Uwe Keßler

Der politisch korrekte Clown

Eigentlich sollte es nur ein Nebenjob sein. So einer, bei dem man ohne große Anstrengung ein wenig Geld verdienen kann. Ein wenig Geld kann man schließlich immer gebrauchen, erst recht, wenn man Student ist.
Über einen Bekannten hatte Jakob erfahren, dass der örtliche Supermarkt sein einjähriges feiern wollte. Gut, warum auch nicht. Vor allem, wenn beim besten Willen nicht jedes Geschäft so lange hält. Und zu diesem Anlass suchte man eine Attraktion. Und Jakob hoffte, genau diese zu werden. Als Jakko der Clown war er schon auf Kindergeburtstagen aufgetreten und hatte mit seinen Zauberkunststücken die Blagen verblüfft, und deren Eltern auch. Gut, für einen Supermarkt war dies sicher nichts Besonderes. Doch es war ja auch nur das einjährige Jubiläum. Und da war ein Clown, der obendrein noch zaubern konnte ganz sicher ausreichend. Elefanten oder ähnliches konnte man sich für das zehnjährige aufsparen. Und so saß Jakob kurz, nachdem er beim B- Market angerufen hatte, dem Filialleiter und einer Frau aus dem Personalbüro gegenüber.
    „Dies ist Frau Knarzbügel- Bichlinghaus aus dem Hauptbüro. Sie ist für alle Fragen des Personalwesens verantwortlich. Und mein Name ist Joachim Grote. Bitte setzen Sie sich doch“ eröffnete der Filialleiter mit einer einladenden Geste. Jakob folgte und setzte sich auf den bereitstehenden Stuhl. Seinen Koffer mit seiner Ausrüstung platzierte er vorsichtig auf den Boden neben ihm. Sollten der Filialleiter oder diese Frau mit dem komischen Namen wissen wollen, was er so drauf hatte, dann würde er ihnen schon etwas zeigen.
Und schon bot sich Jakob die erste Gelegenheit sich zu beweisen, denn Frau Knarzbügel – Bichlinghaus stellte die erste Frage; was Jakko denn zur Unterhaltung an diesem Festtag beisteuern könne.
    „Ich kann eine ganze Menge“ betonte Jakob. „Zunächst einmal habe ich eine Seifenblasenmaschine. Gerade die Kinder lieben sie. Sie sollten mal sehen, wie sie um die Blasen herumtollen, wenn die Maschine läuft…“
     „Äh, diese Maschine, läuft sie mit Seifenlauge?“ wollte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus wissen.
    „Nun, ich befülle sie mit handelsüblichem Spülmittel. Also mit einer Substanz, die auch Sie hier verkaufen.“
    „Darum geht es im eigentlichem Sinne nicht“ erklärte die Personalchefin. „Sie müssen wissen, dass Seifenlauge oder Spülmittel auf dem Bodenbelag nun ja, schwierig werden könnten.“
     „Aber ich bin ganz vorsichtig beim befüllen, und ich muss es ja auch nur einmal am Tag machen.“
    „Ich glaube Ihnen ja, dass Sie vorsichtig sind. Aber das Problem sind die Seifenblasen. Wenn sie platzten, dann träufelt das Seifenwasser ja von selbst auf den Boden. Und stellen Sie sich mal vor, wenn hier jemand ausrutscht!“
     „Und dann noch zu einem Jubiläum, wenn es ganz besonders voll ist“ gab Herr Grote zu bedenken. „Das wäre keine Gute Presse für uns.“
     „Ja, dass ist ein Problem“ stimmte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus zu. „Es wird sich keine Versicherung für einen solchen Fall finden. Und die Versicherungen die so etwas tatsächlich abdecken sind einfach un- be- zahl- bar. Das sag´ ich Ihnen“
    „Da muss ich Frau Knarzbügel – Bichlinghaus recht geben. Sehen Sie, es ist nur eine kleine Feier, und derartig horrende Ausgaben, dass kann sich unser kleiner Betrieb nicht leisten. Aber mal etwas anderes, so eine Seifenblasenmaschine, die gibt es doch nicht zu kaufen?“    
    „Doch, der Fachhandel führt so etwas“ widersprach Jakob „Ich habe meine allerdings selbst gebaut“ Jakob hätte seine letzte Bemerkung am liebsten verschluckt, denn in Herrn Grotes Gesicht ließ sich das Szenario eines Kurzschlusses mit anschließendem Feuer, Massenpanik, Toten und Verletzten ablesen. Auch dass die Maschine nur durch eine Babyzelle angetrieben wurde, dürfte an diesem Gesichtsausdruck nichts ändern. „Also gut, ich kann auf Seifenblasen verzichten“ sagte Jakko schließlich. Durch Herrn Grote und Frau Knarzbügel – Bichlinghaus lief ein Stossseufzer.
