Marianne Knip

Gute alte Zeit ?

Möchte einmal über diese sogenannte gute alte Zeit etwas schreiben. Die nicht immer so gut war, besonders für uns Frauen. Für die Jugendlichen jedoch wäre es aber doch, in manchen Dingen besser, diese Zeit.

Es ist 1955 und ich hatte gerade die Schule beendet und freute mich auf eine Schulfreie Zeit.

Denkste, ein ganzes Jahr Haushaltsschule war angesagt, es war ja wichtig für die Frau wie man einen Haushalt zu führen hatte und wie man sich gegenüber einem zukünftigen Ehemann zu verhalten hatte. Da wird jetzt so mancher Mann aufseufzen und wäre gerne in dieser Zeit gewesen.

Die Wohnung hatte immer Tip Top zu sein, das Essen hatte rechtzeitig auf dem Tisch zu stehen, den Mann liebevoll begrüßen, wenn er von der Arbeit heim kam, alle Haushaltsprobleme von ihm fernhalten. Man durfte ihn nicht bei den Nachrichten im Radio stören, denn Fernseher hatten noch die allerwenigsten, wenn man unbedingt Peter Frankenfeld im Fernsehen oder eine Unterhaltungssendung sehen wollte musste man in eine Gaststätte mit Fernseher gehen. Wenn der Mann dann mit seiner Frau schlafen wollte, hatte sie zu gehorchen, mit Kopfschmerzen sich herausreden galt nicht. Die Kindererziehung lag ganz alleine in den Händen der Frau, der Mann durfte damit nicht belastet werden. Dies alles wurde einem in diesem Jahr Schule beigebracht.

Danach fing die Lehre als Verkäuferin an und da waren wieder drei Jahre Schule, einmal die Woche. Im Verkauf war es damals noch sehr hart, denn Selbstbedienungsläden gab es noch nicht. Wir Mädchen mussten die ganz Drecksarbeit erledigen, Jugendschutz was war das? Arbeitszeit von Montag bis Freitag war 7.00 Uhr – 12.30 Uhr14.00 Uhr – 18.30 Uhr, nach Ladenschluss musste noch alles aufgefüllt werden und wenn man Glück hatte kam man um 19.00 Uhr raus- Mittwoch hatten wir dann ab 13.00 Uhr frei. Samstags mussten wir schon um halb sieben im Geschäft sein und um 18.00 Uhr hatten wir dann Feierabend. Mit groß ausgehen war da nicht viel drinnen, denn um 22.00 Uhr hatte man daheim zu sein und dies ging bis zum 21igsten Lebensjahr, denn wurde man nach dieser Uhrzeit von der Sittenpolizei aufgegriffen, musste man mit auf die Wache und die Eltern mussten einen dann abholen, zum Glück blieb mir diese "Schande" erspart, denn ich war ja einen folgsame Tochter ... grins. Hatte man damals einen Freund, der durfte dann nicht bei dem Mädchen schlafen, auch wenn die Eltern es erlaubt hätten. Wenn ein Nachbar dies mitbekommen hätte, hätte er die Eltern anzeigen können und sie wären wegen Kuppelei verurteilt worden. Mein Gott, die armen Eltern würden mir heut zu Tage Leid tun.

Erst 1969 wurde dieser Kuppelparagraph abgeschafft
In einem Hotel kriegte man nicht einmal für Geld und gute Worte ein Zimmer, wenn man nicht verheiratet war. Deswegen sind mein Verlobter .und ich auch nach Frankreich gefahren, denn dort bekam man ohne Problem ein Zimmer im Hotel ... Pfui aber auch.

Fast hätte ich ja noch den Waschtag vergessen, ihr jungen Frauen habt es heut zu Tage einfach nur herrlich. Wäsche in Waschmaschine, Pulver dazu, einige Knöpfe drücken und das war es dann auch schon. Von wegen, damals war das ein Horrortag. Es fing schon am Abend davor an, die Wäsche musste eingeweicht werden. Am anderen Morgen musste man früh raus, ab in die Waschküche Wasser in den Waschkessel, den Ofen darunter anzünden mit Papier, Holzspäne und danach Brikett nachlegen. Die eingeweichte Wäsche ausspülen, danach in den Kessel legen, Waschpulver dazu, mit dem Stampfer immer wieder die Wäsche drücken bis sie ordentlich gekocht hatte. Danach holte man sie mit einer Holzzange heraus in einen Bottich mit warmen Wasser um sie zum erstenmal zu spülen und dies wurde noch viermal wiederholt. Das auswringen war Knochenarbeit und die Leintücher mussten vor dem aufhängen erst einmal gespannt werden. Wen die Wäsche getrocknet war musste sie auch gleich gebügelt werden, nach dem Bügeln musste die Wäsche noch abkühlen bevor man sie in den Wäscheschrank legte. Ein ganzer Tag ging dafür drauf und man war total erledigt und wenn der Mann dann Lust auf seine Frau hatte konnte sie selten nein sagen.

Nun zurück zu den Jugendlichen. Bei den noch nicht Volljährigen war, wie schon gesagt, um 22.00 Uhr Zapfenstreich und Küssen in der Öffentlichkeit war nicht drinnen, den dann konnte man angezeigt werden, wegen Erregung in der Öffentlichkeit. Wenn ich mir vorstelle., ich war sechzehn als ich meinen ersten Kuss bekam und da habe ich geheult wie ein Schlosshund, denn ich dachte jeder kann es sehen. Als mich meine Mutti fragte warum ich denn weinen würde, sagte mein Bruder, sie ist bestimmt zum erstenmal geküsst worden und da habe ich es erst recht geglaubt.

Na ja der freche Bengel der mich küsste hatte auf jeden Fall eine rote Backe gehabt, denn die Ohrfeige von mir war nicht von schlechten Eltern. die er von mir bekam. In die Tanzstunde ins Jugendhaus bin ich danach auch nicht mehr gegangen. Damals war es so bei der Tanzstunde, der Junge der einen zum letzten Tanz aufgefordert hatte mussten einen nach hause bringen und dieses Risiko wollte ich nicht noch einmal eingehen.

Zwei Jahre später habe ich dann mit meinem Freund die Tanzstunde nachgeholt und der durfte mich ja dann auch küssen, aber nur küssen. Mit einem Jungen so einfach zu schlafen, wie es heute üblich ist, war damals nicht möglich, als braves Mädchen. Man hatte unschuldig zu sein, sagt dies einmal heute einer 18jährigen, die lacht sich kaputt. Aber es hatte ja auch seine guten Seiten, denn Uneheliche Kinder waren damals noch eine Schande. Als ich dann später meinen jetzigen Exmann kennen gelernt hatte habe ich dann diese sogenannte Tugend aufgegeben, denn er war meine ganz große Liebe. In unser Verlobungszeit ist dann unser Sohn in Frankreich, von mir ungeplant von ihm sehr wohl geplant, zustande gekommen, denn dann musste ich ihn ja heiraten, obwohl ich ja eigentlich damit noch ein wenig warten wollte.

Ja so war dies damals, es war eine harte Zeit, aber sie hatte auch manch Gutes, denn es herrschten noch, wie man so schön sagte, Anstand und Ordnung.

M.K. ... 10.11.2007

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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