Gaby Schumacher

Eine echte Verjüngungskur (Nicht ganz ernst zu nehmen!)

 

Ach, wenn ich das doch nur auch gekonnt hätte ... !

Immer dann, wenn dieses eine Thema aufs Trapez kam, unternahm meine Jüngste eine seelische Zeitreise in die in geradezu beängstigender Überschallgeschwindigkeit zurück in ihr früheres Jahrzehnt. Sie müssen wissen: Heute ist sie eine junge Dame von 23 Jahren, weltgewandt und weit gereist.

 
Die ganze Problematik löste vor nunmehr –zig Jahren ein gewisses ´S` aus. Meine Tochter war siebzehn und entwickelte ein denn doch überaus fanatisches Interesse für diesen 1/24 Anteil des Abc. Zuerst hoffte ich naives Mütterlein ja noch, dass bei ihr die Pubertät eben eigenartigerweise plötzliches Interesse an Weiterbildung usw. hervorrief. Leider wurde ich dann sehr rasch eines Besseren belehrt, zumal ich mir auch nicht hätte erklären können, wieso bitteschön, der Anblick eines ´S` einen Teenager vor Begeisterung beinahe in Ohnmacht fallen lassen würde.
 
Eines Tages dann hatte sie Erbarmen mit mir unkundiger Mutter. Oder war es vielleicht nur die Tatsache, dass sie „es“ nicht länger für sich behalten konnte, weil sie sonst geplatzt wäre?

Innerhalb weniger Minuten wurde mir endgültig die Illusion geraubt, vielleicht meine Tochter in Zukunft sogar bei ihrem Lerneifer aus Sorge vor eventueller Büffelspätschäden bremsen zu müssen.

 
Mit einem Gesichtsausdruck, der deutlichst zeigte, dass sie innerlich ganz weit weg weilte, betrat sie mein Zimmer. Sie sagte nur einen einzigen Satz, aber einen von enormer Tragweite. Von äußerst enormer Tragweite, wie es sich dann durch all die folgenden Jahre bis heute noch tagtäglich beweist.
 
„Mama – ich will ´S` heiraten!“, verkündete sie mit leicht weggetretener Miene.

Ich:

„Hääh, wiiee?“

„Ja, ich will ´Sting` heiraten!“

Oh Schreck! Dieser ´Sting` konnte so unbekannt nicht sein. Also schämte ich mich ganz fix, dass ich denn trotzdem nicht kannte.

„Mamaa!!“

Ich schämte mich noch mehr. Zum Glück erwies sie mir die Gnade einer gewissen Aufklärung. So erfuhr ich, dass Sting einer der ganz Großen im Musikgeschäft ist und jemand, der den nicht kannte, sich gefälligst, wie mir ihre Reaktion gerade soeben gezeigt hatte, in Grund und Boden und - das auf ewig - zu schämen hatte.

 
„Mit der hast du es verscherzt. Gemeinsame, geliebte Ausflüge: Ade!“, seufzte ich im Stillen. Dann allerdings riss ich mich trotz des erlittenen Schocks zusammen und erbat nähere Auskünfte über dessen Familienstand usw. . Schließlich weiss man als zukünftige Schwiegermama doch gerne, wen denn die Tochter zu ehelichen gedenkt. Mich erwartete der zweite Schock: Selbstverständlich war Sting längst vergeben, aber nicht allein das. Nein , er nannte sich Papa und das gleich sechsmal. Da beschlichen mich doch berechtigte Zweifel, ob meine Tochter sich nicht doch vielleicht einen anderen Heiratskandidaten ...
 
Ich war so blöd und ließ das anklingen.

„Maamaaa!!“

„Kleeiinees!!“

Meine Tochter wandte sich schwer gekränkt von mir ab. Ich brachte sogar Verständnis dafür auf. Wie hatte ich aber auch .... können? Für den Abend herrschte zwischen uns totale Funkstille. Ich musste erst einmal diese Neuigkeiten und sie die Tatsache verdauen, dass ihre Mutter so dämlich war, diesen wichtigsten Menschen auf der Welt doch tatsächlich nicht zu kennen. Mit ´Morgen ist auch noch ein Tag. Bis dahin hat sie sich eingekriegt!` marschierte ich ins Bett und schlief erstaunlicherweise traumlos bis zum nächsten Tag durch.

 
Am nächsten Tag erwartete mich Stings Lebensgeschichte plus musikalischer Werdegang. Ich bemühte mich um Versöhnung und steckte meine Nase deshalb in ein gewisses Buch, dass bereits auseinander fiel, weil meine Tochter es wahrscheinlich nachts unter ihrem Kopfkissen liegen hatte. Vorne prangte natürlich sein Konterfei drauf und drinnen ging es nur um ihn.

´Kleines` hatte meine Bemühungen um ihren Schwarm wohlwollend zur Kenntnis genommen und war nunmehr zu immerhin viertelvernünftigen Diskussionen über ihn und die geplante Heirat bereit. Wie es sich heraus stellte, waren ihr ebenfalls viele Überlegungen im Kopf herum gewirbelt:

„Nee, Mama! Sechs auf einmal sind mir doch zu viele!“

„Wie beruhigend für mich zu hören!“, dachte ich und sagte es dann auch.

Ein sanftes Nicken war die Antwort.

 
Auch ohne jene besagte Verlobung und anschließende Heirat verlebte sie die nachfolgenden Jahre recht unternehmungslustig und ich dachte schon, dass jenes Thema endgültig von Tische war. Immerhin wurde meine Tochter bereits zwanzig Jahre alt. Das war ein Alter, in dem Teenagerträume normalerweise ausgeträumt sind. Wieder wurde ich eines Besseren belehrt:

„Mama – ich möchte Stings Sohn heiraten!“

„Nicht schon wieder!“, dachte ich und antwortete:

„Der passt ja altersmäßig auch ´nen bisschen besser zu dir!“

„Nur, dann muss ich nach England ziehen!“

„Das ist natürlich dumm!“

Nichts gegen England, aber um dorthin zu kommen, erfordert es eine Reise und für die braucht man die nötigen Finanzen und für eine Wohnung auch. (Tochter war ja noch nicht berufstätig!).