    „Was haben sie uns denn sonst noch zu bieten?“ fragte die Frau mit dem komischen Namen mit einem erwartungsfrohen Lächeln im Gesicht, das in Jakobs Augen nichts Gutes verheißen konnte.    
    „Natürlich kann ich Ballontierchen machen. Darüber freut sich doch Groß und Klein. Wenn ich Ihnen eine Kostprobe geben dürfte…“Aus den Augen der beiden gegenüber konnte Jakob ganz deutlich ersehen, dass sich doch nicht alle Großen über Ballontierchen freuten.    
    „Nun diese Ballons, die Sie verwenden, sind die latexfrei?“ Die Frage Herrn Grotes löste in Jakob Sprachlosigkeit aus, was auch ganz gut war, denn um ein Haar hätte er vorgeschlagen, seine Ballontiere aus latexfreien Kondomen zu gestalten. Eine Variante, die allerdings eher bei seinem älteren Publikum ankam. Doch Frau Knarzbügel – Bichlinghaus kam ihm zuvor.
     „Da sehe ich noch ein Problem: Diese Ballons, die sind doch eher nun, länglich, oder?“
     „Nun, ja…“
    „Ja, das habe ich befürchtet“    
    „Entschuldigen Sie Frau… äh, aber was ist an Ballons so gefährlich?“
    „Es heißt Knarzbügel – Bichlinghaus. Ganz einfach. Trotzdem haben die Leute des Öfteren Schwierigkeiten damit. Nun, was ich meine, nun ja, sehen Sie, die Sache ist etwas delikat…“
    „Frau Knarzbügel – Bichlinghaus meint einfach, dass die Form dieser Ballons nun, missverstanden wird“ versuchte Herr Grote zu erklären. „Sehen Sie, manche unserer Kunden sind, wie soll ich sagen, etwas empfindlich, in gewissen Dingen“
    „Nun, Phallischen Symbolen, wenn Sie verstehen, was ich meine“ sagte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus und machte mit angeekeltem Gesichtsausdruck eben jene Geste, die einen Geschlechtsakt darstellen soll. Und sie machte diese derartig verstohlen, als wäre schon der Gedanke daran ein Schwerverbrechen.    
    „Oder aber auch andere Dinge“ ergänzte Herr Grote. „Zum Beispiel Waffen. Sollten Ihre Ballondinges; na Figuren mit zum Beispiel einer Schusswaffe Ähnlichkeit haben, dann könne man uns nachsagen, das wir Gewalt verherrlichen würden. Sie glauben gar nicht, mit was für Argumenten manche Eltern ankommen.“
Großartig! Wir basteln uns eine Ballon- Uzi. Wahrscheinlich hat Herr Grote Angst, das ein Kleinkind damit auf den Filialleiter schießt.    
    „Ganz wie Sie meinen, Herr Grote. Ich kann auf Ballontricks verzichten. Ich beherrsche noch ganz andere Tricks“
    „Oh, Sie können zaubern! Das ist aber schön. Was für Tricks  beherrschen sie denn?“ krähte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus voll entzücken. Die Darbietung empfand Jakob als derartig abschreckend, dass er sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte.
     „Ich kann zum Beispiel Feuer schlucken und auch spucken…“
     „Völlig ausgeschlossen“ protestierte Herr Grote. „Offenes Feuer können wir hier nicht dulden. Unsere Sprinkleranlage ist sehr empfindlich. Wir können nicht riskieren, dass Sie hier einen Großeinsatz der Feuerwehr auslösen.“
     „Ich hätte da noch eine Tierdressur anzubieten. Ich habe einen zahmen, sprechenden Papagei und einen dressierten Hamster…“
    „Nun, wir müssten das mit dem Tierschutzverein absprechen. Das könnte ein Problem werden…“.    
