Ein heller Schein fiel vom Mond in die
große Schulsporthalle. Alles war wieder still und ruhig, nachdem Sie sich
Sprungbereit auf den Kasten stellte, sich ein Kletterseil um den Hals knotete
und mit dem letzten Gedanken an ihn springen wollte. Er war noch ganz jung und
trotzdem verließ er sie schon so früh. Ihm ging es seit einer Reise im Ausland nichtmehr
gut und er starb schließlich an Malaria. Sie war mehr als nur traurig über
seinen Tod. Er war ihr Leben und sie war sein Leben. Sie liebten sich mehr als
alles andere. Sie trauerte einige Tage um ihn, als sie den Entschluss traf ihm
zu folgen. Nun stand sie da, auf dem Kasten mit dem Seil um den Hals gebunden
und dachte wieder an ihn. An die schöne Zeit, die sie verbracht haben, an die
schönen Momente, die sie hatten. Doch plötzlich hörte sie etwas. Es kam aus
einer dunklen Ecke. Sie sah mit offenen Augen dahin. Langsam erschien etwas aus
dem Schatten. Sie konnte es kaum glaub, ihr liefen die Tränen aus den Augen.
Sie wollte es nicht glauben, denn sie wusste, es konnte nicht wahr sein. Sie
dachte sie fängt an verrückt zu werden, doch er kam aus dem Schatten. Fieberrot
von der Malaria ging er langsam auf sie zu. Sie wollte weggucken, doch sie
konnte nicht. Sie wollte so gern zu ihm laufen und ihn umarmen und glauben,
dass er wieder da war. Aber das konnte sie nicht, denn es war nicht so. Sie
glaubte ihn sich nur vorzustellen. Trotzdem zögerte sie zu springen. Jetzt war
er bei ihr angekommen. Er stand vor dem Kasten. Schaute aber nur starr gerade
aus und nicht zu ihr hoch. Er stieg langsam zu hier hinauf. Sie schritt ein
wenig zurück bis an den Rand des Kastens. Und sah erschrocken zu ihm hinunter,
wie er zu ihr kam. Nun standen sie sich gegenüber. Er sah mit leeren Augen in
ihre. Sie sah mit Tränen in den Augen in seine leeren. Sie wollte ihn in den
Arm nehmen, doch konnte sie es nicht. Sie war starr vor Glück und Trauer
zugleich. Er begann leicht zu lächeln und löste das Seil von ihrem Hals. Nahm
ihre Hand und führte sie von dem Kasten herunter. Jetzt ließ er sie wieder los,
drehte sich um und ging zurück in den Schatten, wo er wieder verschwand. Sie
stand einige Sekunden starr da und brach dann unter einem lauten Schrei und
weinen auf dem Boden zusammen. Sie weinte dort Stundenlang bis sie irgendwann
in der Nacht wieder nach Hause ging und weiter um ihn trauerte. Sie glaubte
nicht, dass er sie wirklich davon abgehalten hat. Sie dachte sie hätte sich das
nur Vorgestellt, weil sie doch noch Angst hatte ihm in den Tod zu folgen.
Doch nur wenige Tage später versuchte
sie es wieder. Aber diesmal mit einer Rasierklinge. Sie war an diesem Abend
allein zu Hause. Sie ging ins Bad, ließ Wasser in die Badewanne ein, holte die
Rasierklinge aus dem Schrank und setzte sich neben die Wanne. Sie dachte wieder
an ihn. An die schöne Zeit, die sie verbracht haben, an die schönen Momente,
die sie hatten. Jetzt war die Wanne voll. Sie drehte den Hahn zu, schob ihren
Ärmel etwas hoch, nahm die Rasierklinge und legte sie an ihre Pulsschlagader.
Sie atmete noch einmal tief ein und mit dem letzten Gedanken an ihn schnitt sie
sich die Ader auf. Ihr Blut spritze ihr ins Gesicht. Ihr Arm rutschte in die
Wanne. Ihr wurde mit einem Male schwindlig, als sie ihr Blut aus dem Arm
schießen sah. Ihr wurde Schwarz vor Augen und sie wurde ohnmächtig. Jetzt lag
sie da bewusstlos auf dem Boden. Ihr Arm hing noch in der Wanne und ihr Blut
breitete sich im Wasser aus. Es färbte sich langsam in ein tiefes Rot.
Plötzlich öffnet sie ihre Augen und sah ihn wieder neben ihr stehen. Sie sah wieder sein Fieberrotes Gesicht, das
mit traurigen Augen zu ihr runter sah. Ihr liefen wieder die Tränen aus den
Augen bis sie ein weiteres Mal in Ohnmacht fiel.