 
Ich fasst es einfach nicht: Meine Tochter hatte ein ganzes Jahr lang ausgesprochen erfolgreich als Aupair in Frankreich gearbeitet und das Leben in der Fremde prima gemeistert und jetzt dies ... tz,tz,tz! Aber, drehte es sich um dieses eine besagte Thema, dann ...

Ich knöpfte mir dieses verträumte Etwas vor und redete mir den Mund fusselig, um ihr diese Flause auszureden und sie vor da zu erwartendem, seelischen Schaden zu bewahren. Wie gut, dass der liebe Gott mir meine Fantasie mitgegeben hat. Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles anführte. Ich weiß nur noch, dass ich es anführte und das es so einiges war, was ich da ins Feld führte.

 
Etwas erwachsener war sie aber wohl doch schon. Es folgte nach unserer so ernsthaft geführten Unterhaltung kein zweiter, wortloser Abend. Sie verzog sich auch nicht beleidigt in ihr Zimmer, sondern wir wechselten nach ungefähr drei Stunden Sting-Sohn-Diskussion tatsächlich ohne jegliche Schwierigkeiten zu unverfänglicheren Themen und kamen überein, dass sie es sich ja noch einmal in Ruhe überlegen konnte. Was sollte sie denn auch mit einem Schloss, da sie ab und zu ja doch stöhnte, wie anstrengend das Zimmer aufräumen wäre?

„Geschafft!“, sagte ich mir und atmete auf.

 
Wieder gönnte sie mir ein paar Jahre der Erholung. Wenn ich die nicht gehabt hätte ... !!

Nun ist meine Tochter, wie zu Anfang erwähnt, bereits eine dreiundzwanzigjährige, junge Dame, die mit beiden Beinen auf der Erde steht. Dachte ich, aber da gibt es ja dieses eine besagte Thema ... !

 
Vor ein paar Wochen zeigte sie mir ganz begeistert bei Ebay eine Gitarre.

„Mama, die habe ich mir ersteigert!“

Mama war mit begeistert.

´Klasse!`, dachte ich ahnungslos.

„Du, zu Anfang werden dir die Fingerkuppen ein wenig wehtun., aber dann bildet sich doch Hornhaut und du merkst nichts mehr! Wenn du willst, spendier ich dir einen Kursus an der Volkshochschule!“

Irgendwie lächelte sie so komisch verlegen und irgendwie kam mir das spanisch vor. Nur wusste ich es mir noch nicht zu erklären ...

´
Dann kann das Instrument an. Es hatte vier Saiten und nicht sechs, war also ein Bass. Stolz führte sie ihn mir vor. Was mich in den nachfolgenden Tagen zu wundern begann, war die Tatsache, dass dieses Objekt ihrer Begierde stets neben dem Kleiderschrank stand und sich dort ganz offensichtlich ausruhte. Zu lange ausruhte, wie ich fand. Ich sprach meine Tochter darauf an:

„Sag` mal: So ganz alleine kannst du dir das nicht beibringen. Da brauchst du Hilfe!“

Schon wieder ein solch` verschämtes Lächeln, diesmal sogar noch verschämter.

 
Und dann durchfuhr es mich wie ein Blitz:

„Sie wird dies Instrument doch nicht nur ... !

Je länger ich darüber nachdachte, umso sicherer war ich mir da und konnte mir das fassungslose Grinsen kaum mehr verkneifen.

´Sie ist 23 Jahre alt. Das kann einfach nicht sein!`, suggerierte ich mir.

Behutsam, aber wirklich sehr behutsam lenkte ich das Gespräch dann in Richtung des ´Das kann einfach nicht sein` und musste dann noch fassungsloser einsehen, dass es anscheinend nichts gibt, was es nicht gibt!!

 
„Duhuuh“, fing ich an, „kann es sein, dass du ... ?“

„J...Jahaah. Weißt du, Mama, der Gitarrist von Sting hat den auch!“

„Neeiin!“, japste ich nur noch.

„Dohoch!“, seufzte sie, offensichtlich erleichtert, dass es endlich raus war.

Fragen Sie mich bitte nicht, wie ich es schaffte, aber ich muss mich loben, weil ich es denn doch schaffte: Den Lachanfall bekam ich erst, als sie schon beschwingten Schrittes in Richtung des eigenen Zimmers verschwunden war. Dafür wurde es dann für mich allerdings umso schlimmer.

´Sie hat sich das Ding wirklich nur als Deko gekauft, weil ... !`

Das musste ich jetzt erst einmal verdauen – in abgeschiedener Ruhe bitte!

 
Aber meine Tochter ist wohl für Überraschungen gut. Vor ein paar Tagen beichtete sie mir dann Folgendes:

„Mama, ich hatte heute mein Instrument mit, um es den Anderen mal zu zeigen. Du fanden das toll. Unser Lehrer (Berufsschule) hat anklingen lassen, ob ich was vorspielen würde.“

„Ach, du meine Güte! Was hast du denn bloß geantwortet?“

„Ich hab` gefragt, ob er ´nen Verstärker da hat.“

„Uund?“

„Hatte er nicht!“

„Da warste aber sehr erleichtert, stimmt`s?“

„Hm!“, nickt sie. „Hätte der einen gehabt, hätte ich gesagt, dass ich es erst seit ein paar Tagen habe ... !“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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