    „Es ist ein Problem, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus. Wir führen hier Lebensmittel, und ich zweifele sehr, dass das Ordnungsamt da mitspielt. Insbesondere dieser Herr, na, wie heisst er noch…“    
    „Sie meinen diesen dicken mit der Brille?“
    „Nein, nein, den anderen. Den, der immer mit dem Kittel und dem Klemmbrett rumläuft…“
    „Ach, ich weiß, wen sie meinen…“
    „Nun, das ist jedenfalls der Mann, der die >Centy- Märkte< auf dem Gewissen hat. Wegen einer Schabe im Geflügel“    
    „Du meine Güte!“    
    „Angeblich sollen die dort eine gefunden haben. Und auch nur in einer Filiale. Die haben sich aber nie von diesem Schlag erholt und haben alle vier Filialen geschlossen. War ein riesiger Medienskandal. Jedenfalls bei uns in der Gegend“
     „Ich verstehe“ sagte Jakob „Keine lebenden und krabbelnden Tiere“
     „Und natürlich auch keine toten“ erklärte Herr Grote mit schulmeisterischem Ton. „Schließlich wollen wir hier keinen Ärger“
     „Natürlich nicht. Wie wäre es mit einigen Kartentricks? Die sind doch harmlos“
     „Das Problem ist, dass das leider nicht alle Menschen so sehen. Man würde uns sagen, dass wir die Spielsucht fördern“ flötete Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
    „Nachher kommen Sie hier noch mit Hütchenspielen. Neinnein, wir sind hier ein Supermarkt und kein Kasino“ warf Herr Grote ein.    
    „Und da wäre noch was“ hakte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus nach. „Wie sind Sie denn angezogen?“
    „Natürlich bin ich geschminkt, und ein Kostüm habe ich auch. Ich kann Ihnen hier ein Foto zeigen“ Jakko griff in seine Tasche und holte das Gesuchte heraus. Die beiden Herrschaften hinter dem Tisch beäugten das Foto sehr lange. So lange dass Jakob heiß und kalt wurde. Was sicherlich nicht daran lag, dass seine Mutter dieses Foto gemacht hatte.
    „Nun, Sie sehen aus wie ein Clown!“ bemerkte Herr Grote.    
    „Aber natürlich!“ erwiderte Jakob.
    „Aber das kann zu einem Problem werden“ berichtigte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
    „Wieso denn das“ empörte sich Jakob, der ganz sicher nicht vorhatte, in diesem Aufzug Betriebswirtschaft zu studieren.
    „Nun, fangen wir mal damit an, dass Ihr Kostüm aus lauter Flicken besteht“ begann Herr Grote. „ Sehen Sie, die meisten unserer Kunden sind nicht sehr begütert“
    „Die kommen ja auch nur zu uns wegen unserer günstigen Preise“ ergänzte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus.
     „Und bei vielen dieser Menschen ist die Kleidung nun einmal geflickt. Und darum könnten die sich verunglimpft fühlen. Die Leute sind nun einmal arm“
     „Herr Grote, wir wollen doch niemanden diskriminieren. Wir sind doch alle froh, dass es diese Leute gibt, und dass sie uns die Treue halten…“
     „Sie haben ja so recht, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus. Uns gibt es immerhin schon ein ganzes Jahr. Und das wäre nicht möglich gewesen, wenn uns unsere Kunden nicht die Treue hielten. Und darum müssen wir aufpassen, dass wir sie nicht durch unbedachte Aktionen vergraulen. Zum Beispiel mit Ihren Schuhen!“
    „Herr Grobe, ich leide nicht unter Schweißfüssen“
    „Grote ist mein Name, und von Ihren Schweinsfüßen rede ich gar nicht. Ich rede von der ganz beachtlichen Größe ihrer Schuhe“
    „Diese Größe ist gar kein Problem für mich. Ich kann mich darin gut und sicher bewegen.“
    „Aber davon rede ich doch gar nicht. Ich rede davon, dass diese Größe Menschen mit Missbildungen beleidigen könnte“
    „Wie bitte?“
    „Nun, es gibt doch zahlreiche Menschen mit einer Verwachsung oder so etwas. Ich glaube, das hat etwas mit der Hirnanhangsdrüse zu tun. Und dann gibt es doch noch diese andere Sache, ähh…“
    „Sie meinen sicher mutiple Neurofibromatose, Herr Grote“
    „Ja, danke, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus. Jetzt stellen Sie sich doch einmal vor, jemand mit einer solchen Krankheit kommt in unser Geschäft und sieht dann Sie mit Ihren großen Schuhen. Würden Sie sich dann nicht verunglimpft fühlen?“
Jakob wollte schon mit >nein< antworten, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass dieser Supermarkt viele Elefantenmenschen als Kunden hatte. Stattdessen erkundigte er sich freundlich nach dessen Anzahl.
