Ach, wenn ich das doch nur auch gekonnt hätte ... !
Immer dann, wenn dieses eine Thema aufs Trapez kam, unternahm meine Jüngste eine seelische Zeitreise in die in geradezu beängstigender Überschallgeschwindigkeit zurück in ihr früheres Jahrzehnt. Sie müssen wissen: Heute ist sie eine junge Dame von 23 Jahren, weltgewandt und weit gereist.
Innerhalb weniger Minuten wurde mir endgültig die Illusion geraubt, vielleicht meine Tochter in Zukunft sogar bei ihrem Lerneifer aus Sorge vor eventueller Büffelspätschäden bremsen zu müssen.
Ich:
„Hääh, wiiee?“
„Ja, ich will ´Sting` heiraten!“
Oh Schreck! Dieser ´Sting` konnte so unbekannt nicht sein. Also schämte ich mich ganz fix, dass ich denn trotzdem nicht kannte.
„Mamaa!!“
Ich schämte mich noch mehr. Zum Glück erwies sie mir die Gnade einer gewissen Aufklärung. So erfuhr ich, dass Sting einer der ganz Großen im Musikgeschäft ist und jemand, der den nicht kannte, sich gefälligst, wie mir ihre Reaktion gerade soeben gezeigt hatte, in Grund und Boden und - das auf ewig - zu schämen hatte.
„Maamaaa!!“
„Kleeiinees!!“
Meine Tochter wandte sich schwer gekränkt von mir ab. Ich brachte sogar Verständnis dafür auf. Wie hatte ich aber auch .... können? Für den Abend herrschte zwischen uns totale Funkstille. Ich musste erst einmal diese Neuigkeiten und sie die Tatsache verdauen, dass ihre Mutter so dämlich war, diesen wichtigsten Menschen auf der Welt doch tatsächlich nicht zu kennen. Mit ´Morgen ist auch noch ein Tag. Bis dahin hat sie sich eingekriegt!` marschierte ich ins Bett und schlief erstaunlicherweise traumlos bis zum nächsten Tag durch.
´Kleines` hatte meine Bemühungen um ihren Schwarm wohlwollend zur Kenntnis genommen und war nunmehr zu immerhin viertelvernünftigen Diskussionen über ihn und die geplante Heirat bereit. Wie es sich heraus stellte, waren ihr ebenfalls viele Überlegungen im Kopf herum gewirbelt:
„Nee, Mama! Sechs auf einmal sind mir doch zu viele!“
„Wie beruhigend für mich zu hören!“, dachte ich und sagte es dann auch.
Ein sanftes Nicken war die Antwort.
„Mama – ich möchte Stings Sohn heiraten!“
„Nicht schon wieder!“, dachte ich und antwortete:
„Der passt ja altersmäßig auch ´nen bisschen besser zu dir!“
„Nur, dann muss ich nach England ziehen!“
„Das ist natürlich dumm!“
Nichts gegen England, aber um dorthin zu kommen, erfordert es eine Reise und für die braucht man die nötigen Finanzen und für eine Wohnung auch. (Tochter war ja noch nicht berufstätig!).
Ich knöpfte mir dieses verträumte Etwas vor und redete mir den Mund fusselig, um ihr diese Flause auszureden und sie vor da zu erwartendem, seelischen Schaden zu bewahren. Wie gut, dass der liebe Gott mir meine Fantasie mitgegeben hat. Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles anführte. Ich weiß nur noch, dass ich es anführte und das es so einiges war, was ich da ins Feld führte.
„Geschafft!“, sagte ich mir und atmete auf.
Nun ist meine Tochter, wie zu Anfang erwähnt, bereits eine dreiundzwanzigjährige, junge Dame, die mit beiden Beinen auf der Erde steht. Dachte ich, aber da gibt es ja dieses eine besagte Thema ... !
„Mama, die habe ich mir ersteigert!“
Mama war mit begeistert.
´Klasse!`, dachte ich ahnungslos.
„Du, zu Anfang werden dir die Fingerkuppen ein wenig wehtun., aber dann bildet sich doch Hornhaut und du merkst nichts mehr! Wenn du willst, spendier ich dir einen Kursus an der Volkshochschule!“
Irgendwie lächelte sie so komisch verlegen und irgendwie kam mir das spanisch vor. Nur wusste ich es mir noch nicht zu erklären ...
„Sag` mal: So ganz alleine kannst du dir das nicht beibringen. Da brauchst du Hilfe!“
Schon wieder ein solch` verschämtes Lächeln, diesmal sogar noch verschämter.
„Sie wird dies Instrument doch nicht nur ... !
Je länger ich darüber nachdachte, umso sicherer war ich mir da und konnte mir das fassungslose Grinsen kaum mehr verkneifen.
´Sie ist 23 Jahre alt. Das kann einfach nicht sein!`, suggerierte ich mir.
Behutsam, aber wirklich sehr behutsam lenkte ich das Gespräch dann in Richtung des ´Das kann einfach nicht sein` und musste dann noch fassungsloser einsehen, dass es anscheinend nichts gibt, was es nicht gibt!!
„J...Jahaah. Weißt du, Mama, der Gitarrist von Sting hat den auch!“
„Neeiin!“, japste ich nur noch.
„Dohoch!“, seufzte sie, offensichtlich erleichtert, dass es endlich raus war.
Fragen Sie mich bitte nicht, wie ich es schaffte, aber ich muss mich loben, weil ich es denn doch schaffte: Den Lachanfall bekam ich erst, als sie schon beschwingten Schrittes in Richtung des eigenen Zimmers verschwunden war. Dafür wurde es dann für mich allerdings umso schlimmer.
´Sie hat sich das Ding wirklich nur als Deko gekauft, weil ... !`
Das musste ich jetzt erst einmal verdauen – in abgeschiedener Ruhe bitte!
„Mama, ich hatte heute mein Instrument mit, um es den Anderen mal zu zeigen. Du fanden das toll. Unser Lehrer (Berufsschule) hat anklingen lassen, ob ich was vorspielen würde.“
„Ach, du meine Güte! Was hast du denn bloß geantwortet?“
„Ich hab` gefragt, ob er ´nen Verstärker da hat.“
„Uund?“
„Hatte er nicht!“
„Da warste aber sehr erleichtert, stimmt`s?“
„Hm!“, nickt sie. „Hätte der einen gehabt, hätte ich gesagt, dass ich es erst seit ein paar Tagen habe ... !“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.12.2007.
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