Mario Hedemann

Die drei Fenster

                                                    Die drei Fenster

 

Als ich starb, stand ich vor drei Fenster, die offen waren. Sie schwebten einfach, genauso wie ich in der Luft, zwischen einen wunderbaren weißen Nebel. Die Fenster trugen Namen. Das eine hieß Himmel, das andere hieß Hölle und das dritte hieß Erde.

Eines der Fenster stand mir zur Auswahl, meinte der alte Mann den ich unten am Feldweg traf, bevor sich der Nebel um mich herum schloss.

Ich warf einen Blick durch das Fenster das Himmel hieß. Ein riesiger großer Raum war zu sehen, in dem einige lange Tische mit Gedecken standen, so als ob hier eine Feier stattfinden würde. Mir gegenüber befand sich eine  Tür. Sie wurde geöffnet und ein alter Mann mit langem weißen Bart und langen Haaren kam zu mir. „Nun,“ sagte er. „Du warst zu Lebzeiten so mit den Bäumen und den Tieren verbunden, dass ich beinahe der Meinung bin, du gehörst nicht in den Himmel. Du glaubtest nicht an mich und bist nie in der Kirche gewesen. Hier kommen nur diejenigen herein, die an mich geglaubt haben. Aber du darfst gerne diesen Raum betreten und einen Bissen essen, wenn du hungrig bist, denn zu Lebzeiten warst du nie geizig und teiltest immer mit den Amen. Dann muss du weiter.“

„Wer bist du denn?“ wollte ich wissen.

„Ich bin der liebe Gott,“ antwortete der Mann.

„Lieber Gott?“ überlegte ich. „Gibt es auch einen bösen Gott? Ich habe nie an irgendwelche Götter geglaubt. Wer hat dich geboren?

„Ich bin aus den Gedanken und Glaube der Menschen entstanden. Je mehr an mich glauben, desto größer und mächtiger werde ich.

„Ich bin nicht hungrig und geglaubt habe ich immer nur das, was ich auch wirklich gesehen habe und anfassen konnte,“ sprach ich zu dem alten. „Ich sehe mal, ob ich in der Hölle mein Glück finde.“

Ich ging zum Fenster welches da Hölle hieß und lugte hinein. Auch hier war ein großer Raum, in deren Mitte ein Feuer brannte. Aus dem Feuer formte sich ein Gesicht. Ein Mann mit einer spitzen Nase und einem Spitzbart kam daraus zum Vorschein, der frech grinsend auf mich zukam.

„Willst du nicht reinkommen und dich am Feuer wärmen?“ Fragte er hämisch.

„Mir ist nicht kalt,“ sagte ich. „Wer bist du denn?“

„Ich bin der Teufel. Ich lege Feuer auf der Erde und bringe andere Menschen dazu, etwas Ungezogenes zu tun. Kein anderes Lebewesen ist so beeinflussbar, wie der Mensch. Hier bei mir im Feuer habe ich all diejenigen, die zu Lebzeiten nicht dem Normas der anderen Menschen entsprach. Zusammen haben wir hier unten viel spaß, um noch mehr Menschen böse werden zu lassen. Ich brauche nämlich viel Gesellschaft und andere, die für mich arbeiten.“

„Ach nein,“ sagte ich. „Lass nur gut sein. Ich war nie böse und habe auch keine Lust, andere Lebewesen zu beeinflussen.“

„Dann geh weiter und mögen dich meine Schergen holen,“ sprach der Mann und verschwand wieder im Feuer.

Ich ging nun zum dritten Fenster, welches Erde hieß.

Als ich vor dem Fenster stand, konnte ich einen großen Wald sehen, in dem ein Reh, ein Wolf, ein Bär, ein Wildschwein und eine kleine Schnecke, die auf dem Wildschwein saß zu sehen waren. Ein Vogel kam gerade angeflogen und setzte sich auf den Rücken vom Reh.

„Wer bist denn du?“ fragte das Reh. Ich nannte meinen Namen und sagte ihm, was ich in den anderen zwei Fenstern erlebt hatte und mir keines von dem gefiel.

„Ich bitte euch, der Wald war zu Lebzeiten immer schon mein zu Hause. Nehmt mich doch in eurem Kreis auf.“

Der Bär war erst skeptisch und das Wildschwein funkelte mich mit glühenden Augen an, so als wolle es auf mich losgehen.

„Das ist nicht so einfach,“ sagte das Reh. „Woher wissen wir, dass du kein Jäger bist und uns erschießt? Und außerdem ist dies das Fenster für Tiere und Pflanzen.“

„Noch nie ist ein Mensch hier hergekommen und wollte bei uns sein,“ meinte das Wildschwein.

„Wir sind hier im Augenblick nur ein paar Tiere, aber hier gibt es tief in den Wald drin, noch viel mehr und andere Arten,“ meinte die Schnecke.

„Nein, wir lassen dich nicht rein,“ sagte der Vogel.

Da kam eine Katze angelaufen. Es war meine Katze, die mir zu Lebzeiten gehörte, und die alles bei mir durfte. Sie stellte sich neben dem Wildschwein und sagte: „Ich kenne Ihn. Der kann wirklich keiner Fliege etwas zu Leide tun. Aber eines musst du dir merken,“ meinte sie und guckte mich an. Wenn du einmal hier drin bist, kommst du nie wieder heraus. Und tötest du ein Tier oder brichst einer Pflanze etwas, so wirst du für immer verbannt und kommst ins Nachbarfenster zum Teufel. Dort musst du qualvoll verbrennen.“

„Du kennst mich doch,“ sagte ich zu der Katze. „Könnte ich wirklich jemanden etwas antun?“

„Bei Menschen ist Tier und Pflanze sich nicht so sicher,“ meinte das Schwein.

Nach einer weile diskutieren, ließen mich die Tiere durchs Fenster und dort bin ich glücklicher, als ich’s zu Lebzeiten je war.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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