, lieber Wind, mach das bitte für uns, wir wären dir so dankbar“ – sagte die kleine Stina und ihre weinerliche Stimme wurde schon etwas fester, denn sie schöpfte wieder Hoffnung, doch gleich wieder bei ihren Eltern zu sein.
„Ihr müsst aber gut aufpassen und ganz schnell durch die Wolken hüpfen, sobald ihr auch nur ein kleines Loch seht“ – sagte der Wind zu ihnen. „Ich werde jetzt ganz tief Luft holen und dann genau über euch in die Wolken pusten, haltet euch bereit“.
„Ja lieber Wind, wir sind bereit, wir hüpfen sofort los, sobald wir auch nur ein winziges Wolkenloch sehen“ – meinte Nele.
Da holte der Wind ganz tief Luft, blies seine Backen auf und pustete wie verrückt gegen die dicke Wolkendecke – und siehe da, es bildete sich ein kleines Loch. Nele und Stina sahen es sofort und rannten auch gleich los. „Danke lieber Wind“ – konnte Nele noch schnell rufen und schon waren beide Kinder durch die Wolkendecke und sahen über sich blauen Himmel und die Sonne und viele weiße Schönwetterwolken, die sich vergnügten und sichtlich ihr Leben genossen.
„Ach wie schön es hier ist“ – sagte Stina, die überglücklich war, wieder im Trockenen zu sein und beide schauten sich auch sofort nach ihren Eltern um. Sie sahen sie nicht – und so fingen sie an zu rufen: „Mama, Papa – wo seid ihr, wo seid ihr denn? Wir sind wieder hier“.
Immer noch konnten sie ihre Eltern nicht sehen, so riefen sie immer lauter nach ihnen.
„Hör doch“ – sagte Nele, „hör doch, das war Papa, er hat nach uns gerufen“ – und schon hörte auch die kleine Stina den Papa rufen. „Nele, Stina – wo seid ihr denn? Neeeeeele, Stiiiiina……“
 
 „Hier Papa, hier sind wir“ – riefen beide ganz laut im Chor – und da sahen sie auch schon ihre Eltern, die ihnen immer schneller entgegen kamen. Da rannten auch Nele und Stina schneller in Richtung der Eltern und schon konnten sich alle vier wieder in die Arme schließen.
Sie waren überglücklich, dass sie sich wieder hatten.
Mama sagte: „Trocknet euch mal hier in der Sonne, sonst werdet ihr mir noch krank und bekommt Schnupfen und Husten. Der Regen hat euch ja durch und durch nass gemacht“.
Schnell hat die Sonne mit ihren warmen Strahlen die beiden Kleinen getrocknet und sie waren wieder quietschvergnügt. 
Dann erzählten Nele und Stina ihren Eltern was sie erlebt hatten und wie der freundliche Wind ihnen geholfen hatte.
„Ja, auch der Wind ist ein Himmelskind“ – sagte der Vater – „wir Himmelskinder müssen immer zusammen halten und uns gegenseitig helfen, denn jeder braucht irgendwann einmal die Hilfe eines Anderen. Merkt euch das gut und seid auch hilfsbereit, wenn euch jemand braucht“.
Die beiden Kleinen aber waren müde geworden, schließlich hatten sie viel erlebt heute Nachmittag und so kuschelten sie sich in den Schoß von Mama und Papa und schliefen alsbald dort ein.
Die Eltern waren überglücklich, dass sie ihre beiden Kinder wieder hatten.
 
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Eleonore Görges
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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