Annabel Illian

Sag mir wieso!

Josy ist 8 Jahre alt. Sie ist auf dem Weg zur Schule. Fröhlich hüpfend betritt sie das Klassenzimmer, die Klasse 2b der Grundschule Felmenhorst.
Hach!', denkt sie zufrieden.'Heute gibt's Ferien. Und wir fahren in den Skiurlaub nach Österreich!'
Vor lauter Aufregung rutschelt sie auf ihrem Stuhl herum, bis die Lehrerin meint:"Josy, lass das herumgezappele!"
 
Ferien! Alle Kinder stürmen laut schreiend aus dem Schulgebäude. Josy ist auch dabei.
Als sie zuhause ankommt, warten Mama und Papa schon auf sie. "Josy, süße! Wie geht es dir? Bist du bereit? Können wir fahren? Oder musst du noch irgendetwas einpacken? Deinen Teddy vielleicht? Oder
dein Buch?" "Nein, nein!", meint Josy, doch dann stockt sie. "Doch!", ruft sie,"Doch!"
Josy rennt ins Haus zurück und kommt mit einem Foto wieder heraus."Das Foto meiner Freundin Karla!"
Na dann los! Ab in die Ferien!
 
Sie waren schon gut zwei Stunden gefahren, als die Straße glatt wurde. Das Auto schlitterte auf der
Fahrbahn und so konnten sie nur langsam fahren. Dann wurde es wieder normal und nicht mehr glatt.
Also fuhren sie etwas schneller.
Plötzlich gab es einen Ruck und das Auto schlitterte die Fahrbahn entlang. Eis hatte sich wieder auf die Fahrbahn gelegt. Hier wurde nicht gesträut! Panisch hielt Josy sich krampfhaft am Sitz fest.
Das Auto war unkontrollierbar geworden und Josy's Papa kämpfte, doch das Auto drehte sich im Kreis auf der glatten Fahrbahn und die Mutter kreischte. Dann krachte es fürchterlich. Josy ruckte bei dem Aufprall zurück und schlug mit dem Kopf auf die Kopflehne des Sitzes. Dann war sie Ohnmächtig geworden.
 
In der Ferne hörte Josy Stimmen. "Sie kommt zu sich!", sagte jemand. Es war Josy's Tante. Josy drehte den Kopf und öffnete die Augen. "Was ist pa-passiert?", flüsterte sie und ihre Tante kam auf sie zu.
"Ihr hattet einen Unfall!", erklärte ihr die Tante. "Papa. Mama.Ich will zu ihnen!" Josy hatte Angst. Eine
seltsame Angst. "Das wird nicht gehen.", meinte die Tante. "Deine Eltern-sie sind-..." Tränen traten Josy in die Augen. Was kam jetzt? "... Sie sind-Sie haben den Unfall nicht überlebt!" Josy war außer sich.
"Mama! Papa!", heulte sie. "Mama! Papa!" Dann hörte sie Schritte und dann pickste ihr etwas in den Arm.
Ihr Schlurzen wurde leiser und länger, dann schlief sie ein. Die Beruhigungsspritze hatte gewirkt.
Als sie aufwachte, lag sie auf der Couch ihrer Tante. "Tante Clair?", fragte Josy leise. Tante Clair drehte den
Kopf in  ihre Richtung. "Ja mein Kind?" "Tante Clair, wo bin ich?" "Du bleibst erst mal bei mir und ruhst dich aus." "Aber... Ich will nach hause!" "´Das geht nicht, es wohnen jetzt andere Leute dort. Wegen des Unfalls...Wir haben alles ausgeräumt, eure ganze Wohnung!" Sie deutete auf einige Kartons in der einen
Zimmerecke. Sofort kam der ganze Unfall in Josy hoch. Unfall... Mama, Papa...Tot...Krankenhaus...Nakose...Aufpall... Sie verkrafftete es nicht! Sie schaffte es nicht!
Josy sprang auf, wenn man es so nennen konnte. Ihre Beine waren doch noch sehr wackelig!
"Leg dich wieder hin!" "Nein, Tante Clair! Ich habe noch eine Frage: Was wird jetzt aus mir??? Wo soll ich wohnen? Wie geht es weiter?" "Du wirst- Bei mir kannst du nicht wohnen, ich habe doch noch Bruno, Esther und Cecile! Mit dir sind das zu viele! Und Esther wandert hier bald aus, dann haben wir umso mehr Arbeit! Nein, hierbleiben kannst du nicht!" "Aber... Wo soll ich denn sonst hin?" Josy fing an zu weinen.
"Beruhige dich!" Doch Josy wollte und konnte sich nicht beruhigen. Ihr flossen die Tränen wie Sturzbäche aus den Augen. Wieso war das alles passiert? Wieso?
 