Am nächsten Morgen wachte sie in ihrem
Bett auf. Sie fühlte sich etwas Schwach und erschrak. Sie hatte sich doch am
Abend zuvor umgebracht. Jetzt sah sie den Verband an ihrem Arm. Sie sprang aus
ihrem Bett und taumelte ins Badezimmer. Sie lehnte sich an den Türrahmen. Ihr
wurde wieder schwindlig und übel. Das Badezimmer war sauber. Kein Blut in der Badewanne,
keine Rasierklinge auf dem Boden. Sie fragte sich was nur los war und brach
abermals unter Tränen auf dem Boden zusammen. Sie konnte nicht glauben, dass er
sie davon abhielt zu ihm zu kommen. Sie konnte es nicht mal glauben, dass er es
überhaupt ist, der sie davon abhielt. Er war Tod. Sie hat gesehen wie er im
Krankenbett neben ihr starb. Sie hat gesehen wie er im Sarg begraben wurde. Er
konnte es also nicht sein. Sie redete sich wieder ein, sich das nur vorgestellt
zu haben. Doch wer hat sie dann gerettet? Wer hat ihr die Wunde verbunden und
sie aus dem Bad ins Bett gelegt und das blutrote Wasser aus der Wanne gelassen?
Sie hatte keine Antwort auf diese Fragen. Sie war verzweifelt und trauerte
weiter um ihn. Jede Nacht weinte sie. Jeden Tag unterdrückte sie die Tränen.
Sie war immer traurig. Keine Sekunde verging in der sie nicht an ihn dachte und
in der sie nicht zu ihm wollte.
Eines Nachts lag sie in ihrem Bett und
weinte wie jede Nacht auch. Sie konnte nicht aufhören um ihn zu trauern. Sie
wollte sich umbringen damit das aufhört und sie wollte wieder zu ihm. Sie
wollte wieder bei ihm sein, wie damals. Sie wollte wieder Zeit mit ihm
verbringen. Sie wollte ihn wieder lieben können. Sie schloss ihre Augen und
versuchte einzuschlafen, als sie etwas fühlte. Sie spürte, dass jemand in ihrem
Zimmer war. Sie bekam Angst und öffnete langsam ihre Augen und sah neben sich
ins Zimmer. Er stand da mit seinem Fieberroten Gesicht. Als sie ihm in seine
leeren Augen sah lächelte er wieder. Sie fing wieder an zu weinen vor Glück,
vor Trauer und vor allem vor Angst. Sie glaubt jetzt wirklich verrückt geworden
zu sein. Sie glaubte wirklich, dass sich das alles nur in ihrem Kopf abspielen
würde. Sie konnte sich wieder nicht bewegen. Sie konnte ihn nur Ansehen und
weinen. Er ging langsam auf sie zu. Vertraulich wie damals. Er beugte sich über
sie, lächelte sie weiter an. Er strich ihr langsam übers Gesicht bis zu ihrem
Hals, griff dann behutsam um ihn. Jetzt legte er seine andere Hand auch um
ihren Hals. Sein lächeln im Gesicht wurde zu einem traurigen Blick. Er sah ihr
in die Augen. Sie sah ihm in seine leeren Augen. Sie wusste was nun geschieht
und sie war glücklich darüber. Endlich konnte sie zu ihm. Endlich konnte sie
wieder bei ihm sein. Sie hörte auf zu weinen. Sie begann zu lächeln. Sie lächelte
ihn an, als er sie erwürgte. Seine leeren Augen wurden feucht und eine schwarze
Träne floss ihm die Wange hinab auf ihren Mund. Sie hörte auf zu atmen und lag
regungslos in ihrem Bett. Er ließ ihren Hals los und verschwand mit einem
traurigen letzten Blick auf ihre Leiche.
Am nächsten Morgen traten ihre Eltern in
ihr Zimmer ein um sie zu wecken. Doch als sie die Tür geöffnet hatten und ihre
Tochter sahen, fiel die Mutter vor entsetzen zu Boden und der Vater biss die
Lippen zusammen um nicht zu weinen. Ihre
Tochter lag Tod in ihrem Bett. Sie hatte ihre Hände um ihren Hals gelegt und
lächelte zur Seite, als ob sie ihren Eltern, die erschrocken und entsetzt in
ihrem Zimmer standen, anlächeln würde. Ihre lächelnden Lippen trugen ein tiefes
Schwarz. Jetzt war sie endlich bei ihm.