    „Das spielt gar keine Rolle“ erwiderte Herr Grote. „Es könnte aber jemand kommen. Das ist der springende Punkt. Verstehen Sie? Und wenn der sich dann beschwert, wird nicht nur Ihr Name in Misskredit gebracht, sondern vor allem der gute Name des B- Markets. Und dass will doch niemand. Das will ich nicht, Frau Knarzbügel – Bichlinghaus will das nicht, und Sie wollen das doch sicher auch nicht.“
     „Und ich kann mir kaum vorstellen, dass es ein Mensch will, der unter mutiple Neurofibromatose leidet. Der hat doch seine eigenen Sorgen und will doch nur hier einkaufen“
    „Und dann sieht der Sie und fühlt sich gleich beleidigt. Und dann macht er unser Geschäft schlecht. Und das alles wegen Ihrer Schuhe.“
    „Schon gut. Gibt es noch mehr, was Sie stört?“
    „Nun, wenn sie gerade so fragen…“ sagte Frau Knarzbügel – Bichlinghaus und machte ein Gesicht, als würde ihr Jakob leid tun. „Nun Ihre Perücke könnte ein Problem werden“
    „Aber wieso denn?“
    „Nun, sie ist rot!“
    „Und sie fürchten nun die Rache der rothaarigen“
    „Wenn Sie es so ausdrücken wollen“ Frau Knarzbügel – Bichlinghaus grinste verlegen.
    „Ich habe noch eine grüne Perücke Zuhause. Würde sie das Problem lösen?"
    „Nun, vielleicht. Aber ich gebe zu bedenken, dass auch politische Parteien durch Farben assoziiert werden können. Von daher sollten wir mit den Farben vorsichtig sein“ gab Herr Grote zu bedenken.
    „Was für Farben wären denn unverfänglich?“ wollte Jakob wissen.
    „Nun, alle natürlich vorkommenden Farben“ erklärte Herr Grote „Braun, gelb, grau und natürlich schwarz“
    „Nein, Herr Grote. Nicht grau. Unsere älteren Kunden könnten dies als Affront betrachten. Aber alle anderen Farben wären in Ordnung“
    „Wie wäre es denn mit einer Perücke, die wie ein Regenbogen aussieht?“
    „Nun, Greenpeace benutzt den Regenbogen schon als Erkennungszeichen. Wir müssten sicher gehen, dass es keine Schwierigkeiten mit dem Markenrecht bekommen“ sinnierte Herr Grote.
    „Gut, eine Perücke in Naturfarben“ stöhnte Jakob, der gar nicht so begeistert darüber war, dass er sich nun eine Perücke von seiner Tante Frieda leihen musste.
    „Und da wäre noch eine Sache. Ihr Name. Oder besser gesagt, der Name, mit dem Sie auftreten. Die Anzüglichkeiten, die man mit diesem Namen in Verbindung bringen muss“ säuselte Frau Knarzbügel- Bichlinghaus verlegen.
     Jakob war wie vom Blitz gerührt „Anzüglich… Mein Name? Aber wieso denn?“
    „Nun, da gab es doch mal diesen Mann… Aus dem Musikgeschäft. Sie wissen doch sicher, wen ich meine“ In erster Linie hörte es sich so an, als würde diese Frau überhaupt keine Musik hören. „Nun, da gab es doch eine ganze Reihe von Skandalen“
    „Aber Frau Knarzbügel- Bichlinghaus, die Musikbranche ist doch für Skandale bekannt…“
    „Aber Herr Grote, da ging es um kleine Kinder!“ schrie Frau Knarzbügel- Bichlinghaus vor entsetzten, als wäre sie dabei gewesen. Auch Jakob war entsetzt, so, als hätte man diese Vorwürfe ihm selbst gemacht. Und das, obwohl er mit dem King of Pop nun wirklich nichts gemein hatte.
    „Was für ein Name wäre ihnen den genehm?“
    „Einfach einer, der nicht so verfänglich ist“ flötete die Personalchefin. „Wie wäre es denn mit Jocko?“
     Jakob nickte verstört, was nicht nur daran lag, dass dieser Name eher zu einem Papagei passte. Genau so gut hätte sie Polly vorschlagen können. Wenn er bedachte, dass einer der größten dieser Zunft sich wie ein alkoholisches Getränk nannte…
     „Mir fällt da gerade noch etwas ein“ Wie vom Schlag getroffen hob Frau Knarzbügel- Bichlinghaus die Hände. Jakob wäre es in diesem Moment nur recht gewesen, dass sie tatsächlich vom Schlag getroffen worden wäre. „Die Kinder, wie wollen Sie die anreden?“
    „Nun, hallo, liebe Kinder, so in etwa. Wie sollte man das denn sonst machen?“
    „Aber mein Junge, die ethnischen Minderheiten, die müssen Sie um jeden Preis berücksichtigen“ dabei schwang ein hysterisch schriller Ton mit in ihrer Stimme.
