Norbert Wittke
Glück im Spiel?
Wieder die übliche Betriebsversammlung bei Toto-Lotto.
Außer den Beschäftigten hatten sich auch die Hauptatraktionen
von Toto-Lotto eingefunden.
Da waren Lotto am Samstag, Lotto am Mittwoch, die Auswahl-
wette, Fußball-Toto, Oddset, Glücksspirale, Spiel 77, Super 6.
Eben ein ganz illustrer Kreis. Ich unbedeutender Mensch durfte
mich hinzugesellen. Ich ein mickriger, vollkommen unbedeutender
Literat, der sich als gelegentlicherHilfsarbeiter bei Toto-Lotto so
leidlich über Wasser hielt. Etwa eine Stunde vor der großen Ver-
sammlung hatten wir uns in der Cafeteria getroffen, Wie es sich
so in Gesprächen ergeben kann, kamen wir auf das Thema Glück
zu sprechen.
Nun ja, was ist schon Glück? Was spricht dagegen, dass hier vor
allem das Glück im Spiel angesprochen wurde.
Lotto am Samstag und Lotto am Mittwoch, die wie immer zusammen
hielten, eröffneten das Gespräch. Schließlich fühlen sie sich ja als
die Stars.
"Wir sind das große Glück. Mit unserem übertragbaren Jackpot
sind wir die, die Millionäre machen. Wir können arme Leute auf
einmal reich machen. Eigentlich unfassbar was so in unserer Macht
steht. Aber das ist nicht alles. Zusätzlich schütten wir noch jede
Menge andere Gewinne von unterschiedlichen Summen aus,
kleine, mittlere und größere Gewinne, die von den Leuten herbei
gesehnt werden. So bringen wir viel Glück unter die Leute.
Gleichzeitig setzen wir uns noch für gemeinnützige und soziale
Zwecke ein."
"Da kann ich gut mithalten," mischte sich Spiel 77 ein. " Mit meinem
Jackpot mache ich auch viele Millionäre. Man braucht nur die gezo-
gene Zahl auf dem Teilnahmeschein zu haben. Selbstverständlich
gibt es auch noch viele kleinere, mittlere und größere Gewinne,
die manchen vor Glück erstrahlen lassen.Wohltätigkeit ist bei mir
auch natürlich schon lange selbstverständlich."
Die Auswahlwette meldete sich zu Wort. "Früher mal war ich auch
etwas stärker. Ich gehöre hier schon zu den ganz Alten. Viele
meiner Mitspieler sind im Laufe der Zeit zu euch abgewandert.
Aber einige haben mir doch die Treue gehalten. Diese profitieren
immer noch von meinen Gewinnausschüttungen. Gutes im Stillen
tue ich auch noch nebenbei."
"Ich bin einer von den ganz Jungen." Jetzt kam Oddset an die Reihe.
"Ich konzentriere alle meine Kraft auf die Wettkämpfe im Fußball.
Ich verlange Leistung. Zu erst von mir, dann von meinen Mitspielern.
Fachliches Können ist meine Devise. Das Glück muss bei mir erar-
beitet werden. Die Belohnung folgt auf dem Fuße. Spiel, Spass,
viel Geld."
"Bei mir nehmen die ältesten Spieler teil," sagte Toto. "Schließlich
war ich der Erste hier im Verbund. Ich spreche die sachverständigen
Fußballfans an. Für die richtigen Vorhersagen gibt es kleinere, mittlere
und manchmal auch höhere Gewinne. Natürlich fördere ich nebenbei
den Sport. Ich habe eine sehr exklusive Teilnehmerschar und bin auf
sie sehr stolz."
"Ich will da nicht zurück stehen," meldete sich Super 6. Zwar reichen
meine Gewinne nur bis maximal 100.000 Euro, doch bei mir freuen
sich auch die Mitspieler auf die schönen Gewinne, die ja nicht von
schlechten Eltern sind."
Jetzt war ich ander Reihe. "Mit allen diesen Ausschüttungen von Ge-
winnen im finanziellen Bereich kann ich nicht mithalten. Ich verbreite
etwas Glück auf andere Art. Ich schreibe Geschichten und Gedichte,
versuche dabei für meine wenigen Leser etwas Glück aufzubauen.
Auch das Schreiben und Lesen kann den Menschen glücklicher
machen. Ihn aus seiner Einsamkeit entfliehen lassen. Ihn teilhaben
lassen am Leben, am ganz kleinen Glück, das nicht den finanziellen
Bereich betrifft. Die Freude am Leben, die Freude zu Leben, die
Freude anderen eine kleine Freude zu machen. Dieses Glück lässt
sich nicht Geld messen, ist unsichtbar, weil es im inneren der Men-
schen liegt. Man kann es aber spüren an kleinen Gesten, an der Mimik,
am ganzen Verhalten der Menschen."
Sie schauten mich alle jetzt etwas verwundert an. Ich weiß nicht, ob sie
mich begriffen haben. Vielleicht doch aber Sie, meine verehrten Leser?
23.12.2007 Norbert Wittke
(Ich habe das Glück heute hier die 100. Geschichte zu veröffentlichen)
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.12.2007.
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