Es ist kurz nach zwölf Uhr als die 737-500er Serie hart aber herzlich auf der Landebahn aufsetzt, deutsche Birkenstockspiritualreisende die gekommen sind um in Steinkreisen zu tanzen und standing stones zu befühlen holen mich durch ihr Klatschen aus meinen Träumen.
Gedanken an eine peinliche Situation auf
Garnish Island vor einem Jahr mit drei schwäbischen Herren in
Rautensocken und Sandalen, beigen Hemden, lindgrünen Shorts und gekrönt
mit Zitronengelben Batschkäppchen sind schlagartig wieder sehr präsent:
„Däs isch abr handwerklisch ned guat gmacht, bei uns in Augschburg wär’s bessa…“.
Die drei stehen wild gestikulierend vor einem Holzabfalleimer und kritisieren dessen handwerkliche Ausführung.
Ein erneuter Blick herüber zu den Keltenfreaks die bereits die
spirituellsten Sehenswürdigkeiten per Rosenquarzpendel über der
Ordnance Survey Map ermitteln bestärkt mich endgültig im Entschluss das
deutsche Idiom an der Flugzeugtür abzulegen.
Ich raffe eiligst meine drei Sachen zusammen und verlasse den Flieger.
Ich laufe die hundert Meter herüber zum Terminal, der Wind zerzaust
mein Haar, über Dublin scheint die Sonne, auf dem Vorfeld spielt eine
einzelne kleine Regenwolke mit einem Tankwagen Katz’ und Maus, ich
beruhige mich wieder.
Eine Stunde Aufenthalt bevor es weitergeht nach Cork.
Der Tradition folgend gehe ich entspannt am Pub des International
Terminals vorbei wo die Touristen in Massen stehen und man auf sein
Bier 10 Minuten warten muss und schlendere hinüber in die Domestic
Sektion des Airports wo versteckt unter einer Treppe die kleine
bistroartige Bar darauf wartet meinen Durst zu löschen.
Die Trinität des irischen Stouts,bestehend aus dem würzigen
Guinness aus der Hauptstadt, dem in seiner Konsistenz an Motoröl
erinnernden Murphy’s, sowie dem caféaromatisch cremigen Beamish ist
nicht erhältlich. Ich fahre Motorrad, es versteht sich daher wohl von
selbst welches Elixier dieser Dreifaltigkeit mein Favorit ist. Aber wir
sind nunmal in der Hauptstadt, also wird es die weltweit geschätzte
Hauptstadtplörre von Arthur Guinness. Wie sagte mein Nachbar Dermot
Murphy in Trawlebane immer so schön: „Guinness Irish stout, skull it
down and piss it out!“, gefolgt von der generellen Feststellung, dass
Smithwick’s (In D-land zumeist als Kilkenny’s bekannt) ganz trivial
gesagt nichts weiter sei als „glorified piss“, und man bitte doch beim
Bier den Familiennamen ehren solle!
Ich beschließe den negativen Effekt auf mein von West Cork geprägtes
Verdauungssystem später durch starkes verdünnen mit Murphy’s
abzumildern.
Eine erste gelassene Zufriedenheit stellt sich ein.
Auf
dem Weg zu meinem Anschlussflug gehe ich schnell noch am
Aufenthaltsraum der Aer Lingus Besatzungen sowie des Flughafenpersonals
vorbei wo ich schon vor zwanzig Jahren als Unaccompanied Minor von
Clíodhna Mulcahy betreut wurde. Sie arbeitet immer noch hier, ist älter
geworden, hat aber wenig von Ihrer rauhen Schönheit sowie Ihrem derben
Humor verloren. Wir halten ein Schwätzchen und albern herum, dann muss
ich mich auch schon beeilen meinen Flug nicht zu verpassen.
Die 45 Minuten nach Cork vergehen buchstäblich wie im Flug.
In der Ankunftshalle in Cork brennt ein Torffeuer, ich fühle mich zuhause.
Ich nehme den Bus ins Stadtzentrum steige am Parnell Place aus und stelle fest, der West Cork Bus fährt erst in drei Stunden.
Entgegen meiner guten Vorsätze vor einer zweiundhalbstündigen
Busfahrt ohne Toilette an Bord nicht zu trinken gehe ich über die
Strasse, betrete Mulligan’s Bar, ordere ein Toasted Special mit
Coleslaw und Side Salad und vertreibe mit 4 Pints Murphy’s die letzten
Überreste des unsäglichen Guinness aus meinem System.