2 Tage später fuhr ein Auto mit der Aufschrift "SOS Kinderdörfer" vor. Tante Clair und Josy packten
Josy's Sachen in Koffer und verstauten sie im Kofferraum des Autos.
"Tschau! Wir kommen dich besuchen!" Tante Clair umarmte Josy. Dann wollte der Fahrer los.
Also stieg Josy ein. Und das Auto fuhr vom Hof.
Der Fahrer fragte sie ein paar Minuten aus: "Und, warum kommst du ins Kinderdorf? Wollen dich deine Eltern nicht mehr?" Josy fand den Mann einfach nur gemein. Sie ignorierte ihn.
 
Als sie im Kinderdorf ankamen, tobten jede Menge Kinder draußen herum. Neugierig hielten sie inne.
Denn immer, wenn der SOS Kinderdörfer-Bus ankam, bedeutete das für sie, dass ein neues Kind ankam.
Die anderen musterten Josy mit gekonnten Blicken. Ein fremdes Mädchen lächelte Josy vorsichtig an.
Josy lächelte ein wenig zurück.
Die Leiterin des Kinderdorfes war nett und hatte rote Haare und übetrall Sommersprossen im Gesicht.
Doch Josy würde viel lieber sofort auf ihr Zimmer gehen. Nix is!
Die Leiterin, Susanne Degen heißt sie, nimmt sie bei der Hand und geht mit ihr auf den Hof.
Das fremde Mädchen stand alleine an die Hauswand gelehnt und pfiff ein Lied. Einzelgängerin.
Josy musterte die anderen. Pff!
"Das ist Joselle Metin, aber ihr könnt sie Josy nennen. Sie ist 8 Jahre alt. Josy, möchtest du etwas über dich sagen?" Josy presst die Lippen fest aufeinander und schüttelt den Kopf.
"Gut, wer zeigt ihr das Zimmer?" Keiner meldet sich. Plötzlich kommt das Mädchen angelaufen.
"Ich zeig ihr das Zimmer!" "Das ist nett, Ivonne."
Ivonne packt Josy am Handgelenk und zieht sie mit sich. Im Haus auf einem langen Flur öffnet sie eine Tür.
"Das ist dein Zimmer, Josy! Soll ich dir beim auspacken und einräumen deiner Sachen helfen?"
Josy nickt und Ivonne packt mit an. Plötzlich kann Josy wieder lachen. "Wie alt bist du?", fragt Josy Ivonne.
"9, aber ich bin erst gestern 9 geworden!" 'Aha', denkt Josy.
"Was ist eigendlich mit dir passiert? Warum bist du hier? Ich bin von meinen Eltern verlassen worden. Sie wollten mich nicht mehr." Ivonne blüht richtig auf und erzählt und erzählt.
Dann erzählt Josy. Zuerst stockend und dann immer flüssiger.Als sie an der Stelle mit ihren Eltern angelangt ist, fängt sie aufeinmal zu weinen an. Ivonne legt ihr den Arm um die Schultern. "Nana, beruhig dich! Das war wohl ein bisschen viel auf einmal, nicht wahr?"
Josy nickt und erzählt weiter.
 
Mit der Zeit fühlt sich Josy besser und Ivonne und sie freunden sich an. Herrlich!
Josy vermisst zwar auch manchmal ihre Eltern und weint, aber Ivonne sorgt mit ihrer quirligen Art immer für Spaß.
Jetzt ist sie schon ein halbes Jahr im Kinderdorf und dann hat sie Geburtstag.
Es gibt ein Fest und alle feiern mit. Alle? Nein, Ivonne liegt krank im Bett und Josy geht schon nach einer Stunde hoch in Ivonne's Zimmer mit einem Stück Kuchen in der Hand. Dann feiern die beiden noch 2 Stunden so. Zeit um ins Bett zu gehen! Doch bevor Josy einschläft, denkt sie noch an alles, was sie durchgemacht hat. Wieso ist das passiert? Wieso?

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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