Hans Pürstner
Der Hausarzt
Im Emergency Room hasten junge dynamische Mediziner von OP Raum zu Krankenzimmern und zurück, Schwester Angelika bemüht sich rührend um den kleinen verletzen Niklas und kittet nebenbei gleich noch eine größere Familienstreitigkeit bei dessen Eltern. Professor Brinkmann operiert den komplizierten Blinddarmdurchbruch des Stadtstreichers Erwin ohne sich um Gesundheitskarte oder gar um Praxisgebühr zu kümmern. Alle überbieten sich geradezu dabei, ihren vor Jahren gesprochenen Hippokrateseid zu erfüllen.
Die Realität abseits der bunten Fernsehwelt sieht etwas anders aus.
In meiner kargen Freizeit sitze ich hier am PC, trotz Gesundheitskissen am Bürostuhl tut mir der Rücken weh. „Auf dem Röntgenbild kann ich nichts erkennen, nur eine kleine Ausbuchtung an der Bandscheibe, das kriegen wir mit Gymnastik leicht wieder weg!“
Dass ich wegen meiner Kniearthrose kaum laufen kann, geschweige denn stundenlang im Fitnesscenter rumhopsen, kümmert ihn wenig, den „Gesundheitsberater“, wie man den Arzt heute wohl besser nennen sollte. Ein Heilberuf, aber zu heilen gibt es wenig.
Entweder ist der Befund der Blutprobe „durchweg im grünen Bereich, aus dem bisschen an Abweichungen kann ich Ihnen leider keine Krankheit machen“, oder es gibt gegen die Beschwerden, im Ärztedeutsch Befindungsstörungen genannt, keine Medikamente. Gibt es solche doch, lehnt die Krankenkasse die Übernahme der Kosten ab, „wegen nicht erwiesener Wirkung.“
Mit diesem Argument könnte sie auch so manchen Arztbesuch ablehnen. Doch wir werden überwiesen von Facharzt zu Facharzt, von Röntgenpraxis zu Belastungs EKG´s und so fort.
Nehmen Urlaubstage ohne Ende, um die wenig kundenfreundlichen Termine der tollen Spezialisten wahrnehmen zu können.
Am Ende sitzen wir wieder vor dem Arzt, der kratzt sich verlegen am Kopf, dreht den Befund hin und her, um danach doch wieder eine neue Überweisung auszustellen. Für eine neuerliche Untersuchung. Ist deren Wirksamkeit eigentlich erwiesen?
Wo ist er bloß geblieben, der gute alte Hausarzt? Rund um die Uhr war er ansprechbar. Kannte den Patienten, seine Familie und dessen Umfeld und Beruf.
Der brauchte nicht gleich eine teure und zeitaufwendige Computertomographie, um einem die Ursache für seine Schmerzen erklären zu können. Der hatte Erfahrung, Lebenserfahrung, und damit erreichte er wohl mehr als all die unsinnigen millionenteuren Diagnosegeräte. Was nützt der schönste Diagnoseversuch, wenn man anschließend doch mit den gleichen Schmerzen weiterleben muss?
Überhaupt Schmerzen. Sie sind doch ein Warnzeichen des Körpers, dass irgendetwas nicht stimmt, aus dem Ruder zu laufen scheint. Aber alles kann man heute diagnostizieren, nur den Schmerz nicht. Der wird einem geglaubt oder auch nicht.
Aber befreit davon wird man selten.
Ich weiß nicht, ob es eine Lösung gibt für diese Geschichten, die man landauf landab hört oder auch selbst erlebt. Vielleicht lässt sich unser Gesundheitssystem wirklich nicht verbessern.
Aber warum muss es dann immer teurer werden???
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.01.2008.
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