    „Da hat Frau Knarzbügel- Bichlinghaus leider recht“ pflichtete Herr Grote gelassen bei. „Es ist leider so, jede hier vertretene Volksgruppe hat hierzulande ihre eigene Interessenvertretung. Und wenn sich so ein Ausländer beleidigt oder hintergangen fühlt, dann steigt uns diese aufs Dach; im übertragenden Sinne natürlich…“
    „Herr Grote, ich glaube, diese Leute werden lieber >Menschen mit Migrationshintergrund< genannt…“    
    „Sie haben ja so recht, Frau Knarzbügel- Bichlinghaus. Also, wenn Sie ein Kind mit Migrationshintergrund sehen, dann sprechen Sie es einfach diesbezüglich an: Willkommen kleiner Türke, willkommen du Polenkind…“
    „Herr Grote, ich glaube die Polen werden lieber Ostdeutsche genannt. Sie könnten sich sonst beleidigt fühlen.“
    „Sind Sie sich da sicher, Frau Knarzbügel- Bichlinghaus? Werden Sie wirklich lieber Ostdeutsche genannt? Oder war es nicht Osteuropäer?“
    „Nun, ich glaube, Sie haben recht, Herr Grote“
    „Aber wie soll ich dass denn machen? Ich meine den ethnischen Hintergrund der Kinder erkennen. Soll ich raten? Was ist, wenn ich mich vertue?“
    „Ja, da ist was dran. Nun, am besten, Sie sprechen die Kinder nicht direkt an. Sie könnten sie mit >Ho, ho, ho< begrüßen…“
    „Nein, Herr Grote. >Ho, ho, ho< macht schon der Weihnachtsmann. Wir müssen uns wohl etwas anderes einfallen lassen.“ Sagte Frau Knarzbügel- Bichlinghaus.
 
Jakob hatte den Job. Darüber war er ganz sicher nicht halb so erleichtert wie über die Tatsache, dass er das Büro endlich hatte verlassen können. Denn sicher hatte er den Job nur bekommen, weil ihn kein anderer machen wollte. Die meisten Clowns hätten schon nach dem Verbot der Ballontiere das Weite gesucht. Die meisten Clowns waren aber auch nicht einfach nur Studenten sondern mussten über Agenturen engagiert werden. Und das war nicht nur teuer, die Leute hatten auch ihren Stolz. Und das war etwas, was Jakob völlig heruntergeschluckt hatte. Dass man gefordert hatte, seinen Namen zu ändern war somit gesehen, ein klarer Vorteil. So würde ihn niemand als Jakko mit diesem Festtag in Verbindung bringen. Wenigstens die Clownsnase hatten sie ihm gelassen. Schließlich war diese rote Nase schon seit Urzeiten das Erkennungsmerkmal für die Clowns. Und schminken durfte er sich auch. So würden ihn wenigstens die Nachbarn nicht erkennen. Dafür würde er sich mit der Schminke wahrscheinlich seinen Anzug ruinieren. Denn nächste Woche würde er als Jocko der Clown hier stehen, in seinen besten Sachen mit blank geputzten Schuhen und ein wenig jonglieren. Natürlich nur mit sehr weichen Bällen, schließlich durfte ja niemand verletzt werden. Dazu würde er immer wieder „Hallo, hallo, hallo“ oder „Wacker, wacker, wacker“ rufen. Wahrscheinlich würden ihn die Kinder mit Tomaten bewerfen. Doch so sehr wie der B- Market um seine Kunden besorgt war, durfte man annehmen, dass diese wenigstens frisch waren.

Ich schrieb die Geschichte, nachdem ich folgenden Artikel gelesen hatte:
Westfälische Rundschau vom 15.08.07
Sicherheit macht Clown keinen Spaß
London (AFP)
Ein britischer Clown darf bei seinem Auftritt in einem Supermarkt keine Ballons verwenden, weil sein Auftraggeber allergische Reaktionen auf Latex befürchtet. Langsam gingen ihm die Kunststücke aus, klagte Barney Baloney gestern. So ist seine Seifenblasenmaschine schon länger nicht mehr im Einsatz, da sich wegen der Rutschgefahr kein Versicherer fand. Auch wurde ihm untersagt, Luftballons in Form von Pistolen zu formen, weil sie Kinder zu Gewalt anstiften könnten.
Merke: Nichts ist satirischer als das Leben selbst
Uwe Keßler, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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