Knapp drei Stunden später verlasse ich nach einem weiteren Pint
und mit den allerneusten Ergebnissen und Gerüchten rund um die GAA die
Bar und eile zum Bus.
Kurz vor Bandon droht meine Blase zu versagen, ich überzeuge den
Busfahrer zu einem fünfminütigen Stop vor dem Plunkett Inn und mit mir
stürzen sogleich vier weitere Businsassen in die Bar um sich zu
erleichtern. Zwischen Toilette und Bus schädeln wir zu viert noch
schnell einen Schooner an der Bar und hechten zurück in den Bus.
Nachdem wir in Bandon die letzte und einzige Verkehrsampel West
Corks hinter uns gelassen haben steigt mir kurz vor Ballineen bereits
der wohlbekannte „Duft“ der örtlichen Käsefabrik in die Nüstern und die
ersten Fuchsienhecken, typische Botschafter dieses Landstriches, grüßen
mich freudig wiegend im Wind.
Dunmanway hinter uns lassend durchfahren wir Drimoleague und nach
ziemlich exakt zweiundhalbstunden erreichen wir den Square in Bantry
und halten vor Barry Murphy’s Bar und dem kleinen Tante Emma Lädchen
das seine Daseinsberechtigung einzig und allein aus dem
Süßigkeitenkonsum der örtlichen Schülerschaft begründet, die hier auf
die Busse Richtung Durrus, Sheep’s Head und Glandart verteilt werden.
Mir wird schlagartig klar, dass auch ich damals in diesem Laden
ein gefühltes Vermögen in Maltesers und Skittles investiert habe.
Unter
finanziell bedingten Magenschmerzen erlaube ich meinem Mobiltelephon
sich bei Meteor einzuroamen und rufe meine Schulfreundin Carla an.
Wieder erwarten ist sie zuhause in Maulikeeve, ihre Eltern sind verreist und sie muss die Schafe versorgen.
Sie verspricht mir ihren Bruder zu schicken der mich oben am Funeral Home bei meiner alten Schule abholen soll.
Ich mache mich auf den Weg, jedoch nicht ohne Vickery’s Inn einen
kleinen Besuch abzustatten, hier verbrachten wir gemeinhin unsere
mittägliche Schulpause bei selbstgemachten Fritten und hausgemachter
Mayonaise, an besonders rebellischen Tagen versteckten wir unsere
Schuluniformen auf dem Hof und tranken dort in zivil ein Mittagspint.
Ich stoße die schwere Doppelflügeltür auf, keinerlei Veränderung
ist auszumachen, die Möbel aus dunklem Holz mit rotem Plüsch und Leder
bezogen stehen unangetastet, an ihrem Platz am Fenster sitzt die alte
Dame die jeden Tag gegen Mittag kommt und bis spät in die Nacht Gin und
Whiskey trinkt und dabei die Gäste mit dem zungenfertigen
herausschnalzenlassens ihres Gebisses unterhält.
Máiréad erkennt mich schon als ich noch leise die Tür schließe und
zapft ganz selbstverständlich ein Pint Murphy’s als wäre ich nie weg
gewesen.
Wieder einer dieser magischen Momente als würde die Zeit an diesem
Ort einen kleinen Umweg nehmen und nur alle zehn bis zwanzig Jahre
Veränderungen bringen.
Als ich den Laden verlasse wird mir jedoch klar, dass auch hier die Zeit voranschreitet.
Die Häuser oben in Bishop ziehen sich immer weiter den Hang hinauf,
dank „Scrappage Scheme“, „Celtic Tiger“ und inzwischen eingeführtem TÜV
sind die alten „Banger“ von den Strassen verschwunden und Autos neuster
Baureihen verstopfen die schmalen Straßen Bantrys, aber das alte Gefühl
der unaufgeregten Geborgenheit bleibt.
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Sebastian Harreus).
Der Beitrag wurde von Sebastian Harreus auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.01.2008.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Sebastian Harreus als Lieblingsautor markieren
Nemashim: Ein arabisch-hebräisches Theaterprojekt
von Uri Shani
Nemashim ist ein hebräisch-arabisches Theater- und Kommuneprojekt aus Israel, das jungen Menschen aus beiden Gruppen Gelegenheit gibt, ein Jahr miteinander in einer Kommune zu leben und miteinander Theater zu machen.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: