„Es heißt Knarzbügel – Bichlinghaus. Ganz einfach.
Trotzdem haben die Leute des Öfteren Schwierigkeiten damit. Nun, was ich meine,
nun ja, sehen Sie, die Sache ist etwas delikat…“
„Frau Knarzbügel – Bichlinghaus meint einfach, dass
die Form dieser Ballons nun, missverstanden wird“ versuchte Herr Grote zu
erklären. „Sehen Sie, manche unserer Kunden sind, wie soll ich sagen, etwas
empfindlich, in gewissen Dingen“
„Nun, Phallischen Symbolen, wenn Sie verstehen, was
ich meine“ sagte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus und machte mit angeekeltem
Gesichtsausdruck eben jene Geste, die einen Geschlechtsakt darstellen soll. Und
sie machte diese derartig verstohlen, als wäre schon der Gedanke daran ein
Schwerverbrechen.
„Oder aber auch andere Dinge“ ergänzte Herr Grote.
„Zum Beispiel Waffen. Sollten Ihre Ballondinges; na Figuren mit zum Beispiel
einer Schusswaffe Ähnlichkeit haben, dann könne man uns nachsagen, das wir
Gewalt verherrlichen würden. Sie glauben gar nicht, mit was für Argumenten
manche Eltern ankommen.“
Großartig!
Wir basteln uns eine Ballon- Uzi. Wahrscheinlich hat Herr Grote Angst, das ein
Kleinkind damit auf den Filialleiter schießt.
„Ganz wie Sie meinen, Herr Grote. Ich kann auf Ballontricks
verzichten. Ich beherrsche noch ganz andere Tricks“
„Oh, Sie können zaubern! Das ist aber schön. Was für
Tricks beherrschen sie denn?“ krähte
Frau Knarzbügel – Bichlinghaus voll entzücken. Die Darbietung empfand Jakob als
derartig abschreckend, dass er sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte.
„Ich kann zum Beispiel Feuer schlucken und auch
spucken…“
„Völlig ausgeschlossen“ protestierte Herr Grote.
„Offenes Feuer können wir hier nicht dulden. Unsere Sprinkleranlage ist sehr
empfindlich. Wir können nicht riskieren, dass Sie hier einen Großeinsatz der
Feuerwehr auslösen.“
„Ich hätte da noch eine Tierdressur anzubieten. Ich
habe einen zahmen, sprechenden Papagei und einen dressierten Hamster…“
„Nun, wir müssten das mit dem Tierschutzverein
absprechen. Das könnte ein Problem werden…“.
„Es ist ein Problem, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
Wir führen hier Lebensmittel, und ich zweifele sehr, dass das Ordnungsamt da
mitspielt. Insbesondere dieser Herr, na, wie heisst er noch…“
„Sie meinen diesen dicken mit der Brille?“
„Nein, nein, den anderen. Den, der immer mit dem
Kittel und dem Klemmbrett rumläuft…“
„Ach, ich weiß, wen sie meinen…“
„Nun, das ist jedenfalls der Mann, der die >Centy-
Märkte< auf dem Gewissen hat. Wegen einer Schabe im Geflügel“
„Du meine Güte!“
„Angeblich sollen die dort eine gefunden haben. Und
auch nur in einer Filiale. Die haben sich aber nie von diesem Schlag erholt und
haben alle vier Filialen geschlossen. War ein riesiger Medienskandal.
Jedenfalls bei uns in der Gegend“
„Ich verstehe“ sagte Jakob „Keine lebenden und
krabbelnden Tiere“
„Und natürlich auch keine toten“ erklärte Herr Grote
mit schulmeisterischem Ton. „Schließlich wollen wir hier keinen Ärger“
„Natürlich nicht. Wie wäre es mit einigen
Kartentricks? Die sind doch harmlos“
„Das Problem ist, dass das leider nicht alle Menschen
so sehen. Man würde uns sagen, dass wir die Spielsucht fördern“ flötete Frau
Knarzbügel – Bichlinghaus.
„Nachher kommen Sie hier noch mit Hütchenspielen.
Neinnein, wir sind hier ein Supermarkt und kein Kasino“ warf Herr Grote ein.
„Und da wäre noch was“ hakte Frau Knarzbügel –
Bichlinghaus nach. „Wie sind Sie denn angezogen?“
„Natürlich bin ich geschminkt, und ein Kostüm habe
ich auch. Ich kann Ihnen hier ein Foto zeigen“ Jakko griff in seine Tasche und
holte das Gesuchte heraus. Die beiden Herrschaften hinter dem Tisch beäugten
das Foto sehr lange. So lange dass Jakob heiß und kalt wurde. Was sicherlich
nicht daran lag, dass seine Mutter dieses Foto gemacht hatte.
„Nun, Sie sehen aus wie ein Clown!“ bemerkte Herr
Grote.
„Aber natürlich!“ erwiderte Jakob.
„Aber das kann zu einem Problem werden“ berichtigte
Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
„Wieso denn das“ empörte sich Jakob, der ganz sicher
nicht vorhatte, in diesem Aufzug Betriebswirtschaft zu studieren.
„Nun, fangen wir mal damit an, dass Ihr Kostüm aus
lauter Flicken besteht“ begann Herr Grote. „ Sehen Sie, die meisten unserer Kunden
sind nicht sehr begütert“
„Die kommen ja auch nur zu uns wegen unserer
günstigen Preise“ ergänzte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
„Und bei vielen dieser Menschen ist die Kleidung nun
einmal geflickt. Und darum könnten die sich verunglimpft fühlen. Die Leute sind
nun einmal arm“
„Herr Grote, wir wollen doch niemanden
diskriminieren. Wir sind doch alle froh, dass es diese Leute gibt, und dass sie
uns die Treue halten…“
„Sie haben ja so recht, Frau Knarzbügel –
Bichlinghaus. Uns gibt es immerhin schon ein ganzes Jahr. Und das wäre nicht
möglich gewesen, wenn uns unsere Kunden nicht die Treue hielten. Und darum
müssen wir aufpassen, dass wir sie nicht durch unbedachte Aktionen vergraulen.
Zum Beispiel mit Ihren Schuhen!“
„Herr Grobe, ich leide nicht unter Schweißfüssen“
„Grote ist mein Name, und von Ihren Schweinsfüßen
rede ich gar nicht. Ich rede von der ganz beachtlichen Größe ihrer Schuhe“
„Diese Größe ist gar kein Problem für mich. Ich kann
mich darin gut und sicher bewegen.“
„Aber davon rede ich doch gar nicht. Ich rede davon,
dass diese Größe Menschen mit Missbildungen beleidigen könnte“
„Wie bitte?“
„Nun, es gibt doch zahlreiche Menschen mit einer
Verwachsung oder so etwas. Ich glaube, das hat etwas mit der Hirnanhangsdrüse
zu tun. Und dann gibt es doch noch diese andere Sache, ähh…“
„Sie
meinen sicher mutiple Neurofibromatose, Herr Grote“
„Ja, danke, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus. Jetzt stellen Sie sich doch einmal vor,
jemand mit einer solchen Krankheit kommt in unser Geschäft und sieht dann Sie
mit Ihren großen Schuhen. Würden Sie sich dann nicht verunglimpft fühlen?“
Jakob wollte
schon mit >nein< antworten, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass
dieser Supermarkt viele Elefantenmenschen als Kunden hatte. Stattdessen
erkundigte er sich freundlich nach dessen Anzahl.
„Das
spielt gar keine Rolle“ erwiderte Herr Grote. „Es
könnte aber jemand kommen. Das ist der springende Punkt. Verstehen
Sie? Und wenn der sich dann beschwert, wird nicht nur Ihr Name in Misskredit
gebracht, sondern vor allem der gute Name des B- Markets. Und dass will doch
niemand. Das will ich nicht, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus will das nicht, und
Sie wollen das doch sicher auch nicht.“
„Und ich
kann mir kaum vorstellen, dass es ein Mensch will, der unter mutiple
Neurofibromatose leidet. Der hat doch seine eigenen Sorgen und will doch nur
hier einkaufen“
„Und dann sieht der Sie und fühlt sich gleich beleidigt.
Und dann macht er unser Geschäft schlecht. Und das alles wegen Ihrer Schuhe.“
„Schon gut. Gibt es noch mehr, was Sie stört?“
„Nun, wenn sie gerade so fragen…“ sagte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus und machte
ein Gesicht, als würde ihr Jakob leid tun. „Nun Ihre Perücke könnte ein Problem
werden“
„Aber
wieso denn?“
„Und sie
fürchten nun die Rache der rothaarigen“
„Wenn Sie
es so ausdrücken wollen“ Frau Knarzbügel – Bichlinghaus grinste verlegen.
„Ich habe
noch eine grüne Perücke Zuhause. Würde sie das Problem lösen?"
„Nun,
vielleicht. Aber ich gebe zu bedenken, dass auch politische Parteien durch
Farben assoziiert werden können. Von daher sollten wir mit den Farben
vorsichtig sein“ gab Herr Grote zu bedenken.
„Was für
Farben wären denn unverfänglich?“ wollte Jakob wissen.
„Nun,
alle natürlich vorkommenden Farben“ erklärte Herr Grote „Braun, gelb, grau und
natürlich schwarz“
„Nein, Herr Grote. Nicht grau. Unsere älteren
Kunden könnten dies als Affront betrachten. Aber alle anderen Farben wären in
Ordnung“
„Wie wäre es denn mit einer Perücke, die wie ein
Regenbogen aussieht?“
„Nun, Greenpeace benutzt den Regenbogen schon als
Erkennungszeichen. Wir müssten sicher gehen, dass es keine Schwierigkeiten mit
dem Markenrecht bekommen“ sinnierte Herr Grote.
„Gut, eine Perücke in Naturfarben“ stöhnte Jakob, der
gar nicht so begeistert darüber war, dass er sich nun eine Perücke von seiner
Tante Frieda leihen musste.
„Und da wäre noch eine Sache. Ihr Name. Oder besser
gesagt, der Name, mit dem Sie auftreten. Die Anzüglichkeiten, die man mit
diesem Namen in Verbindung bringen muss“ säuselte Frau Knarzbügel- Bichlinghaus
verlegen.
Jakob war wie vom Blitz gerührt „Anzüglich… Mein
Name? Aber wieso denn?“
„Nun, da gab es doch mal diesen Mann… Aus dem Musikgeschäft.
Sie wissen doch sicher, wen ich meine“ In erster Linie hörte es sich so an, als
würde diese Frau überhaupt keine Musik hören. „Nun, da gab es doch eine ganze
Reihe von Skandalen“
„Aber Frau Knarzbügel- Bichlinghaus, die Musikbranche
ist doch für Skandale bekannt…“
„Aber Herr Grote, da ging es um kleine Kinder!“
schrie Frau Knarzbügel- Bichlinghaus vor entsetzten, als wäre sie dabei
gewesen. Auch Jakob war entsetzt, so, als hätte man diese Vorwürfe ihm selbst
gemacht. Und das, obwohl er mit dem King of Pop nun wirklich nichts gemein
hatte.
„Was für ein Name wäre ihnen den genehm?“
„Einfach einer, der nicht so verfänglich ist“ flötete
die Personalchefin. „Wie wäre es denn mit Jocko?“
Jakob nickte verstört, was nicht nur daran lag, dass
dieser Name eher zu einem Papagei passte. Genau so gut hätte sie Polly
vorschlagen können. Wenn er bedachte, dass einer der größten dieser Zunft sich
wie ein alkoholisches Getränk nannte…
„Mir fällt da gerade noch etwas ein“ Wie vom Schlag
getroffen hob Frau Knarzbügel- Bichlinghaus die Hände. Jakob wäre es in diesem
Moment nur recht gewesen, dass sie tatsächlich vom Schlag getroffen worden
wäre. „Die Kinder, wie wollen Sie die anreden?“
„Nun, hallo, liebe Kinder, so in etwa. Wie sollte man
das denn sonst machen?“
„Aber mein Junge, die ethnischen Minderheiten, die
müssen Sie um jeden Preis berücksichtigen“ dabei schwang ein hysterisch
schriller Ton mit in ihrer Stimme.
