Rita Bremm-Heffels

Ordnung muß sein...


Als ich heute Morgen aus dem Fenster schaue weiß ich gleich: Heute ist der Tag.
Es muß sein.
Keine Ausreden, kein Zögern, kein Zurück. Lange genug habe ich’s vor mir her geschoben.
Immer wieder das Für und Wider abgewägt.
Doch dann habe ich mich entschlossen.
So hatte es keinen Sinn mehr. Eine einzige Quälerei jeden Tag.
Nee, das will ich nicht mehr.
Also ist heute der Tag.
Ich frühstücke noch. Ein gutes Frühstück sollte man sich immer noch gönnen egal wie der Tag weitergeht, wenn er denn ...
Küche aufräumen?

Ja, man soll auch an solchen Tagen seine Gewohnheiten nicht ändern.

Ich gehe in die Garage.
Schon vor Wochen habe ich dort alles vorbereitet.
Ich schleppe die schwere, alte Leiter zum Nußbaum. Dicke, stabile Äste ragen über mir in den Himmel. Die halten, mit Sicherheit.
Die Wolken werden immer dichter. Wird es etwa noch regnen?
Egal, es gibt heute keinen Rückzug. Zu lange aufgeschoben. Immer wieder davor gedrückt.
Mit fadenscheinigen Ausflüchten.
Ich gehe in die Garage zurück und nehme das Plastikseil, Tragkraft bis 100 kg.
Sicher ist sicher. Soll ja nichts schiefgehen.
Als ich die Leiter hochsteige glotzen aus den Fenstern gegenüber Leute zu mir her.
Ja, glotzt nur. Die ganze Zeit war niemand da, wenn ich jemand brauchte.
Nun braucht ihr auch nicht mehr zu gucken, neugierig seid ihr, habt Angst irgendwas zu
verpassen in dem Kaff.
Das hier, das schaffe ich jetzt auch noch alleine.
Sorgfältig knüpfe ich das Seil fest, probiere, rucke. Stabil.
Dann noch die Schlinge, am besten doppelt.
Gegenüber kommen inzwischen die nächsten ans Fenster. Ellenbogen auf der Fensterbank,
Riesenbusen darüber. Typisch. Sogar mit den Finger zeigen sie rüber.
Ich packe die Schlinge mit den Händen und lasse mich fallen.
Es ruckt ganz schön, aber es hält.
Also wird’s reichen.
So, noch einmal hinsetzen vor dem entscheidenden Augenblick. Eine Zigarette, tief einatmen.
Ich huste, verdammt man merkt daß ich lange nicht mehr geraucht habe. Warum gerade heute?
Vielleicht weil’s ein besonderer Tag ist ?
Mein ganzes Leben zieht in Nikotinzügen an mir vorbei.
Die verkorkste Jugend, bescheuerte Ehe, dieser ganze Lebensmüll... Gott sei Dank, bald ist Ruhe.
Ich gehe noch mal in die Garage, greife nach dem verstaubten Bündel,
schließe das Tor. Ordnung muß sein.
So, nun ist der Augenblick da. Endlich, Ruhe und Frieden, kein Streß,
kein Streit ....Ende!
Sekunden später ist es soweit.
Sanft schwingt die vor einem Jahr gekaufte Hängematte hin und her.
Sie hält, wunderbar, entspannend, ein Traum, ich schwebe dem Himmel entgegen.
Kein Vergleich zu dem verkrüppelten alten Liegestuhl.

„Tatütata, Tatütata“ aus der Ferne kommt das Martins Horn näher.

Hat sich die Olle von gegenüber beim Glotzen den Busen gequetscht?

Das ist doch wieder typisch.

Kann man in diesem verdammten Kaff nicht mal einen Tag ausspannen,
so ganz in Ruhe ?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.10.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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