Rita Quapp

Der Bried eines zu Tode gequälten kindes

Ein Brief eines 3-Jährigen zu Tode gequälten Kindes

 

 

Liebe Mami,

 

 

ich werde nie begreifen können, warum du mich so schrecklich behandeln konntest. Vielleicht ist dir das alles gar nicht so bewusst, wie viele Schmerzen du mir zugefügt hast. Aber; Mama, ich will dir alles erzählen. Schon vor meiner Geburt hatte ich das Gefühl, dass du mich nicht haben wolltest. Mama, war ich ein Unfall? Dann, bei der Geburt hab ich umso mehr gespürt, wie unerwünscht ich war. Du wolltest mich überhaupt nicht sehen. Warum denn nicht, Mama???Die lieben Frauen im Krankenhaus- ich glaube, Schwester hießen die- haben mich oft ganz lieb auf den Arm genommen und mir liebe Sachen ins Ohr geflüstert. Ich habe mich geborgen und geliebt gefühlt. Du aber hast mich nie so zärtlich auf den Arm genommen. Ich hatte sogar ein wenig Angst vor deinen groben Händen. Nie hast du mir zärtlich über den Kopf geistreichelt oder mich angelächelt. Und wie sehr habe ich mir das doch gewünscht. Nachdem wir dann beide ein paar Tage im Krankenhaus waren, hast du mich dann mit zu dir nach hause genommen. Ich weiß noch genau, wie du zu einer Schwester irgendwas von “noch eine weitere Last” gesagt hast. Heißt das etwa, Mami, dass ich für dich tatsächlich nur eine Last war? Hast du von Anfang an beschlossen, mich nicht zu lieben? Wie oft hast du mir das in den nächsten 3 Jahren ins Gesicht geschleudert. So ganz habe ich das nie verstanden. Du hast mich nie auf den Arm genommen und mal ausgiebig mit mir gekuschelt. Auch gespielt hast du nie mit mir. Du hast mich höchstens mal in eine kleine spielecke verfrachtet, damit du in Ruhe fernsehen konntest. Zu Essen bekam ich auch erst, wenn ich lange genug gebrüllt hab und es dir auf die Nerven ging. Jedoch bevor ich etwas zu essen bekam, hast du mich erst einmal richtig durchgehauen. Dein Grund war immer, dass ich wohl pausenlos grundlos gebrüllt hätte. Dabei weißt du selber genau, dass dies nicht der Grund war. Irgendwann bekam ich panisch Angst vor deinen Schlägen und habe kaum noch geweint. Sogar, als du mir einmal heißes Wasser “aus versehen” über den Kopf geschüttet hast, hatte ich keine Tränen mehr. Dafür, dass du dann mit mir ins Krankenhaus gefahren bist, bin ich dir unendlich dankbar. Ich habe die Schmerzen kaum ertragen können. Dem Arzt allerdings hast du erzählt, dass dies alles durch meine eigene Tollpatschigkeit passiert wäre. Mama, könnte ich zu dem Zeitpunkt richtig reden, hätte ich ihm alles erzählt. Nach einiger Zeit habe ich das krabbeln gelernt. Da war ich ganz stolz drauf. Aber da war ich dir zu viel im Weg und du hast mich immer an einen Stuhl festgebunden. Ich konnte doch nicht den ganzen Tag so dasitzen und vor mich hinstarren. Im laufe des Nachmittags war ich so müde und erschöpft, dass ich mich einfach auf dem Boden hinlegte und sofort einschlief. Durch meine Bewegungen verlor der Stuhl das Gleichgewicht und fiel auf mich drauf. Es hat schrecklich weh getan und ich wimmerte leise vor mich hin. Ich war schon ganz abgemagert, weil ich gar nicht mehr nach essen verlangte. So gingen dann irgendwie die Monate rum, bis ich auch das Laufen lernte. Ich konnte sogar die Haustüre selbst öffnen und das habe ich auch immer wieder ausprobiert, wenn du beschäftigt warst. Ich hab mich dann einfach auf die Stufen gesetzt und den Menschen zugeschaut, die vorbeigingen. Einmal kam ein ganz liebes Mädchen und hat mir- sie sagte, es sei schokolade- gegeben. Sowas hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn gegesen. Es hat soo gut geschmeckt. Dann hat das Mädchen mich auf den Arm

 

genommen und mich ganz doll gedrückt. Und “kleiner Schatz” hat sie mich genannt. Ich wusste zwar nicht genau, was das war, aber es musste wohl etwas schönes sein. Nach einiger Zeit habe ich dann das sprechen gelernt. Wenn ich dann mal wieder alleine war, habe ich mich im Badezimmer auf einem Hocker vor den Spiegel gestellt. Und diesem Mädchen da im Spiegel habe ich alles erzählt. Sie hat gelacht, wenn ich gelacht hab und geweint, wenn ich geweint hab. Sie war so lieb. Dir, Mama konnte ich ja nichts erzählen. Nie hattest du Zeit für mich. Der ständige Hunger war unerträglich. Einmal habe ich das Ding, womit du dir immer die Hände wäscht gegessen. Du hast es wohl nie bemerkt, denn dafür bekam ich keine Schläge. Mama, warum hast mich so schlimm behandelt? Ich wollte dich doch liebhaben! Ich bin dir nicht böse, weil ich glaube, dass du das gar nicht alles freiwillig gemacht hast. Du hast nachts immer geweint. Ich wollte dir so gerne sagen, dass ich doch da bin und dich ganz doll lieb hab. Aber ich hatte Angst, dass du mich wieder schlagen würdest. Eines Tages bist du, wie immer weggefahren und hast gesagt, dass du gegen abend wieder da sein würdest. Ich habe ganz, ganz lange auf dich gewartet. Ich hab dir ein Bild gemalt, und ganz viele Küsschen drauf gedrückt. Und dann irgendwann sind zwei Männer ins Haus gekommen. Ich hatte Angst und hab mich versteckt. Ich habe gehört, dass sie mich suchten. Sie haben sich über eine Frau im Krankenhaus unterhalten, die ihr kleines Mädchen unbedingt sehen wollte. Erst viel später habe ich raus gefunden, das sie dich und mich meinten. Ich habe es nicht mehr ohne dich ausgehalten, Mama. Auch wenn du nie lieb mit mir warst. Ich habe dich schrecklich vermisst. Früher habe ich immer gesehen, wie du, wenn du nicht einschlafen konntest, so kleine Dinger gegessen hast. Und dann hast du ganz viel getrunken. Ich konnte auch nicht mehr einschlafen und hab es deshalb auch ausprobiert. Aber es hat nichts geholfen, deshalb habe ich ganz viele genommen. Und dann hat es gewirkt. Mama, ich habe dich verlassen- für immer. Auch wenn es mich jetzt nicht mehr gibt, habe ich eine kleine Bitte an dich:”Bitte, bitte Mami, gib keinem Baby mehr die Chance, zu leben. Aber, du sollst meine kleinen Geschwister, wenn sie schon in deinem Bauch sind auf keinen fall töten. Du kannst es vermeiden, in dem du die vielen Männer nicht mehr in dein Haus lässt. Bitte, Mami, hör auf deine kleine Tochter”

 

 

 

 

 

 

                                              

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.11.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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