„Da hat Frau Knarzbügel- Bichlinghaus leider recht“
pflichtete Herr Grote gelassen bei. „Es ist leider so, jede hier vertretene
Volksgruppe hat hierzulande ihre eigene Interessenvertretung. Und wenn sich so
ein Ausländer beleidigt oder hintergangen fühlt, dann steigt uns diese aufs
Dach; im übertragenden Sinne natürlich…“
„Herr Grote, ich glaube, diese Leute werden lieber
>Menschen mit Migrationshintergrund< genannt…“
„Sie haben ja so recht, Frau Knarzbügel-
Bichlinghaus. Also, wenn Sie ein Kind mit Migrationshintergrund sehen, dann
sprechen Sie es einfach diesbezüglich an: Willkommen kleiner Türke, willkommen
du Polenkind…“
„Herr Grote, ich glaube die Polen werden lieber Ostdeutsche
genannt. Sie könnten sich sonst beleidigt fühlen.“
„Sind Sie sich da sicher, Frau Knarzbügel-
Bichlinghaus? Werden Sie wirklich lieber Ostdeutsche genannt? Oder war es nicht
Osteuropäer?“
„Nun, ich glaube, Sie haben recht, Herr Grote“
„Aber wie soll ich dass denn machen? Ich meine den
ethnischen Hintergrund der Kinder erkennen. Soll ich raten? Was ist, wenn ich
mich vertue?“
„Ja, da ist was dran. Nun, am besten, Sie sprechen die
Kinder nicht direkt an. Sie könnten sie mit >Ho, ho, ho< begrüßen…“
„Nein, Herr Grote. >Ho, ho, ho< macht schon der
Weihnachtsmann. Wir müssen uns wohl etwas anderes einfallen lassen.“ Sagte Frau
Knarzbügel- Bichlinghaus.
Jakob hatte den Job. Darüber war er ganz sicher nicht
halb so erleichtert wie über die Tatsache, dass er das Büro endlich hatte
verlassen können. Denn sicher hatte er den Job nur bekommen, weil ihn kein
anderer machen wollte. Die meisten Clowns hätten schon nach dem Verbot der
Ballontiere das Weite gesucht. Die meisten Clowns waren aber auch nicht einfach
nur Studenten sondern mussten über Agenturen engagiert werden. Und das war
nicht nur teuer, die Leute hatten auch ihren Stolz. Und das war etwas, was
Jakob völlig heruntergeschluckt hatte. Dass man gefordert hatte, seinen Namen
zu ändern war somit gesehen, ein klarer Vorteil. So würde ihn niemand als Jakko
mit diesem Festtag in Verbindung bringen. Wenigstens die Clownsnase hatten sie
ihm gelassen. Schließlich war diese rote Nase schon seit Urzeiten das
Erkennungsmerkmal für die Clowns. Und schminken durfte er sich auch. So würden
ihn wenigstens die Nachbarn nicht erkennen. Dafür würde er sich mit der
Schminke wahrscheinlich seinen Anzug ruinieren. Denn nächste Woche würde er als
Jocko der Clown hier stehen, in seinen besten Sachen mit blank geputzten
Schuhen und ein wenig jonglieren. Natürlich nur mit sehr weichen Bällen,
schließlich durfte ja niemand verletzt werden. Dazu würde er immer wieder „Hallo,
hallo, hallo“ oder „Wacker, wacker, wacker“ rufen. Wahrscheinlich würden ihn
die Kinder mit Tomaten bewerfen. Doch so sehr wie der B- Market um seine Kunden
besorgt war, durfte man annehmen, dass diese wenigstens frisch waren.